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Diskussion um Wildtierverbot und Löwenangriff begleitet Zirkusgastspiel

Seit Mittwoch heißt es in Schwerin wieder „Manege frei“. Der Zirkus ist in der Stadt, und nicht nur irgendein Zirkus. Mit Zirkus Charles Knie gastiert einer der Großen seiner Branche

  • Veröffentlicht April 9, 2018
Auftritt des Zirkus Knie in Schwerin
Foto: Dario Rochow | Schwerin-Lokal.de

Seit Mittwoch heißt es in Schwerin wieder „Manege frei“. Der Zirkus ist in der Stadt, und nicht nur irgendein Zirkus. Mit Zirkus Charles Knie gastiert einer der Großen seiner Branche in der Stadt. Der in Monte Carlo im Jahre 2017 preisgekrönte Zirkus Charles Knie gastiert noch bis morgen in Schwerin. „Große Unterhaltung für alle Genrationen und alle Altersklassen, dabei jung und modern mit vielen Gags und Überraschungen“, so beschreibt der Pressesprecher des Zirkus Charles Knie, Patrick Adolph(50), den Erfolgscocktail, den eine  Zirkusshow braucht, um beim Publikum zu punkten.

Allerdings melden sich auch die Gegner von Zirkusvorstellungen mit Wildtieren zu Wort. So kritisierte die Tierrechtsorganisation PETA schon gleich bei Ankunft des Zirkus in Schwerin die Vorstellung. In einer verbreiteten Pressemitteilung wirft die Organisation dem Zirkus vor, dass dieser die Tiere einer „Stresstournee“ aussetzen würde. Bei der aktuellen Tour verbringt Zirkus Charles Knie im Schnitt lediglich vier Tage an einem Ort – mit nur einem Tag Pause zwischen den Gastspielen.

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Landeshauptstadt scheiterte mit Wildtierverbot

Schon 2016 hatte die Stadtvertretung beschlossen, dass Zirkusse mit Wildtieren in Schwerin nicht mehr auftreten dürfen. Später wurde dieser Beschluss allerdings vom Verwaltungsgericht in Schwerin für nichtig erklärt. Das Gericht ging in ihrer Entscheidung davon aus, dass eine Beschränkung der Nutzung des Festplatzes unter Verweis auf den von der Landeshauptstadt Schwerin gefassten Beschluss rechtswidrig ist. Einem reisenden Zirkusunternehmen, das über eine tierschutzrechtliche Erlaubnis zum Mitführen von Wildtieren verfüge, könne die Überlassung kommunaler Flächen nicht im Rahmen von Benutzungsregeln aus tierschutzrechtlichen Gründen versagt werden. Dieser Auffassung schloss sich dann auch das Oberverwaltungsgericht in Greifswald an.

Für Silvio Horn von den Unabhängigen Bürgern (UB) – die damals maßgeblich den Beschluss der Stadtvertretung durchgesetzt hatten –  bleibt es trotzdem unbestritten, dass jeder Auftritt eines Zirkusses mit Wildtieren in der Stadt ein „herber Rückschlag für den Tierschutz“ ist. Für den Kommunalpolitiker ist klar, dass Tierdressuren ausschließlich der Bespaßung von Menschen, nicht dem Tierwohl, dienen. Was dort passiert, sei für die Tiere vollkommen artfremd und werden überwiegend unter Zwang und schmerzhaften Dressurmethoden den Tieren beigebracht.

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Ebenso kritisiert Horn die langen Reisewege, die die Tiere zurücklegen müssten. „Tiere müssen permanent von einem Ort zum anderen reisen, denn Zirkusse sind nun mal reisende Gewerbebetriebe; stundenlange Fahrten in Transportboxen führen zu Stress und sind ebenso wenig artgerecht, wie die Dressur.“, so Horn. 

Von den anderen Fraktionen wünscht sich Silvio Horn ein größeres Engagement. So ist es für den UB-Fraktionsvorsitzender unverständlich, dass es beim Beschluss eines Wildtierverbots für Schwerin eine große Mehrheit in der Stadtvertretung gegeben hat, man aber dann nach den Gerichtsentscheidungen eingeknickt ist. So hatten die Unabhängigen Bürger im November letzten Jahres beantragt, ein Wildtierverbot auf ordnungsrechtlichem Wege durchzusetzen.  Mit dem Verbot sollte den Gefahren, die mit der Haltung dieser Tierarten in mobilen Einrichtungen einhergehen, Rechnung getragen werden. Bereits geschlossene Verträge oder Zusagen sollten aufrecht erhalten werden. Lediglich die Unabhängigen Bürger und die Grünen hatten für diesen Antrag gestimmt. Die anderen Fraktionen lehnten dieses Ansinnen ab.

Im Durchschnitt 40 Kontrollen pro Jahr

Für den Pressesprecher des Zirkus Knie, Patrick Adolph sind die Argumente der Auftrittsgegner inzwischen Routine. Überall, wo der Zirkus auftritt, ist Adolph mit Gegenwehr konfrontiert.  „Trotz umfassender Recherche konnten keine unabhängigen Studien gefunden werden, die belegen, dass es sich bei der Haltung von ‚Wildtieren‘ im Zirkus nicht nur in Einzelfällen um Tierquälerei handelt beziehungsweise das Wohl der Tiere beeinträchtigt ist.“, so Adolph. Weiter weist der Pressesprecher darauf hin, dass Zirkus Charles Knie branchenweit als „vorbildlicher Tierhaltungsbetrieb“ gelte. Auch gäbe es kaum Betriebe in Deutschland, die so genau kontrolliert werden wie Zirkusse. „Im Durchschnitt über 40 Mal werden wir im Jahr kontrolliert.“, so Adolph. Bevor hier in Schwerin die Vorstellung starten konnte, sei ein Veterinär dagewesen und hätte die Tiere untersucht. Beanstandungen habe es nicht gegeben.

Löwin griff Dompteur an

Wortkarger gibt sich der Pressesprecher aber über einen Vorfall, der sich am 31. März in Stendal ereignete. Während einer Vorstellung dort, wurde Dompteur Alexander Lacey  von einer Löwin angegriffen und durch einen Prankenhieb und Bisse schwer verletzt. Nachdem die Löwin aus dem Käfig geführt wurde, beendete er die Vorstellung. Für den Zirkus kommt dieser Unfall zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Hatte man im Vorfeld doch vor allem mit dem „Weltstar“ Lacey kräftig Werbung gemacht. Dementsprechend versucht der Zirkus den Vorfall herunterzuspielen. „Es ist nur eine geringfügige Verletzung an der Hand“, sagt Adolph.

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Dass der Dompteur allerdings mehrere Tage im Stendaler Krankenhaus verbringen musste, lässt Raum für Spekulationen offen. PETA wundert sich über den Unfall nicht. „Unfälle mit gefährlichen Tieren wie Tigern sind im Zirkus vorprogrammiert. Sowohl die lokalen Ordnungsbehörden als auch Zirkusangestellte handeln grob fahrlässig, denn die Gefahrenproblematik ist seit Jahren bekannt“, so Dr. Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei PETA. „Jedem Zirkusbesucher sollte klar sein, dass verhaltensgestörte Tiger, die ihr Leben lang mit der Peitsche zum Gehorsam gezwungen werden, unberechenbar sind.“

In einer Broschüre dokumentieren Gegner des Zirkusbetriebs Unfälle und Ausbrüche von Wildtieren wie Elefanten, Tigern oder Bären aus deutschen Zirkusbetrieben. Insgesamt kam es, nach Angaben der Verfasser, zwischen 2009 und 2017 zu mindestens 46 Ausbrüchen von Bären, Elefanten, Flusspferden, Großkatzen, Nashörnern und Primaten aus Zirkusbetrieben in Deutschland. Dabei wurden Menschen getötet und verletzt. EU-weit ist Deutschland sogar das Land mit den mit Abstand häufigsten Zwischenfällen mit Tieren aus Zirkussen.

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Auch der Bundesrat verweist in seiner Entschließung für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus aus dem Jahr 2016 auf die Gefahrensituation: „Ferner sind vermehrte Zwischenfälle mit den genannten Tierarten und Ausbrüche von Zirkustieren augenfällig, die auch die Bevölkerung immer wieder gefährden.“ Einen Grund dafür sieht die Länderkammer darin, dass die „eigentlich notwendige Einrichtung von ausreichend großen, ausbruchsicheren und artgerecht ausgestatteten Gehegen […] mit der Notwendigkeit zur fortwährenden Mobilität“ kollidiert. Zuletzt starb im August 2017 in Brandenburg ein Autofahrer nach einer Kollision mit zwei Wildrindern, die zuvor aus einem Zirkusgehege ausbrachen.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestag hingegen kommt in seinem Bericht zu einem anderen Ergebnis. „Trotz umfassender Recherche konnten keine unabhängigen Studien gefunden werden, die belegen, dass es sich bei der Haltung von „Wildtieren“ im Zirkus nicht um Einzelfälle um Tierquälerei handelt bzw. das Wohl der Tiere beeinträchtigt ist.“

Das offenbart am Ende das Dilemma der gesamten Debatte. Wer in die Pro und Contra-Diskussion über Wildtiere im Zirkus einsteigt, der merkt schnell, wie festgefahren sich beide Lager inzwischen gegenüberstehen. Das macht eine sachorientierte Diskussion leider schwer. Vieles baut auf Emotionen auf – wenig lässt sich am Ende belegen.

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

1 Comment

  • Erst einmal es gibt keine Bären und Primaten in deutschen Circussen. Mich würde interessieren wo diese Bilder und Artikel herstammen, da auch über Ausbrüche ebendiese Tiere nichts gefunden werden kann.

    Herr Horn sollte besser recherchieren über was er urteilt. Dressuren richten sich ausschließlich an natürlichen Bewegungsabläufen, das ist für Circusunternehmen gesetzlich geregelt.

    Wer glaubt eine knallende Kunststoffpeitsche könnte einen 300kg schweren Löwen aufhalten, sollte petas hetzkampagnen doch mal überdenken.

    Und warum gibt es noch Metzger, Reitsport, Blindentiere und Haustiere? Wo fängt Tierrecht an und wo hört diese „Qual“ auf?

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