„Goldener Ochse” verliehen:
Barbara Sukowa im Gespräch: „Diese Auszeichnung tut gut“
Schauspielerin Barbara Sukowa erhält den Ehrenpreis des Filmkunstfests MV – und bleibt dabei bescheiden, neugierig und optimistisch wie eh und je.

Barbara Sukowa ist die diesjährige Ehrenpreisträgerin des „Goldenen Ochsen“ beim 34. Filmkunstfest MV. Heute morgen beim Filmemacherfrühstück im Ruderhaus genoss sie den Blick aufs Schweriner Schloss und stand Rede und Antwort im Pressegespräch. Auf die Preisverleihung selbst ist sie gespannt. Sie hat weder einen Blick auf den Preis erhascht, noch weiß sie, wer die Laudatio hält – und möchte die Spannung auch aufrecht erhalten. In jedem Fall ist die 75-jährige Charakterschauspielerin hoch erfreut über den Preis… und überhaupt eine grenzenlose Optimistin, wie sie verrät.
Frau Sukowa, Sie haben einmal gesagt, Schauspiel sei leicht – eigentlich könne das jedermann. Wie war das gemeint?
Spielen ist uns angeboren – ein natürlicher, kreativer Akt. Das sehen wir ganz deutlich an Kindern. Natürlich steht und fällt gutes Schauspiel mit einem Regisseur, der das fördert und in die richtige Richtung lenkt. Und wir alle spielen verschiedene Rollen im Leben – als Partner, Kollegin, Freundin, im Beruf. Dahingehend ist das Spielen an sich nicht schwer.
Der Grund, warum Sie überhaupt in Schwerin sind: Sie bekommen den „Goldenen Ochsen“ des Filmkunstfests MV. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Auszeichnung erfuhren?
Ein Preis ist immer eine Ehre – ganz klar. Ich freue mich, wenn das, was ich tue, Anerkennung findet. Gleichzeitig denke ich manchmal an Menschen wie Sanitäter, Feuerwehrleute oder Pflegerinnen – sie leisten jeden Tag ganz konkret etwas für die Gesellschaft. Da kommt mir Schauspielerei manchmal fast überflüssig vor. Und genau deshalb bedeutet mir diese Auszeichnung so viel: Sie gibt mir und meiner Arbeit eine Art Berechtigung. Diese Wertschätzung tut gut.
Sie leben heute in New York – schauen Sie trotzdem deutsches Fernsehen?
Auf jeden Fall, wenn ich hier bin. Ich schätze die Vielfalt an Formaten. Was ich besonders bemerkenswert finde: In den USA fehlt die regionale und lokale Berichterstattung fast völlig – das gibt’s in Deutschland noch, und das finde ich wichtig. Und ich mag die abendlichen Talkrunden, in denen sich Menschen differenziert austauschen. Das hat eine Tiefe, die ich im amerikanischen Fernsehen oft vermisse.
Derzeit ist „Berlin, Alexanderplatz“ wieder bei einem Streamingdienst zu sehen. Welche Gedanken haben Sie heute zu dieser frühen Produktion?
Da hat Film für mich angefangen! Ich selbst hätte mich nie für die Rolle der „Mieze“ besetzt. Sie hatte etwas Süßes, Naives an sich – das bin ich nicht. Warum also ich? habe ich Rainer Werner Fassbinder damals gefragt. Und er hat gesagt: Deswegen ja gerade! Die Dreharbeiten waren spannend. Fassbinder war bekannt dafür, dass man bei ihm oft nur einen Take hatte – also viele, viele Szenen an einem Tag. Man war dadurch quasi voll im Leben der Figur drin.
Es gibt insgesamt sieben gemeinsame Filme mit Margarethe von Trotta – darunter „Rosa Luxemburg“ und „Hannah Arendt“, die ja auch beim Filmkunstfest gezeigt werden. Was verbindet Sie mit dieser Regisseurin?
Margarethe von Trotta und ich haben eine ganz besondere Art, miteinander zu arbeiten – über die Jahre ist daraus auch eine enge Freundschaft geworden. Gerade bei so großen Rollen geht es um mehr als nur ums Spielen. Ich lerne dabei viel über Geschichte, über Zusammenhänge, über die damalige Zeit. Und Margarethe ist für mich die wichtigste Regisseurin meiner Laufbahn – sie hat mein Leben und meine Karriere stark geprägt.
Sie ist eine bemerkenswerte Frau. Früher wurde sie von der Presse teilweise sehr von oben herab behandelt. Ich erinnere mich an ein Filmprojekt, bei dem man ihren damaligen Mann – Volker Schlöndorff – gebeten hat, sich im Hintergrund bereitzuhalten, falls das Ganze schiefgeht. So etwas hinterlässt Spuren. Vielleicht erklärt das, warum sie in manchen Situationen sehr bestimmt oder auch hart reagiert hat. Dabei ist sie in Wirklichkeit ein sehr warmherziger Mensch.
Man sagt, Sie hätten nach den Dreharbeiten zu „Rosa Luxemburg“ sogar noch länger gehinkt – so sehr waren Sie in der Rolle. Stimmt das?
Nach den Dreharbeiten eigentlich nicht mehr so sehr – aber davor und währenddessen, ja. Bei „Rosa Luxemburg“ war das Hinken Teil der Rolle, und ich bin da regelrecht hineingegangen. Natürlich muss man fürs Schauspiel aus sich heraus in eine Figur eintauchen. Aber für mich hat das Nachahmen von Gesten oder Akzenten nicht nur mit Authentizität zu tun – sondern auch mit Pragmatismus. Es ist schlicht viel leichter, in der Rolle zu bleiben, als ständig heraus- und wieder hineinzuschlüpfen.
Bei „Hannah Arendt“ habe ich recht lange mit diesem harten, preußischen Akzent gesprochen – sehr zum Leidwesen meiner Familie. (lacht) Aber Rollen wie diese sind eine Herausforderung. Rosa Luxemburg war neun Mal im Gefängnis, Hannah Arendt hatte eine geistige Kapazität, die ich nur bewundern kann. Solch ein Verhalten zu verinnerlichen, hilft enorm, um die Figur wirklich glaubhaft zu verkörpern.
Gab es eigentlich Rollen, die Sie abgelehnt haben – und es heute vielleicht bereuen?
Es gibt einiges, was ich abgesagt habe. Ich habe drei Kinder – mit großen Altersabständen. Kürzlich habe ich mal nachgerechnet: Ich hatte insgesamt 42 Jahre lang Kinder im Haus! Und ich wollte nie eine abwesende Mutter sein. Also, ja: Es gab Rollen, die mich sehr gereizt hätten, die ich aber abgelehnt habe, weil mir meine Familie wichtiger war. Bereuen wäre dafür aber ein zu großes Wort.
Und gab es auch Rollen, bei denen Sie dachten: Nein, das ist einfach nicht meins?
Ja, durchaus. Zum Beispiel sollte ich einmal eine böse Nazifrau spielen, die ihre Schwiegertochter verrät. Oder kürzlich die Rolle einer Jüdin, die sich mit den Nazis verbündet hat. Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts dagegen, schwierige oder unbequeme Charaktere zu spielen. Aber ich wollte mich zu dem jeweiligen Zeitpunkt einfach nicht in diese Welt begeben. Das war eine ganz bewusste Entscheidung.
Gibt es denn heute noch eine Rolle, die Sie unbedingt spielen möchten? Und was wäre, wenn es einen Film über Ihr Leben gäbe – würden Sie sich selbst spielen?
Ich wüsste ehrlich gesagt gar nicht, wer das sein sollte – also ich? (lacht) Und ich bin jetzt 75… welchen Charakter könnte ich da mit Blick aufs Alter der jeweiligen Figur gut spielen? Nein, ich habe keinen direkten Herzenswunsch, keine bestimmte Rolle, die ich unbedingt noch spielen möchte. Ich bin einfach offen – für komplexe, interessante Frauenfiguren. Wenn Sie da eine Idee haben – nur her damit!
Sie leben mittlerweile in den USA. Wie nehmen Sie die politischen Entwicklungen dort wahr – insbesondere unter Donald Trump?
Das ist eine schwierige Frage – viele wollen von mir wissen: Wie ist Amerika gerade? Aber es ist ein riesiges Land, und es ist so verschieden. Ich selbst lebe in New York, das ist sehr kosmopolitisch. Der Norden ist anders als der Süden, und wieder anders als die Mitte. Wenn ich mir also eine Meinung bilden kann, dann durch Gespräche mit Freunden – oder über die Presse. Und das ist eben auch nicht vollumfänglich.
Ich erinnere mich, wie ich mir die Kabinettsauswahl von Trump früh morgens angeschaut habe – und abends dann die Berichterstattung in verschiedenen Nachrichtensendern. Es war erschreckend zu sehen, wie unterschiedlich Dinge dargestellt, geschnitten, betont oder auch weggelassen wurden – und zwar von beiden Seiten.
Klar, da kann einem Angst und bange werden. Aber ich bin ein durch und durch optimistischer Mensch. Ich sehe zum Beispiel die zweijährige Tochter meines Kollegen – und denke: Wie schön. Ihre Generation wird es gut für sich gestalten. Angst vor der Zukunft? Die habe ich nicht.
Im Englischen sagt man zu Kindern oft: Use your words! – also: Nutze deine Worte, löse Probleme mit Sprache. Da sollten wir Erwachsenen es doch erst recht hinbekommen, uns nicht die Köpfe einzuschlagen. Und genau das wünsche ich mir. Lassen Sie uns alle Optimisten sein, konstruktiv denken und gemeinsam Lösungen finden!