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Kameras am Marienplatz: Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit

Schwerin, 31.01. 2017 (red/sr). Gestern beschloss die Schweriner Stadtvertretung mehrheitlich die Videoüberwachung des Marienplatz. Dabei wurde aber auch deutlich wie schmal der Grat zwischen Sicherheit und Freiheit ist. Die Mehrheit

  • Veröffentlicht Januar 31, 2017

Schwerin, 31.01. 2017 (red/sr). Gestern beschloss die Schweriner Stadtvertretung mehrheitlich die Videoüberwachung des Marienplatz. Dabei wurde aber auch deutlich wie schmal der Grat zwischen Sicherheit und Freiheit ist. Die Mehrheit war aber der Auffassung, dass eine Videoüberwachung sinnvoll ist. Ist sie es wirklich?

Von STEFAN ROCHOW

 

Marienplatz.
Der Marienplatz soll in einer Testphase videoüberwacht werden. Das beschloss gestern die Schweriner Stadtvertretung

 

Seit gestern Abend ist klar: Der Marienplatz in Schwerin wird in Zukunft videoüberwacht sein, wenn auch erst einmal nur in einer Probephase von sechs Monaten. Ursprünglich hatte sich die CDU-Fraktion für die generelle Kameraüberwachung auf dem Marienplatz ausgesprochen. Im Abstimmungsprozess wurde dann aber deutlich, dass diese Maximalforderung keine Mehrheiten finden würden. Die SPD-Fraktion reichte daher einen Ersetzungsantrag  ein, der nun erst einmal eine Testphase vorsieht. Darüber hinaus sollen die Kosten von voraussichtlich etwa 40.000 Euro überwiegend durch das Land finanziert werden. Über die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen gingen die Meinungen in der gestrigen Stadtvertretersitzung weit auseinander. Tatsächlich muss man immer wieder die Frage stellen, wie viel Aufgabe von Freiheit ist uns unsere Sicherheit wert?

 


Unbestritten ist, dass sich der Marienplatz in den letzten Monaten zu einem Kriminalitätsschwerpunkt entwickelt hat. Seit dem  letzten Sommer gibt es dort immer wieder Gewaltausbrüche: Unter rivalisierenden Flüchtlingsgruppe oder zwischen Flüchtlingen und Rechtsextremisten, die im letzten September Jagd auf ausländische Menschen machten. Vor wenigen Tagen gerieten nachts dann auch Einheimische in Streit und mussten von der Polizei auseinander gebracht werden. Alles in allem keine Situation, die man ignorieren kann. Für die Stadtpolitik ist das eine schwierige Situation, die Fingerspitzengefühl erfordert. Mit der immer wieder geforderten „harten Hand“ wird man die Situation nicht alleine in den Griff bekommen.  Zur Freiheit der Gesellschaft gehört der Grundsatz der Freiheit für alle im öffentlichen Raum. Zum Grundsatz des Rechtsstaats gehört, dort die Sicherheit zu gewährleisten. Das ist genau das Spannungsfeld, in dem man sich mit einer Videoüberwachung bewegt.

 

Meinungen gingen auseinander

 

CDU-Fraktionsvorsitzender Sebastian Ehlers
CDU-Fraktionsvorsitzender Sebastian Ehlers

CDU-Fraktionsvorsitzender, Sebastian Ehlers machte es dann auch seiner Einbringungsrede deutlich, dass man Kameraüberwachung auf dem Marienplatz nicht als ein Allheilmittel betrachten darf. Allerdings hatte man in seinen Ausführungen den Eindruck, dass es seiner Fraktion an dieser Stelle darum geht, die Menschen in der Stadt zu beruhigen und politische Handlungsfähigkeit zu suggerieren.

 

Wichtiger wäre es allerdings gewesen, an dieser Stelle sorgfältig zu differenzieren und genau zu definieren, was man möchte. Videoüberwachung, um den Anschein von Sicherheit zu erwecken, geht über das Ziel hinaus. Das kann kein Grund sein, den Bürger im öffentlichen Raum polizeilich zu filmen. Die Videoüberwachung hilft auch nur wenig präventiv, aber mitunter sehr bei der Strafverfolgung. Allerdings darf man sich an dieser Stelle keiner Illusionen hingeben: Videoaufnahmen liefern nicht in jedem Fall beweis- und gerichtsfeste Fakten.

 

Fraktionsvorsitzender der LINKEN, Henning Foerster.
Fraktionsvorsitzender der LINKEN, Henning Foerster.

Henning Foerster, der Fraktionsvorsitzende der Linken, verwies dann auch in seiner Gegenrede darauf, dass die Gefahr bestünde, dass sich Kriminalität in anderen Bereiche der Innenstadt verlagern würde. Er plädierte daher für eine weitere verstärkte Polizeipräsenz auf dem Marienplatz und gegen eine Kameraüberwachung.

 

Foerster verwies auf eine Studie der TU Berlin, die belegt, dass Kameras die  Anzahl von Straftaten nicht verringern. Die Universität hatte die Situation in öffentlichen Verkehrsmitteln untersucht. Trotz steigender Kamerazahlen steigt auch die Kriminalität in den Zügen, es wächst aber auch die Aufklärungsquote. Bei 511 von 1500 Festnahmen im Jahr 2014 hat die Videoaufzeichnung zum Täter geführt. Der Mord an einer 18-jährigen Berlinerin wurde nur aufgeklärt, weil der Täter sein Opfer auf U-Bahn-Terrain verfolgt hatte und dabei aufgenommen wurde.

 

Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender der UB-Fraktion
Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender der UB-Fraktion

UB-Fraktionsvorsitzender, Silvio Horn machte deutlich, dass es sicherlich einen anderen Grundtenor in der Stadtvertretung gegeben hätte, wenn die Überwachungsdebatte wenige Jahre früher geführt worden wäre. Er stellte den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund. Für seine Fraktion sei jede Maßnahme unterstützungswürdig, die zu mehr Ordnung und Sicherheit führt.

 

 

Christian Masch, der Fraktionsvorsitzende der SPD machte deutlich, dass seine Fraktion sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe, da die

SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Masch
SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Masch

Meinungen in seiner Partei doch sehr auseinandergingen.  Während ältere Parteimitglieder sich eher für eine Videoüberwachung aussprechen würden, wäre diese Maßnahmen bei den jüngeren Mitglieder eher umstritten. Mit den von seiner Fraktion eingebrachten Änderungen, glaubt  er beiden Seiten gerecht worden zu sein. Ob diese Maßnahme zu einer Reduzierung von Straftaten führen wird, sei in Expertenkreisen umstritten. Gleichwohl sei durch die Videoüberwachung eine schnellere und gerichtsfeste Aufklärung von Straftaten durch die Polizei zu erwarten.

 

Hagen Brauer
AfD-Fraktionsvorsitzender, Dr. Hagen Brauer

Überraschenderweise sprach sich die Mehrheit der AfD-Fraktion – im Gegensatz zu Verlautbarungen der Partei an anderen Orten –  gegen die Videoüberwachung auf dem Marienplatz aus. Fraktionsvorsitzender Hagen Brauer forderte vielmehr die Wiedereinrichtung einer Polizeistation auf dem Marienplatz. Videoüberwachung könne keine Straftaten verhindern. Dafür benötige es dann am Ende Polizeibeamte.

 

Regina Dorfmann freut sich über die Neuausrichtung des Altstadtfestes
Regina Dorfmann

Regina Dorfmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach sich im Namen ihrer Fraktion ebenfalls gegen eine Videoüberwachung auf dem Marienplatz aus. Sie sieht vor allem die Bürgerrechte durch die Überwachung bedroht.  Sozialarbeit und das Reden mit den geflüchteten Menschen, um Beweggründe zu verstehen, hält sie für zielführender als die Überwachung durch Kameras.

 

Ralph Martini von der ASK jubelt nicht nur über die Ansiedlung von Nestlé
Ralph Martini von der ASK

Einzelstadtvertreter Ralph Martini (ASK) lehnte die Kamerainstallation ebenfalls ab. Er warf den Antragstellern vor, mit den Plänen lediglich die Imagepflege in den Blick genommen zu haben. Diese Pläne schreckten kaum jemanden ab, wie die Marienplatz-Galerie zeigt, die ja videoüberwacht werde. Wer tatsächlich „dealen“ oder „ausrasten“ möchte oder etwas ganz anderes vorhat, macht es eben zehn Meter weiter entfernt. Martini betonte, dass täglich auch außerhalb des Marienplatzes Straftaten passieren würden. Die Stadt brauche daher eine Gesamtstrategie für den Umgang mit Kriminalität.

 

FDP-Stadtvertreter Steve
FDP-Stadtvertreter Steve

Auch Einzelstadtvertreter Stev Ötinger (FDP) sprach sich gegen Kameras auf dem Marienplatz aus. Er sieht mit dieser Maßnahme keine Probleme gelöst und betonte, wie wichtig es sei, dass man aus Sicherheitserwägungen nicht Freiheitsrechte aufgeben dürfe. Mit einem Zitat von Benjamin Franklin, wies er darauf hin, dass „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

 

Testphase kostet voraussichtlich 40.000 Euro

 

In einer namentlichen Abstimmung sprachen sich dann 24 Stadtvertreter für einen Testlauf der Videoüberwachung auf dem Marienplatz und 17 Stadtvertreter dagegen aus. Auch Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) sprach sich für die Überwachung aus.

 

Für den Testzeitraum soll eine Überwachungsanlage gemietet werden. Auf die Landeshauptstadt würden Kosten von etwas 40.000 Euro zukommen. Hier hofft man, dass das Innenministerium finanzielle Hilfe geben wird. Überwacht und ausgewertet sollen die Bilder dann Beamte aus dem Polizeihauptrevier Schwerin werden.

 

Überwachung und Repression sind  allerdings nur ein Teil von Maßnahmen, um den öffentlichen Raum zu schützen. Dazu gehört auch Prävention und Aufklärung, also Sozialarbeit und Integrationsmaßnahmen. Wie heißt es so schön? Die Maßnahmen sollten „ganzheitlich“ sein.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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