„Schwerin ist nach unserem Eindruck mit Pflegeplätzen unterversorgt. Das grundsätzlich und im Besonderen für Demenzerkrankte.“, sagt UB-Fraktionschef Silvio Horn. Hintergrund seiner Feststellung ist eine entsprechende Anfrage an Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD), die die Unabhängigen Bürger vor einiger Zeit gestellt hatten.
Die Fraktion wollte insbesondere wissen, wie viele Pflegeheime Schwerin hat? Wie viele Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige es gibt und wie viele Anträge auf Hilfe zur Pflege seit 2017 gestellt wurden? Ein weiterer Schwerpunkt der Anfrage, war die Pflegesituation für Menschen, die an Demenz erkrankt sind in der Stadt. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.
Zunehmender Bedarf
Insgesamt gibt es in Schwerin 14 stationäre Einrichtungen mit 1 419 Plätzen. Ob dieser Bedarf ausreicht, dass wird im Moment nach Angaben von Badenschier geprüft. Im Rahmen der Fortschreibung der Pflegesozialplanung der Landeshauptstadt wird die jetzige Pflegestruktur auf den Prüfstand gestellt. Ab August sollen deshalb themenbezogene Workshops mit Experten durchgeführt werden. Darüber hinaus, so Badenschier, soll es Zusatzbefragungen mit Pflegeanbieter und zum Betreuten Wohnen geben. Das Ergebnis soll dann im ersten Quartal 2020 veröffentlicht werden.
Für die Unabhängigen Bürger ist das Ergebnis alles andere als zufriedenstellend. „Bereits die letze Pflegesozialplanung der Stadt aus dem Jahr 2015 hatte aufgezeigt, dass auch die Bedarfe zunehmen werden.“, sagt Silvio Horn. Auch ärgert ihn dass Oberbürgermeister Badenschier in seiner Antwort den Standpunkt vertritt, dass der „Pflegemarkt“ sich unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit neu geordnet habe und die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten nur begrenzt seien. „Das ist als Begründung für die Unterversorgung nicht ausreichend und kommt einem Offenbarungseid gleich. Vielmehr besteht aus der staatlichen Daseinsvorsorge dringender Handlungsbedarf, für den wir die Stadtverwaltung planerisch im Verzug sehen.“, so Horn.
Oberbürgermeister Badenschier hatte darauf hingewiesen, dass die Rahmenbedingungen für die Erbringung sozialer Dienstleistungen sich seit der Einführung der Pflegeversicherung kontinuierlich gewandelt haben. Insgesamt orientieren sich die Dienstleister heute stärker an den Marktbedingungen als früher. Öffentliche Subventionierungen unterschiedlicher Angebotsformen, die es früher einmal gegeben hat, seien heute weitestgehend beendet worden. Die Versorgung sei heute durch die „Dynamik von Angebot und Nachfrage und unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit geregelt.“
Angebote nicht ausreichend
Für die Unabhängigen Bürger kommt die Fortschreibung der Pflegesozialplanung deutlich zu spät. „Weder die baulichen Einrichtungen und erst recht nicht das qualifizierte Fachpersonal kann man von heute auf morgen aus dem Hut zaubern. „, gibt der UB-Fraktionschef zu bedenken.
Besonderer Handlungsbedarf besteht im Moment in Schwerin im Bereich der Pflege von demenzerkrankten Menschen. Momentan bietet nur die stationäre Pflegeeinrichtung Lankow eine eigene Wohnform für Demenzkranke an. Für die Unterbringung ist ein richterlicher Beschluss Voraussetzung. Sechs weitere stationäre Einrichtungen bieten in Schwerin eine integrierte Betreuung demenzerkrankter Menschen an. Drei weitere Einrichtungen, so schreibt der Oberbürgermeister, würden eine segregierte Betreuung für demenzkranke Bewohner anbieten. Diese Zahlen stammen aus einer Befragung von Pflegeanbietern in Rahmen der Pflegesozialplanung 2015.
Der Anteil von Demenzerkrankten und weiteren Erkrankungen des Alzheimertyps ist in den letzten 15 Jahren bundesweit kontinuierlich gestiegen. Nach Erhebungen des Statistischen Landesamtes M-V in unserem Land um rund 20 Prozent. „Dieser Befund ist also nicht neu, sondern kann bei den verantwortlichen Planern in der Stadtverwaltung als bekannt vorausgesetzt werden.“, sagt Horn. Unter diesem Aspekt seien die Angebote alles andere als ausreichend. Für jüngere demenzerkrankte Pflegebedürftige um die 60 Jahre existiert gar kein geeignetes stationäres Pflegeangebot. Bereits die letzte Pflegesozialplanung der Stadt aus dem Jahr 2015 hatte aufgezeigt, dass auch in Schwerin die Bedarfe zunehmen werden.
Auch für Dr. Sabine Bank, die ebenfalls für die UB in der Stadtvertretung sitzt, reichen die Antworten des Oberbürgermeisters nicht aus. Badenschier müsse hier stärker gegensteuern nicht lediglich auf eine noch fortzuschreibende Pflegesozialplanung hinweisen. „Das hilft weder den Betroffenen noch deren Angehörigen, die händeringend nach Plätzen suchen. Auch Kooperationen mit den Landkreisen von Schwerin sind für uns ein denkbarer Lösungsansatz“, so Bank.
Das Thema Pflege wird Schwerin in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen stellen. Bundesweit kann man seit Jahren den Trend der Zunahme der Pflegebedürftigkeit feststellen. Dazu kommt das Problem geeignete Fachkräfte für die Einrichtungen zu finden. Der sich immer mehr abzeichnende Pflegenotstand macht auch vor Schwerin nicht halt. Antworten werden dringend benötigt.