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Apotheker verärgert: Keine zwei digitalen Impfausweise in einer Stunde

Seit Montag ist es endlich soweit: In Deutschland gibt es den digitalen Impfpass. Der zentrale Weg, ihn zu bekommen, führt die Menschen nun deutschlandweit in die Apotheken. Nicht alle von

  • Veröffentlicht Juni 16, 2021
Dr. Martin Mandelkow („Apotheke am Marienplatz“) bei der Eingabe der Daten für den digitalen Impfpass | Foto: schwerin-lokal

Seit Montag ist es endlich soweit: In Deutschland gibt es den digitalen Impfpass. Der zentrale Weg, ihn zu bekommen, führt die Menschen nun deutschlandweit in die Apotheken. Nicht alle von ihnen allerdings waren sofort startklar. Auch in Schwerin war zumindest am ersten Tag (Montag) noch von Apotheken zu hören, die noch keine digitalen Impfausweise ausstellten. Anders bei Henning Sellmann. Die von ihm betriebenen Apotheken in der Helenenstraße und am Marienplatz – zwischen Schlossparkcenter und H&M – waren ab Öffnung bereit.

 

Seit Montag in Apotheken am Marienplatz und in der Helenenstraße

Für Sellmann eine Selbstverständlichkeit, sind er und sein Team auch sonst in Sachen Kundenservice vorn dabei. So gehörten sie zu den ersten in Schwerin, die beispielsweise per App die Online-Bestellung von Medikamenten wie auch zahlreichen Pflege- und Wohlfühlprodukten möglich machten. Vor allem aber wissen Sellmann und sein Team aus den vielen Kundengesprächen der vergangenen Tage und Wochen, wie viele der Kunden dem digitalen Impfausweis entgegenfiebern. „Da war es für uns selbstverständlich, von Anfang an dabei zu sein“, so Sellmann. Auch wenn er keinen Hehl daraus macht, dass er nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monate durchaus skeptisch war, ob wirklich alles reibungslos laufen würde. „An den Apotheken hat es dabei in den seltensten Fällen gelegen, wenn es nicht so klappte, wie es sollte. Mag auch der beste Wille dahinter gestanden haben – es wurde von der Politik viel angekündigte, nur haperte es dann bei der Umsetzung“.

Und schon am Montag schien sich die Befürchtung auch zu bestätigen. Denn wie aus zahlreichen Apotheken, nicht nur in Schwerin, zu hören war, war bereits das Starten der entsprechenden Website vielerorts nicht oder nur erschwert möglich. „Oftmals kam schon beim Aufruf des Portals eine Fehlermeldung. Wir haben allerdings festgestellt, dass nach ein paar Sekunden die Seite oft doch noch aufging und wir starten und insgesamt schon knapp über 60 digitale Ausweise ausstellen konnten“, weiß Dr. Michael Mandelkow zu berichten. Er ist auch heute für uns da, um zwei Impfausweise vom Papier in die digitale Version zu bringen.

 

Eigentlich ein einfaches Verfahren

Thomas Jezerkowski kam mit seinem Impfausweis | Foto: schwerin-lokal

„An sich ist das ein ganz einfacher Prozess. Die Kunden bringen ihren Impfausweis und Personalausweis mit. Wir haben im Apothekenportal eine Maske, in die wir die Daten eingeben. Für jede Impfung einzeln. Die Software generiert dann jeweils einen QR-Code, den wir unseren Kundinnen und Kunden ausgeben. Diesen können sie mit der Corona-Warn-App oder der CovPass-App scannen. Dort wird der aktuelle Impfstatus dann angezeigt. Mehr ist es eigentlich gar nicht“. Hört man Dr. Mandelkow genau zu, fallen einem allerdings die Worte „an sich“ und „eigentlich“ auf. Nach den Erfahrungen vom Montag durchaus verständlich. Und schnell wurde auch gestern früh klar, dass diese Einschränkungen nicht an Aktualität verloren hatten. Denn schon beim ersten Ausweis zeigte sich das Problem. Dr. Mandelkow hatte die Daten eingegeben und wollte den Code generieren. Da kam eine Fehlermeldung. Die Generierung war nicht möglich.

 

Aber: Zentrale Server offenbar nicht ausreichend 

Also ein neuer Versuch. Insgesamt 15 Anläufe brauchte er, bis für die erste Impfung des ersten Ausweises ein QR-Code generiert war. Das Problem lag aber nicht auf Seiten der Technik der „Apotheke am Marienplatz“. Da stimmte alles. Das Problem lag und liegt dort, wo alle Anfragen aus ganz Deutschland zusammenlaufen. „Keine Frage. Die Serverkapazitäten auf der anderen Seite reichen offenbar nicht aus“. Resümiert Dr. Michael Mandelkow, während er die Daten der zweiten Impfung in die Software eingibt. Wieder braucht es mehrere Anläufe.  Insgesamt 25 Minuten dauert es, dann hat Thomas Jezerkowski seinen digitalen Impfausweis. Der weiß gar nicht, ob er sich freuen oder vor Entsetzen laut schreien soll. „25 Minuten für einen Impfausweis? Und das nur, weil man irgendwo zentral nicht ausreichend Serverkapazitäten bereitgestellt hat! Das kann doch nicht wahr sein“.

 

Erster Ausweis brauchte 25 Minuten – Zweiter kam nicht zum Ende

QR-Code scannen, und schon sind alle Daten in der App | Foto: schwerin-lokal

Er ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es noch heftiger kommen sollte. Denn der zweite Ausweis schaffte es gar nicht. Nach 40 Minuten war noch nicht einmal für die erste Impfung ein Code generiert. „In einem Land wie Deutschland kann und darf es so etwas nicht geben“, so Apotheker Henning Sellmann. „Wir wollen bei den ganz Großen in der digitalisierten Welt mitspielen, und haben schon bei so ‚kleinen‘ Themen derartige Probleme. Es kann doch nicht so schwer sein, im Vorfeld die Serverkapazität zu berechnen und bereitzustellen, die erforderlich ist, wenn etwa 19.000 Apotheken mehr oder weniger zeitgleich Zugriff benötigen“. Allerdings sieht Sellmann das Problem schon zeitlich viel früher. „Jetzt müssen Ärzte und Apotheken Feuerwehr spielen. Man hätte doch diese ganze Thematik schon vom ersten Tag an erkennen und lösen können. Wieso gab es nicht schon ab der ersten Impfung im vergangenen Jahr die Digitalisierungs-Funktion in der zentralen Corona-App? Dann stünden jetzt nicht Millionen Deutsche vor dem Problem“.

 

Problem kann beim Apothekerverband oder beim RKI gelegen haben

Wo genau das Problem zu suchen war oder ist, konnte Christian Splett, stellvertretender Pressesprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. gestern Vormittag auf Anfrage unserer Redaktion nicht beantworten. „Wir haben am Montag durchaus von Problemen gehört, heute [Dienstag] aber hatte ich bislang noch keine solche Information“. Er verweist allerdings darauf, dass es letztlich drei Stationen sind, die es braucht, bis der generierte Code da ist. „Da ist zuerst die Apotheke, die eine stabile Internetleitung mit möglichst großer Bandbreite benötigt. Dann ist es unser Apothekenportal auf unseren Servern, in dem die Apotheker entsprechend gesichert die Daten der Kunden eingeben. Und dann sind da noch die Server des RKI. Denn wir leiten die Daten – erneut umfangreich gesichert – an das RKI weiter, da dort der Code generiert wird. Wo genau es da hakt, kann ich momentan nicht sagen“.

 

Inhaber der Apotheken reagiert kundenorientiert 

Dass es hakt, war unübersehbar. Daher reagierte Henning Sellmann auch sofort. Bis alles stabil läuft bietet er seinen Kundinnen und Kunden an, dass sie mit ihrem Impf- und Personalausweis in die Apotheke am Marienplatz oder in der Helenenstraße kommen können. „Wir nehmen die Daten dann auf – beispielsweise als Kopie – und geben eine Abholnummer aus. Über die kann man dann die generierten Codes abholen“. Eine schnelle und kundenorientierte Entscheidung. Allerdings ist zu befürchten, dass man Henning Sellmann und seinem Team dann durchaus einen oder zwei Tage Zeit geben sollte.

 

Am besten noch etwas warten!

„Am besten ist es, derzeit gehen nur diejenigen los, die den digitalen Impfausweis tatsächlich kurzfristig dringend benötigen“, so Christian Splett. „Es ist unmöglich binnen weniger Tage für Millionen an Menschen diese digitalen Unterlagen zu erstellen. Das braucht Zeit. Der gelbe Impfausweis gilt ja auch weiter, so dass niemandem ein Nachteil entsteht.“

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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