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Die Pflege fordert die Kommune heraus

Der bundesweite Pflegenotstand macht auch vor Schwerin nicht halt. Obwohl seit Jahren abzusehen ist, dass sich die Situation verschärfen wird, lassen geeignete Gegenmaßnahmen auf sich warten. Oberbürgermeister Rico Badenschier hat

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  • Veröffentlicht Juli 3, 2019
Der Pflegebe­darf in Schw­erin wird in den näch­sten Jahren größer.

„Schw­erin ist nach unserem Ein­druck mit Pflege­plätzen unter­ver­sorgt. Das grund­sät­zlich und im Beson­deren für Demen­z­erkrank­te.”, sagt UB-Frak­tion­schef Sil­vio Horn. Hin­ter­grund sein­er Fest­stel­lung ist eine entsprechende Anfrage an Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD), die die Unab­hängi­gen Bürg­er vor einiger Zeit gestellt hat­ten. 

Die Frak­tion wollte ins­beson­dere wis­sen, wie viele Pflege­heime Schw­erin hat? Wie viele Wohnge­mein­schaften für Pflegebedürftige es gibt und wie viele Anträge auf Hil­fe zur Pflege seit 2017 gestellt wur­den? Ein weit­er­er Schw­er­punkt der Anfrage, war die Pfle­ge­si­t­u­a­tion für Men­schen, die an Demenz erkrankt sind in der Stadt. Die Ergeb­nisse lassen aufhorchen. 

 

Zunehmender Bedarf

 

Ins­ge­samt gibt es in Schw­erin 14 sta­tionäre Ein­rich­tun­gen mit 1 419 Plätzen. Ob dieser Bedarf aus­re­icht, dass wird im Moment nach Angaben von Baden­schi­er geprüft. Im Rah­men der Fortschrei­bung der Pflege­sozialpla­nung der Lan­deshaupt­stadt wird die jet­zige Pflegestruk­tur auf den Prüf­s­tand gestellt. Ab August sollen deshalb the­men­be­zo­gene Work­shops mit Experten durchge­führt wer­den. Darüber hin­aus, so Baden­schi­er, soll es Zusatzbe­fra­gun­gen mit Pflegean­bi­eter und zum Betreuten Wohnen geben. Das Ergeb­nis soll dann im ersten Quar­tal 2020 veröf­fentlicht wer­den. 

Für die Unab­hängi­gen Bürg­er ist das Ergeb­nis alles andere als zufrieden­stel­lend. „Bere­its die let­ze Pflege­sozialpla­nung der Stadt aus dem Jahr 2015 hat­te aufgezeigt, dass auch die Bedarfe zunehmen wer­den.”, sagt Sil­vio Horn. Auch ärg­ert ihn dass Ober­bürg­er­meis­ter Baden­schi­er in sein­er Antwort den Stand­punkt ver­tritt, dass  der „Pflege­markt” sich unter dem Pri­mat der Wirtschaftlichkeit neu geord­net habe und die kom­mu­nalen Steuerungsmöglichkeit­en nur begren­zt seien. „Das ist als Begrün­dung für die Unter­ver­sorgung nicht aus­re­ichend und kommt einem Offen­barung­seid gle­ich. Vielmehr beste­ht aus der staatlichen Daseinsvor­sorge drin­gen­der Hand­lungs­be­darf, für den wir die Stadtver­wal­tung  planer­isch im Verzug sehen.”, so Horn. 

Ober­bürg­er­meis­ter Baden­schi­er hat­te darauf hingewiesen, dass die Rah­menbe­din­gun­gen für die Erbringung sozialer Dien­stleis­tun­gen sich seit der Ein­führung der Pflegev­er­sicherung kon­tinuier­lich gewan­delt haben. Ins­ge­samt ori­en­tieren sich die Dien­stleis­ter heute stärk­er an den Mark­tbe­din­gun­gen als früher. Öffentliche Sub­ven­tion­ierun­gen unter­schiedlich­er Ange­bots­for­men, die es früher ein­mal gegeben hat, seien heute weitest­ge­hend been­det wor­den. Die Ver­sorgung sei heute durch die „Dynamik von Ange­bot und Nach­frage und unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit geregelt.” 

 

Angebote nicht ausreichend

 

Für die Unab­hängi­gen Bürg­er kommt die Fortschrei­bung der Pflege­sozialpla­nung deut­lich zu spät. „Wed­er die baulichen Ein­rich­tun­gen und erst recht nicht das qual­i­fizierte Fach­per­son­al kann man von heute auf mor­gen aus dem Hut zaubern. „, gibt der UB-Frak­tion­schef zu bedenken. 

Beson­der­er Hand­lungs­be­darf beste­ht im Moment in Schw­erin im Bere­ich der Pflege von demen­z­erkrank­ten Men­schen. Momen­tan bietet nur die sta­tionäre Pflegeein­rich­tung Lankow eine eigene Wohn­form für Demen­zkranke an. Für die Unter­bringung ist ein richter­lich­er Beschluss Voraus­set­zung. Sechs weit­ere sta­tionäre Ein­rich­tun­gen bieten in Schw­erin eine inte­gri­erte Betreu­ung demen­z­erkrank­ter Men­schen an. Drei weit­ere Ein­rich­tun­gen, so schreibt der Ober­bürg­er­meis­ter, wür­den eine seg­regierte Betreu­ung für demen­zkranke Bewohn­er anbi­eten. Diese Zahlen stam­men aus ein­er Befra­gung von Pflegean­bi­etern in Rah­men der Pflege­sozialpla­nung 2015. 

Der Anteil von Demen­z­erkrank­ten und weit­eren Erkrankun­gen des Alzheimer­typs ist in den let­zten 15 Jahren bun­desweit kon­tinuier­lich gestiegen. Nach Erhe­bun­gen des Sta­tis­tis­chen Lan­desamtes M‑V  in unserem Land um rund 20 Prozent. „Dieser Befund ist also nicht neu, son­dern kann bei den ver­ant­wortlichen Plan­ern in der Stadtver­wal­tung als bekan­nt voraus­ge­set­zt wer­den.”, sagt Horn. Unter diesem Aspekt seien die Ange­bote alles andere als aus­re­ichend.  Für jün­gere demen­z­erkrank­te Pflegebedürftige um die 60 Jahre existiert gar kein geeignetes sta­tionäres Pflegeange­bot. Bere­its die let­zte Pflege­sozialpla­nung der Stadt aus dem Jahr 2015 hat­te aufgezeigt, dass auch in Schw­erin die Bedarfe zunehmen wer­den.

Auch für Dr. Sabine Bank, die eben­falls für die UB in der Stadtvertre­tung sitzt, reichen die Antworten des Ober­bürg­er­meis­ters nicht aus.  Baden­schi­er müsse hier stärk­er gegen­s­teuern nicht lediglich auf eine noch fortzuschreibende Pflege­sozialpla­nung hin­weisen. „Das hil­ft wed­er den Betrof­fe­nen noch deren Ange­höri­gen, die hän­derin­gend nach Plätzen suchen. Auch Koop­er­a­tio­nen mit den Land­kreisen von Schw­erin sind für uns ein denkbar­er Lösungsansatz“, so Bank. 

Das The­ma Pflege wird Schw­erin in den kom­menden Jahren vor große Her­aus­forderun­gen stellen. Bun­desweit kann man seit Jahren den Trend der Zunahme der Pflegebedürftigkeit fest­stellen. Dazu kommt das Prob­lem geeignete Fachkräfte für die Ein­rich­tun­gen zu find­en. Der sich immer mehr abze­ich­nende Pflegenot­stand macht auch vor Schw­erin nicht halt. Antworten wer­den drin­gend benötigt.