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Kein Mitschnitt von Stadtvertretersitzungen: Alte und neue Welt trifft aufeinander

Schwerin, 27.06.2017 (red/sr). Wie transparent darf und soll die Stadtvertretung sein? Die Frage entzündete sich gestern Abend vor allem daran, ob es im Nachgang von Sitzungen eine abrufbare legale Möglichkeit

  • Veröffentlicht Juni 27, 2017

Schwerin, 27.06.2017 (red/sr). Wie transparent darf und soll die Stadtvertretung sein? Die Frage entzündete sich gestern Abend vor allem daran, ob es im Nachgang von Sitzungen eine abrufbare legale Möglichkeit geben soll, Debatten der Stadtvertretung auch noch einmal später verfolgen zu können oder nicht? Der Mehrheit der Stadtvertreter möchte das nicht und hat mit dem rechtlichen Argument des „Schutzes der Persönlichkeitsrechte“ auch recht. Es gibt aber auch eine politische Ebene. 

Kommentar: Von Stefan Rochow

 

Archivbild: Abstimmung in der Stadtvertretung Foto: Dario Rochow | Schwerin-Lokal

 

Bis zu 250.000 Euro könnte demnächst der illegale Mitschnitt einer Stadtvertretersitzung kosten. Das beschlossen gestern Abend auf Antrag der Unabhängigen Bürger (UB) und der CDU die Stadtvertreter mit ihrer Mehrheit. Schon im Vorfeld der Sitzung hatte sich die UB-Fraktion für eine Bestrafung von illegalen Mitschnitten der Sitzungen stark gemacht. Ihr Fraktionsvorsitzender Silvio Horn begründete den Antrag dann gestern Abend wiederum damit, dass durch die Veröffentlichung von Stadtvertretersitzungen auf dem Videoportal „Youtube“ die Persönlichkeitsrechte der Stadtvertreter verletzt werden. Daher soll ein entsprechender Passus in die Hauptsatzung der Stadt aufgenommen werden, der darauf hinweist, dass die Verwendung und Verbreitung von Ton- oder Videomaterial aus den Sitzungen der Schweriner Stadtvertretung untersagt ist. Bei Zuwiderhandlung ist nun nach entsprechendem Beschluss der Stadtvertreter die Stadtverwaltung verpflichtet, dem Verbreiter oder Verwender eine entsprechende Unterlassungserklärung zukommen zu lassen, die er unterschreiben muss. Bei eine Wiederholung droht ihm dann ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.

Mit der beschlossenen Regelung wurde eine entsprechende Empfehlung des Landesdatenschutzbeauftragten umgesetzt, an den sich die Stadt gewendet hatte, da seit Januar diesen Jahres schon mehrmals Mitschnitte der Sitzungen im Internet aufgetaucht waren. Widerspruch zu dem jetzt beschlossenen Vorgehen gab es gestern vor allem aus den Reihen der Fraktion der Linken und dem für die ASK in der Stadtvertretung sitzenden Einzelvertreter Karsten Jagau.

 

Auch keinen legalen Mitschnitt durch die Stadtverwaltung

 

Jagau hatte für die Sitzung ebenfalls einen Antrag gestellt, in dem er beantragte, dass zukünftig die Stadtverwaltung auf ihrer Internetseite einen Mitschnitt der Sitzungen anbietet. Für Jagau wäre das die beste Möglichkeit, möglichen Manipulationen durch illegale Mitschnitte zu begegnen. In einem entsprechenden Ergänzungsantrag hatte die Fraktion der Linken angeregt, dass der Oberbürgermeister prüfen solle, „inwieweit die Möglichkeit besteht, die jeweiligen Positionen im Livestream auf Youtube ebenfalls über Links im RIS/BIS mit den jeweiligen Tagesordnungspunkten zu verbinden und somit ein transparentes und einfaches Auffinden der jeweiligen Diskussion zum TOP zu ermöglichen.“ Die Mehrheit in der Schweriner Stadtvertretungen entschied sich aber gegen den von Jagau und der Linksfraktion vorgeschlagenen Weg.

 

Die jetzige Regelung des Livestreams war ein Kompromiss

 

Die Diskussion am gestrigen Abend hat zwei Ebenen: Die eine Ebene ist die rechtliche. Wer im Nachgang zu Stadtvertretersitzungen Mitschnitte veröffentlicht, der verstößt gegen die Hauptsatzung der Stadtvertretung. Die Persönlichkeitsrechte der Stadtvertreter werden hier verletzt, da diese nicht als  „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ gelten und daher ohne ihr Einverständnis eine Veröffentlichung über den Livestream hinaus, nicht statthaft ist. Schon heute muss auch der Livestream von den Sitzungen unterbrochen werden, wenn ein Stadtvertreter bei einem seiner Redebeiträge nicht übertragen werden möchte.

Die Befürworter – auch eines legalen Mitschnittsverbots –  befürchten, dass es zukünftig schwierig werden könnte Menschen zu finden, die für die Stadtvertretung kandidieren, wenn sie jederzeit abrufbar und zitierfähig ins Internet gestellt werden. Genau aus diesem Grund hat sich die Stadtvertretung damals für die jetzige Regelung der Liveübertragung entschieden. Es war ein Kompromiss, der schwer genug herzustellen gewesen war.

 

Aufeinandertreffen der alten und der neuen Welt

 

Die andere Ebene ist die politische: Stadtvertreter werden von den Schwerinerinnen und Schwerinern als ihre Interessensvertreter gewählt. Sie entscheiden in vielen Dingen auch nicht über eine Parkbank oder ein Blumenbeet, das irgendwo in der Stadt gepflanzt werden soll. Viele Entscheidungen berühren jeden einzelnen Bürger in der Landeshauptstadt nicht selten direkt. Ist es daher nicht vielleicht doch legitim, wenn Bürgerinnen und Bürger auch später im Nachgang noch einmal nachvollziehen möchten, wie sich der eine oder andere Stadtvertreter in der einen oder anderen Sache in der Sitzung geäußert hat? Viele Probleme bei Entscheidungen, entstehen ja auch erst im Nachgang. Dann ist es ja auch rein menschlich nachvollziehbar, dass die Fraktionen versuchen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Der Transparenz von Entscheidungsprozessen würde eine Mediathek, in der die Stadtvertretersitzungen auch im Nachgang abgerufen werden können, sicherlich gut tun.

Da treffen sie also aufeinander, die alte und die neue Welt. Längst sind im Netz alle möglichen Informationen über die einzelnen Stadtvertreter zu finden – bis hin zur Adresse und Telefonnummer. Via Twitter, Facebook und später Pressemitteilungen verbreiten sie ihre Ansichten ins Netz – manchmal sogar live aus der Sitzung. Eine Mediathek, die Argumente, Positionen und Argumente auch im Nachgang noch einmal abrufbar macht, soll es aber nicht geben.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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