30.000 Quadratmeter Möbelwelt:
Kontroverse um geplanten Höffner-Markt
In Schwerin steht ein Großprojekt vor der Entscheidung: Die Möbelkette Höffner plant in Krebsförden ein 30.000-Quadratmeter-Haus. Wirtschaft, Nachbargemeinden und Umweltschützer warnen. Die Stadt hält dagegen.

In Schwerin steht eine der größten Einzelhandelsinvestitionen der vergangenen Jahre kurz vor der Entscheidung, nicht ohne heftige Debatten. Die Berliner Möbelkette Höffner will im Stadtteil Krebsförden einen großflächigen Möbelmarkt mit bis zu 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche errichten. Das neue Haus soll 2028 eröffnet werden und wäre das 27. Möbelhaus des Unternehmens bundesweit. Doch der Widerstand wächst: Wirtschaftsvertreter, Nachbargemeinden und Umweltschützer warnen vor negativen Folgen für Handel, Verkehr und Natur.
Ein Möbelhaus der Superlative
Das Vorhaben betrifft das Gelände des ehemaligen Hammer-Marktes am Ellerried in Schwerin-Krebsförden, direkt gegenüber dem Sieben-Seen-Center. Dort herrscht seit Langem Leerstand. Der Höffner-Mutterkonzern – die Berliner Krieger-Gruppe – plant deshalb dort einen Neubau, der künftig der zentraler Möbelstandort in Westmecklenburg sein soll. Neben dem Möbelhaus soll zusätzlich ein Fachmarkt für Heimtextilien und Raumausstattung entstehen.
Die Fläche war bislang teilweise Teil des Landschaftsschutzgebietes „Siebendörfer Moor“. Um die Ansiedlung zu ermöglichen, änderte die Stadt Schwerin die Schutzgebietsverordnung. Die neue Regelung wurde im Juni 2025 bekannt gemacht. Der Bebauungsplan wurde daraufhin angepasst. Ob der Möbelmarkt am Ende kommen wird, hängt aber am Ende bei der Schweriner Stadtvertretung. Die finale Entscheidung über den sogenannten Satzungsbeschluss steht am 10. November 2025 auf der Tagesordnung der Stadtvertreter.
In der Beschlussvorlage heißt es, Ziel der Planung sei es, „die Einzelhandelslandschaft zu stärken, Kaufkraft in der Stadt zu binden und neue Impulse für die regionale Wirtschaft zu setzen“.
IHK warnt vor Verdrängungswettbewerb
Die Industrie- und Handelskammer zu Schwerin (IHK) sieht das anders. Hauptgeschäftsführerin Lisa Haus warnt gegenüber SNO vor „erheblichen Umsatzverlusten“ und einem „Verdrängungswettbewerb, der den Unternehmen in der Region um die Landeshauptstadt schaden wird“.
Die IHK bezieht sich auf die städtebauliche Wirkungsanalyse der Stadt sowie aktuelle Branchenreports von IBIS World. Diese Studien zeigten, dass die Möbelbranche bundesweit unter Druck stehe – und eine weitere Großansiedlung den Wettbewerb in der Region Schwerin zusätzlich verschärfen könnte. Besonders betroffen wären der XXXLutz-Markt in Pampow sowie Möbel Pfiff in Brüsewitz.
Laut der Kammer geht der Gutachter selbst von einer Umsatzverteilung von bis zu 21 Prozent in Pampow und minus 17 Prozent in Brüsewitz aus. Das seien Werte, „die die wirtschaftliche Stabilität bestehender Anbieter erheblich gefährden können“, so Haus.
Die IHK betont, dass sie ihre Bedenken bereits in früheren Planungsphasen geäußert habe. Allerdings habe die 2023 erfolgte Eröffnung des Sconto-Marktes – ebenfalls ein Unternehmen der Krieger-Gruppe – die Wettbewerbssituation verschärft. „Die aktuelle Marktentwicklung erfordert eine Neubewertung“, heißt es aus der Kammer.
Pampow sieht Bruch einer Vereinbarung aus den 1990er-Jahren
Auch die Gemeinde Pampow erhebt schwere Bedenken gegen die geplante Ansiedlung eines weiteren Möbelhauses am Sieben-Seen-Center. Sie verweist auf eine angebliche Vereinbarung aus den 1990er-Jahren, wonach in der Region nur ein großer Möbelmarkt bestehen dürfe – der heutige XXXLutz in Pampow. Ein zweiter Markt in Schwerin verstoße gegen diese Absprache, gefährde bestehende Standorte und widerspreche den Zielen der Raumordnung, heißt es in der Stellungnahme. Zudem kritisiert Pampow eine unzureichende Abstimmung zwischen den Kommunen, methodische Mängel in der Wirkungsanalyse und Eingriffe in das Landschaftsschutzgebiet „Siebendörfer Moor“.
Die Landeshauptstadt Schwerin weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Eine verbindliche Vereinbarung habe nie existiert, der Standort sei planungsrechtlich zulässig, an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und mit der Raumordnung vereinbar. Die Gutachten seien von der Landesplanung geprüft und bestätigt worden. Wettbewerbliche Nachteile für Pampow seien keine städtebaulichen, sondern marktübliche Folgen des Wettbewerbs. Nur der Punkt zum Landschaftsschutzgebiet wurde in der Abwägung berücksichtigt. Die Würzburger XXXL-Gruppe möchte sich auf SNO-Anfrage nicht äußern.
Brüsewitz sieht Wirtschaftskraft in Gefahr
Auch die Gemeinde Brüsewitz, rund 16 Kilometer vom geplanten Höffner-Standort entfernt, hat sich kritisch geäußert. In ihrer Stellungnahme warnt sie vor einem „spürbaren Einfluss auf die bestehende Einzelhandelsstruktur“. Durch die Ansiedlung eines weiteren Möbelriesen befürchte man einen relevanten Kaufkraftabfluss, der zu einem deutlichen Umsatzrückgang beim ortsansässigen Möbelhaus führen könne. Das wiederum könnte die kommunalen Einnahmen schmälern und die Investitionsfähigkeit der Gemeinde einschränken.
Zudem befürchtet Brüsewitz eine höhere Verkehrsbelastung auf den Hauptverkehrsachsen, insbesondere auf der B104, die Schwerin mit der Region verbindet.
Die Stadt Schwerin weist diese Bedenken zurück. In der Abwägung zur Stellungnahme betont sie, dass zwischen dem geplanten Höffner-Gelände und dem Gewerbegebiet Brüsewitz eine Entfernung von rund 16 Kilometern liege. Eine „unmittelbare Nähe“ bestehe also, aus Sicht Schwerins, nicht.
Auch wirtschaftlich sieht die Stadt keine dramatischen Auswirkungen. Zwar könne das Pfiff-Möbelhaus in Brüsewitz laut Gutachten bis zu 13 Prozent Umsatz verlieren, doch eine Gefährdung der Stabilität sei erst bei Verlusten über 20 Prozent zu erwarten. Die städtebauliche Verträglichkeitsanalyse weise zudem darauf hin, dass Brüsewitz trotz fehlender zentralörtlicher Funktion bereits heute ein überdurchschnittliches Kaufkraftaufkommen im Möbelhandel habe.
Die sogenannte Zentralität – also das Verhältnis von lokaler Kaufkraft zu den tatsächlich erzielten Umsätzen – liege für Brüsewitz bei 10,22, ein extrem hoher Wert. Selbst nach Errichtung des Höffner-Marktes würde dieser mit 8,91 weiterhin deutlich über dem Durchschnitt liegen. Das zeige, dass auch künftig Kaufkraftzuflüsse zu erwarten seien.
Mögliche Gewerbesteuerrückgänge seien nach Ansicht der Stadt ein „Risiko kommunaler Haushaltsführung“ und kein Aspekt, der im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigt werden könne. Auch die befürchteten Verkehrsprobleme wurden vom Straßenbauamt Schwerin überprüft – ohne Beanstandungen.
Pfiff kritisiert Gutachten und fehlende Abstimmung
Besonders deutlich fiel die Kritik des Möbelhauses Pfiff aus, das seinen Hauptsitz im rund 50 Kilometer entfernten Gägelow bei Wismar hat. In einer umfassenden Stellungnahme warnt das Unternehmen vor einer „strukturellen Wettbewerbsverzerrung“ zugunsten Schwerins und bezweifelt die Grundlage der städtebaulichen Wirkungsanalyse.
Pfiff argumentiert, dass ein bereits bestehendes Baurecht für ein 30.000 Quadratmeter großes Einrichtungshaus an der Graf-Yorck-Straße im Schweriner Süden in der Wirkungsanalyse nicht berücksichtigt worden sei. Für dieses Projekt liege seit 2016 ein Bauvorbescheid vor, ein Bauantrag sei 2021 gestellt worden. Das Vorhaben befinde sich in einem fortgeschrittenen Planungsstand und müsse daher als potenziell marktprägend in die Bewertung einfließen.
Zudem kritisiert Pfiff, dass die Bewertung zentrenrelevanter Sortimente unzureichend sei. Diese seien nur zulässig, wenn negative Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgeschlossen werden könnten. Eine solche Einzelfallprüfung fehle, insbesondere im Hinblick auf Wismar und Gägelow.
Weiter heißt es, das Projekt widerspreche den Zielen der Landes- und Regionalplanung sowie dem Grundsatz der interkommunalen Abstimmung. Das Regionale Einzelhandelsentwicklungskonzept sehe für den Standort Sieben-Seen-Center keine Ausweitung zentrenrelevanter Sortimente vor. Durch die geplante Erweiterung wachse die Möbelverkaufsfläche dort jedoch um 173 Prozent, während die ursprünglich vorhandene Nahversorgungsstruktur reduziert werde.
Pfiff warnt außerdem vor einer Konzentration des Möbelhandels in einer „isolierten Sonderlage“ ohne städtebauliche Einbindung. Das konterkariere die Ziele des integrierten Rahmenplans 2030, der eine flächendeckende wohnortnahe Grundversorgung sichern soll. Durch die Höffner-Ansiedlung würden gewachsene Zentralbereiche im Umland geschwächt und bestehende Handelsstandorte gefährdet.
Schließlich äußert Pfiff Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Verkehrsanbindung über die Grabenstraße. Für ein Möbelhaus dieser Größenordnung sei unklar, ob das bestehende Straßennetz den Mehrverkehr aufnehmen könne.
Stadt weist Kritik von Pfiff zurück
In der Abwägung entkräftet die Stadt Schwerin sämtliche Einwände. Sie argumentiert, dass das in der Stellungnahme erwähnte Bauvorhaben an der Ludwigsluster Chaussee/Am Grünen Tal nie realisiert wurde und auch kein aktives Investitionsinteresse bestehe. Der Bauantrag von 2021 sei aufgrund fehlender Unterlagen bislang nicht beschieden worden. Zudem habe das Forstamt Gädebehn die Genehmigung zur erforderlichen Waldumwandlung verweigert.
Zur Kritik an der Sortimentsbewertung heißt es, die Wirkungsanalyse habe mögliche Umsatzverteilungen bereits berücksichtigt. Für Gägelow sei eine Umverteilung von 6 Prozent ermittelt worden – deutlich unterhalb der Schwelle, bei der städtebauliche Auswirkungen zu befürchten seien.
Auch der Vorwurf mangelnder Abstimmung mit der Regionalplanung wird von der Stadt zurückgewiesen. Ein Möbelhaus sei kein zentrenrelevantes Sortiment und dürfe laut den Ansiedlungsregeln des Einzelhandelskonzepts an Sonderstandorten wie dem Sieben-Seen-Center angesiedelt werden. Der Bebauungsplan enthalte zudem eine textliche Festsetzung zur Beschränkung zentrenrelevanter Randsortimente, um schädliche Auswirkungen auf Innenstädte zu vermeiden.
Zur Frage der Verkehrserschließung verweist die Stadt auf ein Verkehrsgutachten von 2020, das bereits die Auswirkungen des Höffner- und Sconto-Marktes untersuchte. Danach seien im Vorfeld der Sconto-Eröffnung die erforderlichen Umbauten – eine neue Lichtsignalanlage und eine Linksabbiegespur – abgeschlossen worden. Das Straßenbauamt Schwerin habe keine weiteren Bedenken.
Die Stadt schlussfolgert, dass „keine negativen städtebaulichen Auswirkungen“ zu erwarten seien. Die Einwände des Möbelhauses Pfiff wurden daher nicht berücksichtigt. Eine SNO-Anfrage an Pfiff blieb unbeantwortet
Schwerin hält an Höffner-Planung fest
Die Schweriner Stadtverwaltung sieht im Projekt vor allem eine Chance. Nach Angaben aus dem Dezernat für Stadtentwicklung liegt der Fokus darauf, die Kaufkraftabflüsse aus der Landeshauptstadt zu stoppen. Rund 60 Prozent der Verkaufsflächen im Möbelsegment befinden sich derzeit im Umland, etwa in Pampow und Brüsewitz. In der Verwaltungsvorlage heißt es dazu:
„Für das Oberzentrum Schwerin besteht noch Entwicklungsspielraum für die Ansiedlung von Möbelmärkten.“
Die Stadt verweist auf den Zentralitätswert von 0,67, der einen deutlichen Kaufkraftverlust belege. Schwerin wolle diese Ströme wieder in die Stadt zurückholen. Das sei ein legitimes Ziel der kommunalen Entwicklungsplanung.
Weiter spricht die Stadt in der Beschlussvorlage von positiven Effekte für die Bauwirtschaft und den Arbeitsmarkt. Die KGG GmbH & Co. KG als Investor trage sämtliche Kosten – von der Planung über Fachgutachten bis zu Ausgleichsmaßnahmen und der Verkehrserschließung. Damit entstünden der Stadt keine unmittelbaren finanziellen Belastungen, wohl aber Chancen auf zusätzliche Gewerbe- und Grundsteuereinnahmen.
Umweltschützer schlagen Alarm
Ganz anders bewertet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Situation. Der Verband kritisiert, dass für das Bauvorhaben geschützte Moorflächen des Siebendörfer Moors überbaut werden sollen. Laut der städtischen Planung wurde die westliche Teilfläche aus dem Schutzgebiet herausgelöst, um Platz für den Möbelmarkt zu schaffen.
Ein Artenschutzbericht, der im Rahmen der Umweltprüfung erstellt wurde, weist zudem nach, dass das Gebiet Lebensraum der Zauneidechse (Lacerta agilis) ist. Mehrere Individuen wurden dort im Jahr 2020 nachgewiesen. Die Stadt hat daher Ausgleichsmaßnahmen beschlossen: Die Tiere sollen vor Baubeginn umgesiedelt werden, für sie wird eine neue Ausgleichsfläche bei Göhrener Tannen geschaffen.
Auch Fledermäuse, insbesondere Zwerg‑, Mücken- und Breitflügelfledermäuse, könnten betroffen sein. Laut Bericht seien aber keine erheblichen negativen Auswirkungen zu erwarten, wenn die vorgesehenen Maßnahmen eingehalten werden. Die Stadtverwaltung verweist in ihrer Umweltbewertung darauf, dass „keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen“ festgestellt wurden und das Projekt mit den Klimazielen Schwerins vereinbar sei.
Politische Mehrheit für das Projekt
Trotz der breiten Kritik deutet derzeit vieles darauf hin, dass das Vorhaben grünes Licht erhält. Alle drei zuständigen Fachausschüsse – Bauen, Stadtentwicklung und Umwelt – haben der Vorlage bereits zugestimmt. Auch der Hauptausschuss sprach sich positiv aus. Damit steht einer Annahme in der Stadtvertretung am 10. November kaum etwas im Wege.
Die Stadtverwaltung hat zudem empfohlen, die Stellungnahme der IHK nicht zu berücksichtigen. Sie argumentiert, dass die befürchteten wirtschaftlichen Risiken „Teil des unternehmerischen Wettbewerbs“ seien und nicht Gegenstand der kommunalen Bauleitplanung.
Wenn die Stadtvertretung am 10. November der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung zustimmt, könnte bereits 2026 der erste Spatenstich erfolgen. Schwerin bekäme dann mit Höffner ein neues Möbelhaus der Superlative. Ob das Projekt tatsächlich die versprochenen Impulse bringt oder am Ende mehr Schaden als Nutzen anrichtet, darüber dürfte noch lange gestritten werden.



