Di, 13. Mai 2025
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„Goldener Ochse” verliehen:
Barbara Sukowa im Gespräch: „Diese Auszeichnung tut gut“

Schauspielerin Barbara Sukowa erhält den Ehrenpreis des Filmkunstfests MV – und bleibt dabei bescheiden, neugierig und optimistisch wie eh und je.

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  • Veröffentlicht Mai 10, 2025

Barbara Sukowa
Schaus­pielerin Bar­bara Sukowa erhält den Ehren­preis des Filmkun­st­fests MV. Foto: Jan­nine Pleger

Bar­bara Sukowa ist die diesjährige Ehren­preisträgerin des „Gold­e­nen Ochsen“ beim 34. Filmkun­st­fest MV. Heute mor­gen beim Filmemacher­früh­stück im Ruder­haus genoss sie den Blick aufs Schw­er­iner Schloss und stand Rede und Antwort im Pressege­spräch. Auf die Preisver­lei­hung selb­st ist sie ges­pan­nt. Sie hat wed­er einen Blick auf den Preis erhascht, noch weiß sie, wer die Lau­da­tio hält – und möchte die Span­nung auch aufrecht erhal­ten. In jedem Fall ist die 75-jährige Charak­ter­schaus­pielerin hoch erfreut über den Preis… und über­haupt eine gren­zen­lose Opti­mistin, wie sie ver­rät.

Frau Sukowa, Sie haben ein­mal gesagt, Schaus­piel sei leicht – eigentlich könne das jed­er­mann. Wie war das gemeint?
Spie­len ist uns ange­boren – ein natür­lich­er, kreativ­er Akt. Das sehen wir ganz deut­lich an Kindern. Natür­lich ste­ht und fällt gutes Schaus­piel mit einem Regis­seur, der das fördert und in die richtige Rich­tung lenkt. Und wir alle spie­len ver­schiedene Rollen im Leben – als Part­ner, Kol­le­gin, Fre­undin, im Beruf. Dahinge­hend ist das Spie­len an sich nicht schw­er.

Der Grund, warum Sie über­haupt in Schw­erin sind: Sie bekom­men den „Gold­e­nen Ochsen“ des Filmkun­st­fests MV. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Ausze­ich­nung erfuhren?
Ein Preis ist immer eine Ehre – ganz klar. Ich freue mich, wenn das, was ich tue, Anerken­nung find­et. Gle­ichzeit­ig denke ich manch­mal an Men­schen wie San­itäter, Feuer­wehrleute oder Pflegerin­nen – sie leis­ten jeden Tag ganz konkret etwas für die Gesellschaft. Da kommt mir Schaus­piel­erei manch­mal fast über­flüs­sig vor. Und genau deshalb bedeutet mir diese Ausze­ich­nung so viel: Sie gibt mir und mein­er Arbeit eine Art Berech­ti­gung. Diese Wertschätzung tut gut.

Sie leben heute in New York – schauen Sie trotz­dem deutsches Fernse­hen?
Auf jeden Fall, wenn ich hier bin. Ich schätze die Vielfalt an For­mat­en. Was ich beson­ders bemerkenswert finde: In den USA fehlt die regionale und lokale Berichter­stat­tung fast völ­lig – das gibt’s in Deutsch­land noch, und das finde ich wichtig. Und ich mag die abendlichen Talkrun­den, in denen sich Men­schen dif­feren­ziert aus­tauschen. Das hat eine Tiefe, die ich im amerikanis­chen Fernse­hen oft ver­misse.

Derzeit ist „Berlin, Alexan­der­platz“ wieder bei einem Stream­ing­di­enst zu sehen. Welche Gedanken haben Sie heute zu dieser frühen Pro­duk­tion?
Da hat Film für mich ange­fan­gen! Ich selb­st hätte mich nie für die Rolle der „Mieze“ beset­zt. Sie hat­te etwas Süßes, Naives an sich – das bin ich nicht. Warum also ich? habe ich Rain­er Wern­er Fass­binder damals gefragt. Und er hat gesagt: Deswe­gen ja ger­ade! Die Drehar­beit­en waren span­nend. Fass­binder war bekan­nt dafür, dass man bei ihm oft nur einen Take hat­te – also viele, viele Szenen an einem Tag. Man war dadurch qua­si voll im Leben der Fig­ur drin.

Es gibt ins­ge­samt sieben gemein­same Filme mit Mar­garethe von Trot­ta – darunter „Rosa Lux­em­burg“ und „Han­nah Arendt“, die ja auch beim Filmkun­st­fest gezeigt wer­den. Was verbindet Sie mit dieser Regis­seurin?
Mar­garethe von Trot­ta und ich haben eine ganz beson­dere Art, miteinan­der zu arbeit­en – über die Jahre ist daraus auch eine enge Fre­und­schaft gewor­den. Ger­ade bei so großen Rollen geht es um mehr als nur ums Spie­len. Ich lerne dabei viel über Geschichte, über Zusam­men­hänge, über die dama­lige Zeit. Und Mar­garethe ist für mich die wichtig­ste Regis­seurin mein­er Lauf­bahn – sie hat mein Leben und meine Kar­riere stark geprägt.

Sie ist eine bemerkenswerte Frau. Früher wurde sie von der Presse teil­weise sehr von oben herab behan­delt. Ich erin­nere mich an ein Film­pro­jekt, bei dem man ihren dama­li­gen Mann – Volk­er Schlön­dorff – gebeten hat, sich im Hin­ter­grund bere­itzuhal­ten, falls das Ganze schiefge­ht. So etwas hin­ter­lässt Spuren. Vielle­icht erk­lärt das, warum sie in manchen Sit­u­a­tio­nen sehr bes­timmt oder auch hart reagiert hat. Dabei ist sie in Wirk­lichkeit ein sehr warmherziger Men­sch.

Man sagt, Sie hät­ten nach den Drehar­beit­en zu „Rosa Lux­em­burg“ sog­ar noch länger gehinkt – so sehr waren Sie in der Rolle. Stimmt das?
Nach den Drehar­beit­en eigentlich nicht mehr so sehr – aber davor und während­dessen, ja. Bei „Rosa Lux­em­burg“ war das Hinken Teil der Rolle, und ich bin da regel­recht hineinge­gan­gen. Natür­lich muss man fürs Schaus­piel aus sich her­aus in eine Fig­ur ein­tauchen. Aber für mich hat das Nachah­men von Gesten oder Akzen­ten nicht nur mit Authen­tiz­ität zu tun – son­dern auch mit Prag­ma­tismus. Es ist schlicht viel leichter, in der Rolle zu bleiben, als ständig her­aus- und wieder hineinzuschlüpfen.

Bei „Han­nah Arendt“ habe ich recht lange mit diesem harten, preußis­chen Akzent gesprochen – sehr zum Lei­d­we­sen mein­er Fam­i­lie. (lacht) Aber Rollen wie diese sind eine Her­aus­forderung. Rosa Lux­em­burg war neun Mal im Gefäng­nis, Han­nah Arendt hat­te eine geistige Kapaz­ität, die ich nur bewun­dern kann. Solch ein Ver­hal­ten zu verin­ner­lichen, hil­ft enorm, um die Fig­ur wirk­lich glaub­haft zu verkör­pern.

Gab es eigentlich Rollen, die Sie abgelehnt haben – und es heute vielle­icht bereuen?
Es gibt einiges, was ich abge­sagt habe. Ich habe drei Kinder – mit großen Altersab­stän­den. Kür­zlich habe ich mal nachgerech­net: Ich hat­te ins­ge­samt 42 Jahre lang Kinder im Haus! Und ich wollte nie eine abwe­sende Mut­ter sein. Also, ja: Es gab Rollen, die mich sehr gereizt hät­ten, die ich aber abgelehnt habe, weil mir meine Fam­i­lie wichtiger war. Bereuen wäre dafür aber ein zu großes Wort.

Und gab es auch Rollen, bei denen Sie dacht­en: Nein, das ist ein­fach nicht meins?
Ja, dur­chaus. Zum Beispiel sollte ich ein­mal eine böse Naz­ifrau spie­len, die ihre Schwiegertochter ver­rät. Oder kür­zlich die Rolle ein­er Jüdin, die sich mit den Nazis ver­bün­det hat. Ich habe grund­sät­zlich über­haupt nichts dage­gen, schwierige oder unbe­queme Charak­tere zu spie­len. Aber ich wollte mich zu dem jew­eili­gen Zeit­punkt ein­fach nicht in diese Welt begeben. Das war eine ganz bewusste Entschei­dung.

Gibt es denn heute noch eine Rolle, die Sie unbe­d­ingt spie­len möcht­en? Und was wäre, wenn es einen Film über Ihr Leben gäbe – wür­den Sie sich selb­st spie­len?
Ich wüsste ehrlich gesagt gar nicht, wer das sein sollte – also ich? (lacht) Und ich bin jet­zt 75… welchen Charak­ter kön­nte ich da mit Blick aufs Alter der jew­eili­gen Fig­ur gut spie­len? Nein, ich habe keinen direk­ten Herzenswun­sch, keine bes­timmte Rolle, die ich unbe­d­ingt noch spie­len möchte. Ich bin ein­fach offen – für kom­plexe, inter­es­sante Frauen­fig­uren. Wenn Sie da eine Idee haben – nur her damit!

Sie leben mit­tler­weile in den USA. Wie nehmen Sie die poli­tis­chen Entwick­lun­gen dort wahr – ins­beson­dere unter Don­ald Trump?
Das ist eine schwierige Frage – viele wollen von mir wis­sen: Wie ist Ameri­ka ger­ade? Aber es ist ein riesiges Land, und es ist so ver­schieden. Ich selb­st lebe in New York, das ist sehr kos­mopoli­tisch. Der Nor­den ist anders als der Süden, und wieder anders als die Mitte. Wenn ich mir also eine Mei­n­ung bilden kann, dann durch Gespräche mit Fre­un­den – oder über die Presse. Und das ist eben auch nicht vol­lum­fänglich.
Ich erin­nere mich, wie ich mir die Kabi­nettsauswahl von Trump früh mor­gens angeschaut habe – und abends dann die Berichter­stat­tung in ver­schiede­nen Nachricht­ensendern. Es war erschreck­end zu sehen, wie unter­schiedlich Dinge dargestellt, geschnit­ten, betont oder auch wegge­lassen wur­den – und zwar von bei­den Seit­en.

Klar, da kann einem Angst und bange wer­den. Aber ich bin ein durch und durch opti­mistis­ch­er Men­sch. Ich sehe zum Beispiel die zwei­jährige Tochter meines Kol­le­gen – und denke: Wie schön. Ihre Gen­er­a­tion wird es gut für sich gestal­ten. Angst vor der Zukun­ft? Die habe ich nicht.
Im Englis­chen sagt man zu Kindern oft: Use your words! – also: Nutze deine Worte, löse Prob­leme mit Sprache. Da soll­ten wir Erwach­se­nen es doch erst recht hin­bekom­men, uns nicht die Köpfe einzuschla­gen. Und genau das wün­sche ich mir. Lassen Sie uns alle Opti­mis­ten sein, kon­struk­tiv denken und gemein­sam Lösun­gen find­en!