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Der Mann ohne Geld

(sr). Seit vier Jahren befindet sich Raphael Fellmer im »Geldstreik«. Er verdient keinen Cent und zahlt keinen Cent. Funktionieren kann das nur, weil andere Menschen Geld haben.   Samstag am

  • Veröffentlicht September 29, 2014
Raphael Fellmer mit Tochter Alma erzählt von einem Leben ohne Geld
Raphael Fellmer mit Tochter Alma erzählt von einem Leben ohne Geld

(sr). Seit vier Jahren befindet sich Raphael Fellmer im »Geldstreik«. Er verdient keinen Cent und zahlt keinen Cent. Funktionieren kann das nur, weil andere Menschen Geld haben.

 

Samstag am späten Nachmittag. Im Lebenszentrum Schwerin hat sich ein Gast angesagt, der eine sehr ungewöhnliche Geschichte zu erzählen hat. Seit vier Jahren befindet sich Raphael Fellmer im »Geldstreik«. Er hat weder einen Cent in der Tasche oder eine EC-Karte, noch hat er ein Konto. Fellmer verdient nichts und zahlt für nichts. Wie das im alltäglichen Leben funktionieren kann, darüber wollte der selbsternannte Weltverbesserer an diesem Tag berichten.   Da sitzt er nun, seine kleine Tochter auf dem Schoß, und berichtet erst einmal von der heutigen Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft, von über 50 Millionen Autos in Deutschland, die 23 Stunden am Tag still liegen würden und darüber, dass die Hälfte der Lebensmittel in Deutschland weggeschmissen werden. »Friede und Harmonie« und »eins mit der Natur werden – das ist die Utopie, die Fellner der »grausamen und schrecklichen Welt« entgegensetzen möchte. Mit einem breiten Lachen berichtet er dass er auch in dieser schier hoffnungslosen Lage nicht in gut und böse einteilen möchte. Viele Jahre hätte er genau das getan und nun habe er gelernt, dass auch er »Teil dieses Spiels« in der Welt ist.

Ganz ohne Geld geht es dann doch nicht

Ja aber, langsam wird es im Raum etwas ungeduldig, wie lebt es sich denn nun ohne Geld? Raphael Fellmer macht es spannend und berichtet erst einmal darüber, wie er vor vier Jahren, zusammen mit anderen Freunden, eine Reise von den Niederlanden nach Mexiko unternommen habe. Er wollte dort an der Hochzeit eines Freundes teilnehmen. Ohne einen Cent auszugeben, wollte er diese Reise hinter sich bringen.Fünf Monate dauerte die Reise und er habe gelernt, was es heißt sich ohne Geld durch das Leben zu schlagen. Erschreckt habe ihn das nicht. Etwa 500 Menschen, hätten die Reisenden in ihren Fahrzeugen mitgenommen und 1.000 weitere Menschen, haben zum Beispiel Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, den Weltenbummlern Essen gegeben oder anders unterstützt. Raphael Fellmer, so sagt er nun, habe auf diesem Trip viele Erfahrungen gemacht. Danach sei nichts mehr gewesen wie vorher. Seit dem befindet sich Fellmer im »Geldstreik«, wie er es bezeichnet. Konkret bedeutet das, dass er keinen einzigen Cent verdient und auch keinen einzigen Cent ausgibt. Mit seiner Frau Nieves und seiner Tochter Alma lebt er aber nicht etwa auf der Straße, sondern von Menschen die Geld haben. So würden andere Menschen seine Miete und die Nebenkosten bezahlen. Ganz aus dem Geldsystem, das muss Fellmer dann auch zugeben, kann er sich also doch nicht lösen.

 

Ein Leben ohne Geld ist möglich. Da ist sich Fellmer sicher
Ein Leben ohne Geld ist möglich. Da ist sich Fellmer sicher

So haben beispielsweise die Veranstalter in Schwerin seine Zugfahrkarte bezahlt. Auch seine Frau bezieht Kindergeld. Als Schmarotzer sieht sich Raphael Felmer aber trotzdem nicht. Vielmehr sind für Fellmer alle Anwesende im Raum, Teil einer Gesellschaft , die auf Kosten anderer leben. Mit den anderen meint Fellmer Menschen in Afrika und Lateinamerika, die dort um ihr Überleben kämpfen, während wir im maßlosen Überfluss leben. »Wir können nicht mehr weiter machen wir bisher«, da ist sich der Konsumverweigerer sicher. »Wenn alle Menschen auf unserem Planeten so leben würden wie in Europa, dann bräuchten wir vier Planeten wie die Erde«, glaubt Fellmer. Mit seinem Geldstreik möchte er deshalb ein Zeichen setzen und auf die achtlose Ressourcenverschwendung aufmerksam machen. Er möchte die Menschen zum Teilen animieren, worin er einen Weg zu einer besseren Welt sieht, an die Fellmer fest glaubt. Skepsis lässt er dabei nicht gelten. Veränderung fängt für ihm im Kopf an und »frei sein«, das sei ein langer Lernprozess. Streckenweise erinnerte der Habitus Fellmers dann auch an einen Wanderprediger, der Menschen zur Umkehr bewegen möchte. Überhaupt, scheint Fellmer mehr das Große und Ganze im Blick zu haben als die Möglichkeiten des Einzelnen, denen der Prediger im Namen der Achtsamkeit wenig Vertrauen entgegenbringt. Daher sei es für ihn völlig in Ordnung, wenn er auch mal von seiner selbstgewählten Linie abweichen würde. Es gehe nicht darum, dass er Spuren hinterlasse, sondern dass die Welt umdenke. Spätestens an dieser Stelle hat man den Eindruck, dass es hier sehr stark um Ideologie geht.

Gehen wir achtsam mit der Welt um

Allerdings, dafür hat der Abend noch einmal sensibilisiert, sind wir alle gefordert, achtsam mit einer Welt umzugehen, die ein Geschenk ist und die wir auch an unsere Kinder weitergeben möchten. Darauf macht Fellmer aufmerksam und man nimmt ihm ab, dass ihn diese Sorge umtreibt. »Brauchen wir wirklich alle unser eigenes Wlan-Netz oder können wir es uns besser teilen? Brauchen wir alle wirklich ein eigenes Auto oder können wir uns eines teilen? Braucht jeder von uns seinen eigenen Drucker, Scanner, Beamer? Wäre es nicht sinnvoller zu teilen?«. Das sind sicherlich Fragen, die zum Nachdenken anregen.   Fellmer selber, engagiert sich aber auch ganz praktisch für eine bessere Welt, die er für möglich hält. So hat er zusammen mit weiteren Mitstreitern die Plattform www.footsharing.de gegründet, auf der das Prinzip teilen ganz konkret gelebt wird. So sammeln die Aktivisten in Läden überschüssige Lebensmittel ein, die sonst in der Tonne landen würden. Freunde, Bekannte und Bedürftige freuen sich über diese Aktion, und nicht zuletzt profitieren auch die Läden selber von diesem Engagement.   Ob aber am Ende eine geldfreie Welt, in der man teilt statt besitzt, funktionieren kann, davon sind an diesem Abend dann doch die wenigsten Teilnehmer überzeugt. Raphael Fellmer hingegen ist sich sicher, dass Geld schon in zehn Jahren nicht mehr die Rolle spielen wird wie heute. Er selber möchte dann aber nicht mehr in Deutschland leben. Im Süden Europas, so der große Traum des Weltverbesserers, soll dann ein schulfreies veganes Ökodorf im Zeichen der Nachhaltigkeit und der Selbstversorgung entstanden sein. Gut 600 Interessenten würden Fellmer in diesen Traum folgen. Er selber möchte sich aber nur mit 150 Menschen auf den Weg machen. Einen Namen für das Dorf hat Fellmer auch schon – »Eotopia« soll es einmal heißen.

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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