Nach Ablehnung eines Beirates für Migration:
Netzwerk Migration sieht „Weltoffenheit der Landeshauptstadt in Gefahr“
Die Schweriner Stadtvertretung lehnt einen Migrationsbeirat ab – trotz 11.000 Migranten. Das Netzwerk Migration kritisiert die Entscheidung als Rückschritt.
Rund 11.000 Menschen mit Migrationshintergrund leben derzeit in Schwerin. Gerne hätten diese in der Stadt mehr Mitspracherecht erhalten. Die Stadtverwaltung hatte deshalb die Einrichtung eines Beirates für Migration vorgeschlagen. Dieser hätte die Möglichkeit gehabt, die Stadtverwaltung durch Anregungen, Empfehlungen und Stellungnahmen in den Fragen zu beraten, welche die Gestaltung des Zusammenlebens und die Integration der in Schwerin lebenden Ausländerinnen und Ausländer, Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten betreffen.
Auf der letzten Stadtvertretersitzung wurde die Einrichtung eines solchen Beirates von der Mehrheit der Stadtvertreter abgelehnt. Für das Netzwerk Migration in der Stadt eine Entscheidung, die man nicht nachvollziehen kann.
„Mit Bestürzung haben wir als Schweriner Netzwerk Migration die Entscheidung der Stadtvertretung zur Kenntnis genommen,“ erklärt das Netzwerk in einer offiziellen Stellungnahme. Das Bündnis aus Vereinen, Organisationen und engagierten Einzelpersonen setzt sich seit Jahren für die Teilhabe von Migrantinnen und Migranten in Schwerin ein.
Langjährige Bemühungen verpuffen
Das Netzwerk Migration war maßgeblich daran beteiligt, eine Satzung für den geplanten Beirat auszuarbeiten. Dieser sollte als Sprachrohr zwischen der Community und der Stadtpolitik fungieren. Ziel war es, Migrantinnen und Migranten eine Stimme zu geben und den Austausch mit der Stadtverwaltung zu fördern. Doch trotz dieser Bemühungen entschied sich die Stadtvertretung mehrheitlich gegen die Gründung.
„Die ganze Arbeit, die seit Jahren gemacht wird, wird konterkariert,“ kritisiert Almut Lüpkes vom Netzwerk Migration die Entscheidung gegenüber dem NDR. „Alle Organisationen versuchen, für Geflüchtete und Migranten etwas zu tun, damit sie in der Stadt sichtbar werden.“
AfD und CDU hatten Bedenken
Offiziell können Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern laut Integrations- und Teilhabegesetz Mecklenburg-Vorpommerns verpflichtet werden, einen solchen Beirat einzurichten. „Dass der Stadtvertretung grundsätzlich der Blickwinkel von Diversität wichtig ist, zeigt sich in der Einrichtung der Beiräte für Menschen mit Behinderung, Senioren sowie Kinder und Jugendliche,“ betont das Netzwerk. „Daran sollten wir anknüpfen.“
Doch in der Schweriner Stadtvertretung überwogen die Gegenargumente. So führte die AfD an, dass auch Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft oder abgelehnte Asylbewerber im Beirat hätten mitwirken können – ein Punkt, der im Entwurf der Satzung jedoch nicht explizit vorgesehen war. Die CDU forderte, die Teilnahme auf Menschen mit gültiger Aufenthaltserlaubnis zu beschränken.
In Rostock langgelebte Praxis
Während Schwerin sich gegen einen Migrationsbeirat entschieden hat, haben Städte wie Rostock und Greifswald längst solche Gremien etabliert. In Rostock besteht der Migrantenrat bereits seit 1992, gegründet nach den rassistischen Ausschreitungen in Lichtenhagen. „Es geht vor allem um die Vertretung der Interessen der Communitys, das können Parteien nicht leisten,“ erklärt Ruben Cardenas Carbajal, Geschäftsführer des Rostocker Migrantenrats im NDR.
Das Netzwerk Migration sieht darin ein Vorbild: „Für die Belange, die das Leben von über 11.000 Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Schwerin beeinflussen, ist ein Beirat unerlässlich.“ Zudem sei Schwerin mittlerweile die einzige Landeshauptstadt Deutschlands ohne ein solches Gremium.
Entscheidung rechtlich zulässig
„Wir sind sehr besorgt, dass aufgrund dieser aktuellen Entwicklung das Image von Schwerin als Welterbe und weltoffene Landeshauptstadt Schaden nimmt,“ heißt es weiter in der Stellungnahme des Netzwerks. Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) erklärte, dass er die Entscheidung der Stadtvertretung rechtlich nicht blockieren könne, auch wenn er sie inhaltlich kritisiere. Einen Widerspruch hätte er nur einlegen können, wenn der Beschluss rechtswidrig wäre. Das ist er aber nicht.
In der Stadtverwaltung macht man sich nun Gedanken wie man nach dem Beschluss der Stadtvertretung weitermaxchen kann. Für Sozialdezernentin Martina Trauth (Linke) steht fest, dass sie weiterhin vertrauensvoll mit dem Netzwerk Migration zusammenarbeit wird. Auch über einen „Runden Tisch für Migranten“ wird im Moment nachgedacht.