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Alarmstimmung an der Volkshochschule in Schwerin

Eine Anfrage von Stadtvertreter Peter Brill (DIE LINKE) - ober vielleicht richtiger die Antwort des Oberbürgermeisters auf diese - birgt deutlichen Sprengstoff. Ein diffiziles Thema auf den Punkt gebracht: Zahlt

  • Veröffentlicht April 30, 2022
Dro­ht ein Ende für die Schu­la­b­schlüsse an der Volk­shochschule in Schw­erin? | Foto: pri­vat

„Ab dem Schul­jahr 2022/23 ist die bedarf­s­gerechte Absicherung der gem. § 32 SchulG MV durchge­führten Kurse und Prü­fun­gen zum Nach­holen der Schu­la­b­schlüsse Beruf­s­reife und Mit­tlere Reife an der VHS Schw­erin gefährdet.” Ein klein­er, sehr for­mal klin­gen­der Satz in der Antwort der Stadtver­wal­tung Schw­erin auf eine Anfrage des Stadtvertreter Peter Brill (DIE LINKE) birgt vor allem bil­dungspoli­tis­chen Sprengstoff. Denn er sagt nicht weniger aus, als dass ein ele­mentar­er Zweig des Bil­dungswe­sens in der Lan­deshaupt­stadt gefährdet ist.

Jährlich sind es um 100 Per­so­n­en, die in Schw­erin die Möglichkeit nutzen, durch Unter­richte an der Volk­shochschule die Beruf­s­reife oder auch die Mit­tlere Reife nachzu­holen, und so zu einem Beruf­s­ab­schluss zu kom­men. Aus den ver­schieden­sten Grün­den war ihnen dies im Vor­feld oft­mals nicht geglückt. Das Ange­bot der Volk­shochschule nicht zulet­zt auch bessere beru­fliche Per­spek­tiv­en eröff­nen.

 

Im schlimmsten Fall nicht einmal eine Klasse möglich

Eben dieser wichtige zusät­zliche Weg ist nun offen­bar mas­siv gefährdet. Denn weit­er heißt es in der Antwort der Ver­wal­tung: „Durch den sich stark zus­pitzen­den Lehrkräfte­man­gel kön­nte es ohne das Ergreifen weit­er­er Maß­nah­men der Volk­shochschule schlimm­sten­falls nicht gelin­gen, im Schul­jahr 2022/23 auch nur eine der seit vie­len Jahren üblichen vier Klassen für den Schu­la­b­schluss der Mit­tleren Reife sowie zwei Klassen der Beruf­s­reife gemäß der geset­zlichen Vor­gaben zu eröff­nen.”

 

Ohne Gegensteuern droht massiver Rückgang der Lehrkräfte

Was aber ist los, dass „plöt­zlich” diese Alarm­stim­mung herrscht? Ein Blick auf die Anzahl der die einzel­nen Kurse im Bere­ich „Schu­la­b­schlüsse” lei­t­en­den Per­so­n­en – der Lehrkräfte also – lässt erah­nen, woher die Panik kommt. Waren in den Schul­jahren 2019/20 sowie 2020/21 noch jew­eils 25 Lehrende im Ein­satz, so sind es aktuell schon nur noch 23. Das ist zwar nicht opti­mal, aber der Lehrbe­trieb ist abgesichert. Ein Blick nach vorn, auf das kom­mende Schul­jahr 2022/23 aber macht die Dra­matik der Sit­u­a­tion deut­lich. Denn für diesen Zeitraum weist die Ver­wal­tung nur noch zwis­chen 9 und 18 Lehrkräften aus. Also min­destens fünf weniger als jet­zt – was schon drama­tisch genug wäre. Im schlimm­sten Fall ver­lassen sog­ar 14 Lehrende die VHS. In bei­den Fällen ist das derzeit­ige Ange­bot nicht mehr vol­lum­fänglich möglich, beziehungsweise muss kom­plett gestrichen wer­den.

Dr. Rico Baden­schi­er, Ober­bürg­er­meis­ter Schw­erin. | Foto: Timm-All­rich

Schwerin zahlt mit Abstand niedrigstes Honorar im Land

„Hier muss drin­gend umges­teuert und der Alarm­knopf aus­geschal­tet wer­den. Let­z­tendlich geht es auch um die Umset­zung des Rechts auf Bil­dung und lebenslanges Ler­nen“, so Peter Brill. Die Hin­ter­gründe für diese Entwick­lung allerd­ings sind nicht uner­wartet einge­treten. Sie kön­nen wed­er auf Coro­na noch auf den Ukraine-Krieg geschoben wer­den. Sie waren schon länger vorherse­hbar. Denn bis­lang „wurde der Lehrbe­trieb im zweit­en Bil­dungsweg über­wiegend von Lehrkräften im Rentenal­ter getra­gen”, so die Ver­wal­tung. „Einige dieser Lehrkräfte been­den ihre Tätigkeit aus Alters­grün­den.” Das dürfte nicht über­raschend kom­men. Hinzu kommt ein eben­so auf der Hand liegen­des Prob­lem: Die Bezahlung. Denn während ander­norts in Meck­len­burg-Vor­pom­mern über­wiegend zwis­chen 30 und 35 Euro je Unter­richtsstunde gezahlt wer­den, sind es in Schw­erin, gemäß Hon­o­rarord­nung der Volk­shochschule vom 03.12.2018, magere 20 Euro. Fes­tangestellte Lehrkräfte gibt es für diesen Bere­ich nicht.

„Unter der Voraus­set­zung ein­er zu prüfend­en Hon­o­rar­erhöhung erk­lären sich derzeit ca. 18 Kurslei­t­ende (KL) bere­it, auch im kom­menden Schul­jahr zur Ver­fü­gung zu ste­hen. Andern­falls ste­hen nur 9 KL zur Ver­fü­gung.”
(Dr. Rico Baden­schi­er, Ober­bürg­er­meis­ter)

 

 

Ändere sich an dieser Sit­u­a­tion nicht grundle­gend etwas, dro­he der mas­sive Rück­gang an Lehrkräften auf, nach aktueller Lage, nur noch neun Per­so­n­en. Dann gehen die Lichter in Sachen Schu­la­b­schlüsse an der Volk­shochschule Schw­erin aus. Denn vor dem Hin­ter­grund eines ohne­hin beste­hen­den Lehrkräfte­man­gels ist eine „angemesse­nen und wertschätzen­den Ent­loh­nung der Lehrkräfte”, wie es Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er in der Antwort auf Peter Brills Anfrage for­muliert, ein ele­mentar­er Baustein zur Ange­botssicherung. Vor dem Hin­ter­grund, dass Baden­schi­er aber auch seit mehreren Jahren Finanzdez­er­nent ist, und damit eine zen­trale Ver­ant­wor­tung für den kom­mu­nalen Haushalt trägt, muss die Frage erlaubt sein, ob er nicht schon viel früher diese Sit­u­a­tion hätte the­ma­tisieren kön­nen.

Peter Brill, Frak­tion DIE LINKE, Schw­erin

Schwerin leitet ohne Aufschlag Landeszuschuss weiter

Denn let­z­tendlich wird es städtis­ches Geld sein, dass man in die Hand wird nehmen müssen, um die Hon­o­rare auf ein angemessenes und ver­gle­ich­bares Niveau zu brin­gen. Etwas boshaft for­muliert, würde sich die Stadt Schw­erin dann über­haupt erst an ein­er Wertschätzung, die Baden­schi­er sich wün­scht, beteili­gen. Denn aktuell entsprechen die gezahlten 20 Euro Hon­o­rar exakt dem Betrag, den das Land als Förder­be­trag über­weist. Anders als über­all son­st im Land fließt von Seit­en der Stadt, so zumin­d­est liest sich die Antwort der Ver­wal­tung, kein Cent in diese Hon­o­rare. Es wäre also dur­chaus an der Zeit, dass auch von dieser Seite etwas Wertschätzung kommt.

„Wenn ich für mich entschei­den müsste, fiele mir die Entschei­dung leicht. Ich würde an ein­er Volk­shochschule im Umland tätig wer­den. Beim Geld hört eben auch die Fre­und­schaft zur Heimat­stadt auf.“ 
(Peter Brill, DIE LINKE, Stadtvertreter)

 

Wäre eine Anstellung durch das Land der richtige Weg?

Nun lässt sich vortr­e­f­flich darüber stre­it­en, ob es nicht richtig wäre, dass auch die Lehrkräfte, die für den zweit­en Bil­dungsweg hin zu Beruf­s­reife und Mit­tlerer Reife benötigt wer­den, fes­tangestellte oder zumin­d­est aus­re­ichend durch das Land finanzierte Lehrende sein soll­ten. Wie es auch an Abendgym­nasien, an denen man das Abitur nach­holen kann, der Fall ist. Bei der akuten Suche nach kurzfristig wirk­samen Lösun­gen der drama­tis­chen Sit­u­a­tion an der Volk­shochschule aber dürfte das nicht helfen. Mit ein­er besseren Bezahlung, die im Opti­mum ober­halb der Hon­o­rare der an Schw­erin gren­zen­den Land­kreise liegen sollte, ließen sich offen­bar zumin­d­est 18 Lehrkräfte hal­ten. Und eventuell entschei­den sich dann auch weit­ere für ein zusät­zlich­es Engage­ment in diesem Bere­ich.

 

Verwaltung prüft Maßnahmen im Zusammenhang mit kommendem Haushaltsentwurf

Diesen Ansatz scheint nun auch die Ver­wal­tung zu ver­fol­gen. „Im Rah­men der Haushalts­ber­atun­gen für den Dop­pel­haushalt 2023/24 wer­den ger­ade Maß­nah­men geprüft, auch zukün­ftig eine bedarf­s­gerechte Absicherung zu gewährleit­en”, heißt es von dort in der Beant­wor­tung der Anfrage von Peter Brill. Schon in Kürze wird sich die Frak­tion DIE LINKE nun mit der Leitung der Volk­shochschule tre­f­fen, um über die aktuelle Sit­u­a­tion und mögliche Maß­nah­men zu berat­en.

 

 

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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