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Corona-Regeln – Passt das alles noch zusammen?

Ein Kommentar von Stephan Haring, schwerin-lokal An sich versuche ich mich in der Corona-Diskussion eher zurückzuhalten. Ich bin nicht – wie scheinbar so einige tausend spazierfreudige Menschen auch in Schwerin

  • Veröffentlicht Januar 14, 2022
Gastronomien werden als „Problemfälle“ bezeichnet, während mit letztlich nicht sicheren Schnelltests die Quarantäne enden kann. | Foto: privat

Ein Kommentar von Stephan Haring, schwerin-lokal

An sich versuche ich mich in der Corona-Diskussion eher zurückzuhalten. Ich bin nicht – wie scheinbar so einige tausend spazierfreudige Menschen auch in Schwerin – heimlicher Virologe oder Epidemiologe. So langsam verliere aber auch ich trotz größter Anstrengungen den Glauben an das, was so entschieden wird. Ja, mir ist bewusst, jetzt werden einige sagen, dass der Zeitpunkt längst war. Für mich nicht. Ich habe bislang, wie die große Mehrheit der Menschen in Schwerin und in unserem Land, versucht, bestmöglich die geltenden Regeln einzuhalten. Ich trage Maske, ich halte Abstand. Ich lasse mich – auch ohne Zwang – regelmäßig testen oder teste mich selbst. Das alles mache ich auch gern weiterhin. Auch habe ich mich, da oute ich mich gern, zweifach impfen und schon im Dezember auch boostern lassen. Kann ich auch jedem empfehlen. Bringt keine Probleme, aber mehr Sicherheit. So langsam aber frage ich mich doch, wofür ich all das tue.

 

Ich habe ein komisches Gefühl…

Klar, zu meinem Schutz und dem Schutz anderer. Das zumindest höre ich wiederholt von denjenigen, die die Maßnahmen beschließen. Vielleicht meinen Sie es ja sogar so. Aber werde ich in der aktuellen Situation wirklich geschützt? Ist nicht längst eine andere Situation eingetreten? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine Art „Durchseuchung durch die Hintertür“ stattfindet. Verbunden mit zusätzlichen Maßnahmen, die das „Durchlauftempo“ reduzieren sollen, und dabei als Kollateralschaden die treffen, die schon getroffen sind. Da müssen einzelne Branchen – ich greife nach den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) bewusst die Gastronomie heraus – vom ersten Tag an als offiziell zentrale Infektionsgefahrenorte herhalten, ohne dass jemals jemand diese Behauptung belegen konnte.

Das mag zu Beginn der Pandemie noch irgendwie nachvollziehbar gewesen sein. Viele Menschen ohne Abstand und ohne jeden Schutz an einem Ort. Aber heute? Die Gastronomen und ihre Teams haben – in der übergroßen Zahl – Hygiene- und Schutzmaßnahmen entwickelt und umgesetzt. Und die meisten halten sich so gut es geht auch daran. Und jetzt erklärt der Bundesgesundheitsminister eben diese Branche zum „Problemfall“. Da war doch schonmal was. Achja, ein „Problembär“. Für den ging das Ganze nicht gut aus. Wenn die Politik in Wortbildungen mit „Problem“ verfällt, wird es also existenziell gefährlich.

 

Echt? Ein Problemfall??

Wieder – oder besser weiterhin – fehlen übrigens die Belege dafür, dass die Gastronomie ein „Problemfall“ ist. Blickt man auf die Darstellungen des RKI sind es unsere Wohnungen und Häuser – also der häusliche Bereich – in denen die meisten Infektionen zustande kommen. Wenn überhaupt noch nachvollziehbar ist, woher sie kommen. Denn bei den mit Abstand meisten Infektionen ist das komplett unklar. Sage nicht ich, sagt das RKI. Aber die Gastronomie ist nun per Festlegung das zentrale Problem.
Ja, dort entstehen Infektionen. Das ist richtig. Solange Ordnungsämter nicht konsequent kontrollieren und die schwarzen Schafe der Branche entsprechend mit Strafzahlungen oder auch zeitweisen Schließungen beglücken, ist das auch nicht ganz unlogisch. Aber muss man die übergroße Zahl der Gastronomen, die sich an alle Regeln halten, jetzt noch mit einem „Plus“ hinter dem 2G endgültig an die Existenzwand stellen?

Apropos „Plus“. Wie genial ist das denn? Da müssen also alle, die geimpft oder genesen sind, bei 2G plus eigentlich einen negativen Test vorlegen, um in die Gastronomie zu kommen. Eigentlich! Denn wer geboostert oder gerade doppelt geimpft ist, braucht in einigen Bundesländern den Test nicht. In M-V gilt dies „nur“ für Geboosterte“. Experten, so ist zu lesen, gehen derweil weiterhin davon aus, dass sich der vollständige Impfschutz nach der Boosterung innerhalb von 7 bis 14 Tagen aufbaut. Für die Zweitimpfung, das haben wir von denen gelernt, die nun die neuen Regelungen beschlossen haben, sind es 14 Tage. Wie passt das damit zusammen, dass nun plötzlich in beiden Fällen bereits unmittelbar nach dem Pieks kein Test mehr erforderlich ist?

Ganz abgesehen davon, dass man sich ja trotzdem anstecken und selbst dann auch andere anstecken kann. Klar, so sollen die Menschen zum Impfen animiert werden. Aber das zum Preis einer Selbstgefährdung wie auch einer Gefährdung anderer? Entweder wurde hier nicht zu Ende gedacht, oder man hat tatsächlich einen anderen Hintergedanken.

 

Sensitivität der Schnelltests fraglich – Sie beenden aber Quarantäne

Ähnlich unlogisch erscheinen mir die neuen Quarantäneregelungen, wie sie beispielsweise bereits in Schwerin gelten. So ist es jetzt möglich, die ohnehin verkürzte Quarantäne durch einen negativen PCR-Test zu verkürzen. Oder auch durch einen Schnelltest, der von einer qualifizierten Person durchgeführt wird. Aber wie läuft das mit der Kontrolle? Die Stadt behält sich vor, auch das steht in der Verordnung, das Ergebnis sehen zu wollen. Das Gesundheitsamt allerdings dürfte gerade in den kommenden Tagen und Wochen kaum entsprechende Kapazitäten haben, dies zu kontrollieren.

Und selbst wenn das alles irgendwie „save“ wäre bleibt die Freude, dass schon wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass die Schnelltests gerade auch bei der Omikron-Variante zumindest in nicht wenigen Fällen suboptimale Ergebnisse liefern. Will heißen, da kann man noch so positiv sein, sie zeigen gern „negativ“ an. Da bietet der PCR-Test deutlich mehr Klarheit. Aber der ist ja nicht mehr zwingend nötig – nur als Alternative möglich. Vermutlich dürften die wenigsten diese Option nutzen? Denn ich nehme mal an, dass der Freitestungs-PCR-Test privat zu bezahlen ist. Zudem kommt das Ergebnis teilweise erst drei Tage später. Warum also Geld ausgeben und drei Tage warten, wenn’s doch kostenfrei sofort – und mit höherer Wahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses – geht?

 

Gerade zweifach geimpft – schon ist das „Plus“ Geschichte

Das sind nur wenige der Fragen, die ich mir derzeit stelle. Da geistert mir auch durch den Kopf, warum Kita-Gruppen und Schulklassen nicht selten munter weitermachen können, auch wenn ein Corona-Fall mitten unter ihnen bekannt ist. Wie kann es sein, dass eine Frau erkrankt, ihr Ehemann in einem Gesundheitsamt fragt, was er tun soll, und die Antwort ist, wenn er keine Symptome habe, solle er arbeiten gehen? Da sind Regelungen für Kontaktpersonen doch überflüssig, wenn schon diejenigen, die sich freiwillig melden, gar nicht als solche behandelt werden. Ach ja, und gilt doch mal jemand als Kontaktperson: Ist der- oder diejenige gerade geboostert oder zweifach geimpft (wie oben beschrieben), müssen sie gar nicht in Quarantäne. Klasse, sie können sich zwar dennoch mit Corona anstecken und damit auch andere infizieren – aber was soll’s.

Kurz und knapp und damit kein Missverständnis entsteht. Ich bin für Schutzmaßnahmen, gern auch für härtere, wenn sie ellenlange Lockdowns light die nur einige wenige dafür aber besonders hart treffen, oder wie man sie nennen mag, verhindern helfen. In meinen Augen besteht auch die Situation einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Da kann ich Gesundheitsministerin Stefanie Dreese (SPD) nur zustimmen. Auch bin ich ein Verfechter der Impfungen. Aber ich bekomme ein ungutes inneres Gefühl, wenn ich diese vielen Ungereimtheiten sehe, die sich gerade in diesen Tagen auftun. Gerade jetzt, da eine offenbar weniger gefährliche Variante des Corona-Virus mit Macht durch unser Land rollen wird. Für mich bleibt das Gefühl, es soll eine „Durchseuchung durch die Hintertür“ stattfinden. Vielleicht wäre die ja auch richtig – und dennoch sollten wir uns alle impfen lassen, denn wer weiß, was noch kommt. Aber dann sollte es auch entsprechend kommuniziert werden.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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