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Neue Kunst auf dem Schweriner Dreesch:
Bauarbeiterstatue der WGS enthüllt

Die Hintergründe zur neuen Bauarbeiterstatue auf dem Dreesch lesen sich wie eine Detektivgeschichte. Gestern, mehr als sechs Jahre nach der Idee dazu, wurde sie Quartier am Monumentenberg enthüllt.

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  • Veröffentlicht September 26, 2025
Skulptur von Sven Schöning bei der Enthüllung
v.l.: WGS-Geschäfts­führer Kris­t­ian Meier-Hedrich und Kün­stler Sven Schön­ing an der noch namen­losen Skulp­tur.
Foto: max­press

 

Es liest sich beina­he wie eine Detek­tivgeschichte: Zwei einzel­nen Bauar­beit­er-Skulp­turen aus den 1970er-Jahre wurde durch einen Aufruf in der haus­post 2019 Leben einge­haucht: Wer waren die Män­ner? Wie hießen sie? Wer erin­nert sich? Zahlre­iche Zuschriften bracht­en Infos für die WGS, die eine Neuau­flage anstrebte. Mehr als fünf Jahre später bringt jet­zt ein neues Kunst­werk von Sven Schön­ing die bei­den zusam­men, in ganz neuer Form – und in Bronze statt Beton: An der Ecke Friedrich-Engels-Straße/Anne-Frank-Straße ste­ht der eine, der andere kni­et davor. Die bei­den detail­liert aus­gear­beit­eten Fig­uren erschaf­fen einan­der mit Kelle und Bei­t­el – für den Schöpfer des Kunst­werks eine deut­liche Hom­mage an ehrliche Arbeit, die Qual­ität des Handw­erks und die 1970er-Jahre, in denen die Bei­den ihren Fleiß in die neuen Wohn­baut­en auf dem Dreesch gesteckt haben. Gestern wurde die Skulp­tur gemein­sam vom Kün­stler, Over­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er und WGS-Geschäfts­führer Kris­t­ian Meier-Hedrich enthüllt.

Im Okto­ber 2019 fragte die haus­post im Auf­trag der WGS „Wer ken­nt diesen Mann aus Beton?“ und zeigte das Foto ein­er Stat­ue, die einst vor dem Bauar­beit­er-Café in der Friedrich-Engels-Straße ges­tanden hat­te. Plöt­zlich war sie weg. Einige Schw­er­iner erzählten, dass sie von Van­dalen zer­stört wor­den sei. Andere sprachen von Ver­wit­terung. Das Schick­sal des Bauar­beit­ers war ungek­lärt, doch bald bracht­en zahlre­iche Zuschriften Licht ins Dunkel. Und das war gut so, denn die WGS hat­te vor, die Skulp­tur wiederzubeleben, in neuer Form. Für eine Neuau­flage wollte sie mehr über den Mann mit dem prüfend­en Blick erfahren.

Bauarbeiterstatue aus Beton
„Wer ken­nt diesen Mann aus Beton?“ wollte die WGS in der April-Aus­gabe der haus­post wis­sen, um Infos für eine Neuau­flage zu sam­meln. Foto: pri­vat

Zahlreiche Zuschriften nach Aufruf

Ob das Mod­ell der Stat­ue hätte erah­nen kön­nen, für welche Furore es im neuen Jahrtausend sor­gen würde? Wahrschein­lich nicht. Zahlre­iche Mails und Briefe bracht­en Infos, die sich als Fak­ten bewahrheit­et haben. Dazu kamen schöne Geschicht­en, die vielle­icht nicht real sind.

Zuerst schien die Sache ein­deutig: Karin Wein­re­ich meldete sich via Face­book und erkan­nte ihren ehe­ma­li­gen Ver­lobten Nor­bert in der Stat­ue wieder. Oft hät­ten sie gemein­sam im Bauar­beit­er-Café gesessen und er habe die Stat­ue nach seinem Abbild stolz präsen­tiert. Lediglich an die Schreib­weise seines Nach­na­mens erin­nerte sie sich nicht genau. „Heinat“, schrieb sie, aber auch „Hein­ert“ sei möglich. Claus Eggers ergänzte diese Spur. Er sei mit „Nor­bert Hein­ert“ zur Schule gegan­gen, habe gemein­sam die Lehre gemacht und später in der­sel­ben Brigade am Bau des Led­er­waren­werks in Schw­erin Süd gear­beit­et. Zur Entste­hung der Stat­ue sagte er: „Damals wurde vor der ehe­ma­li­gen Polik­linik ein Mon­u­ment errichtet. Das brachte die Brigade auf die Idee, beim sel­ben Kün­stler eine weit­ere Stat­ue zu beauf­tra­gen.“ Da Nor­bert Hein­ert durch einen Arbeit­sun­fall ger­ade nicht ein­set­zbar gewe­sen sei, habe er Mod­ell ges­tanden. Der Kün­stler soll die Form erstellt, die Kol­le­gen den Mann dann selb­st in Beton gegossen haben.

Künstlername schließlich geklärt

„Eine schöne, nos­tal­gis­che Geschichte“, sagte 2019 dazu Gäste­führer Hel­mut Völtz. „Es wäre toll, wenn es wirk­lich so gewe­sen wäre!“ Er zweifelte allerd­ings grund­sät­zlich daran, dass ein Kün­stler sein Werk aus den Hän­den gäbe. Klar war für ihn wiederum der Name des Bild­hauers: Hel­mut Har­tung aus Dres­den. Das bestätigten weit­ere Zuschriften und die Broschüre „Plas­tik in Schw­erin“ von 1981. Hier waren tat­säch­lich zwei Stat­uen von Hel­mut Har­tung abge­bildet – der lang­haarige Bauar­beit­er vom Dreesch und ein weit­er­er, der vor der Polik­linik ges­tanden hat­te. Allerd­ings: Die Dreesch­er Stat­ue wurde 1975 und damit ein Jahr vor der Stat­ue an der Polik­linik aufgestellt. Die Geschichte, dass auf­grund der Stat­ue vor der Klinik also eine zweite für den Dreesch in Auf­trag gegeben wor­den sein soll, gerät dadurch ins Wanken. Die lang­haarige Plas­tik war zuerst da.

Betonstatue vor der ehemaligen Poliklinik in Schwerin
Eine zweite Skulp­tur vor der Polik­linik tauchte bei den Recherchen auf und sorgte zuerst für Ver­wirrung über die Namen der Mod­elle. Foto: pri­vat

Zwei Namen tauchten immer wieder auf

Durch Hel­mut Völtz und weit­ere Infor­man­ten kam schließlich ein zweit­er Name ins Spiel: „Dieter Popp“. Er war Held der Arbeit. Einige haben ihn in der lang­haari­gen Stat­ue wieder­erkan­nt, andere in der schlanken, kurzhaari­gen Gestalt der zweit­en Stat­ue.

Es blieben also manche Fra­gen offen: Wer ist wer? Stimmten die Namen über­haupt? Joachim Jägel schick­te mehrere E‑Mails und Fotos an die Redak­tion. Er hat­te damals als ein­er von drei Ober­bauleit­ern in Schw­erin Süd gear­beit­et und erin­nerte sich noch daran, wie der Kün­stler sein Zelt aufgestellt hat­te. „Ich glaube, dass er dort cir­ca vier Monate lang tätig war“, hieß es in ein­er sein­er aus­führlichen E‑Mails. Er unter­mauerte, dass Dieter Popp in der kurzhaari­gen Stat­ue vor der Polik­linik abge­bildet war. Für die Bauar­beit­er-Stat­ue vom Dreesch soll wiederum ein ander­er Mod­ell ges­tanden haben. Unter zwölf Bekan­nten von damals hat­te Joachim Jägel sich umge­hört und war dabei für den Lang­haari­gen auf den Spitz­na­men „Spac­ki“ gestoßen, wohl weil der junge Mann sehr „spack“ – also schlank – gewe­sen war. Er sei dem Kün­stler ins Auge gefall­en, wahrschein­lich „weil dessen Haare und Fig­ur nicht ganz in die Zeit­mode passten, aber wohl seine kün­st­lerische Ader reizten“, schrieb Joachim Jägel. Dazu schick­te er Fotos eines Aus­flugs der Brigade Rein­hold Huhn mit. „Ein­er der Mitreisenden“, so Joachim Jägel, „sieht der Skulp­tur mehr als ähn­lich“.

Dieses Foto soll Norbert Heinert zeigen, der wahrscheinlich als Modell für die Bauarbeiterstatue gedient hat
Dieses Foto soll Nor­bert Hein­ert zeigen. Während die Beton­stat­ue einst keinen Schnäuzer hat­te, gab Kün­stler Sven Schön­ing dem neuen lang­haari­gen Bauar­beit­er seinen Ober­lip­pen­bart zurück. Foto: pri­vat

Künstler Sven Schöning fasziniert von der Geschichte

 

Für den Kün­stler der neuen Bauar­beit­er­stat­ue am Quarti­er am Mon­u­menten­berg waren diese Geschicht­en faszinierend. Die Bilder aus den haus­post-Recherchen dien­ten ihm mit als Vor­lage – ein beson­deres Detail hat er aber verän­dert: „Das Foto von ‚Spac­ki‘ zeigt einen lang­haari­gen Mann mit Schnäuzer – die ursprüngliche Skulp­tur kommt ohne den Bart aus. „Das liegt am Mate­r­i­al Beton, mit dem sich so feine Kan­ten nur schw­er ausar­beit­en lassen“, erk­lärt Schön­ing. „Jet­zt, mit dem Bronze­guss, kon­nte ich den Schnäuzer wieder abbilden.“

 

Neue Bauarbeiterstatue mit vielen Details

 

Noch viele andere Details machen die Stat­ue sehenswert. Der Ste­hende ist am Rück­en unvol­len­det gelassen, sein Inneres liegt dort frei und zeigt Steine, „wie sie beim realen Auf­bau ein­er Mauer oft mit­genutzt wer­den“, so der Kün­stler. Das Miteinan­der der bei­den Pro­tag­o­nis­ten im gegen­seit­i­gen Erschaf­fung­sprozess wirkt beina­he zärtlich. „Das soll es auch“, bestätigt der Kün­stler. „Das Mau­r­erhandw­erk ist in meinen Augen nichts Grobes. Es braucht feines Arbeit­en, einen Blick fürs Detail und Lei­den­schaft. Das spiegelt sich in der Skulp­tur wider.“ Und zusät­zlich zum Feingeisti­gen hat Sven Schön­ing mit ein­er gesun­den Por­tion Humor auch etwas ganz Hand­festes darg­stellt: das klis­chee­hafte „Mau­r­erdekol­leté“ beim sitzen­den Bauar­beit­er, das bei der Enthül­lung für einige Schmun­zler sorgte.

Künstler Sven Schöning zeigt seine Skulptur
Kün­stler Sven Schön­ing zeigt bei der Auf­stel­lung der Bronzeskulp­tur zahlre­iche Details, darunter den gemauerten Rück­en aus Bruch­steinen, den beina­he zärtlichen Umgang der Figuten miteinan­der sowie mit einem Augen­zwinkern das klis­chee­hafte „Mau­r­erdekol­leté“ des knieen­den Bauar­beit­ers. Fotos: max­press

 

Bürger dürfen beim Namen der Skulptur mitbestimmen

WGS-Geschäfts­führer Kris­t­ian Meier-Hedrich, der gemein­sam mit Sven Schön­ing und Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er die Plas­tik enthüllte, war begeis­tert vom Werk. „Der Kün­stler und wir haben lange über ver­schiedene Darstel­lungs­for­men disku­tiert und das Ergeb­nis gefällt uns sehr, sehr gut. Die Skulp­turen aus den 70ern waren sta­tisch, hier ist Bewe­gung. Sie agieren dazu auf Augen­höhe der Betra­chter. Wir hof­fen, dass die Anwohn­er das Kunst­werk annehmen und gerne hier ver­weilen. Sitzgele­gen­heit­en laden dazu ein“, so Meier-Hedrich. „Wenn die Stat­ue eine Weile gewirkt hat, möcht­en wir im kom­menden Jahr gemein­sam mit den Men­schen am Mon­u­menten­berg nach einem Namen für die Skulp­tur suchen – das wird ein näch­ster span­nen­der Prozess.“