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Erneut Risiken bei maßnahmenbedingter Schließung

Spätestens seitdem in Mecklenburg-Vorpommern 2G plus für Gastronomie, Hotellerie, Solarien, Kino und  weitere Bereiche des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens gilt, sind Unternehmerinnen und Unternehmer mit teilweise dramatischen Umsatzrückgängen konfrontiert. Anders

  • Veröffentlicht Januar 8, 2022
Auch in Schwerin haben Unternehmen bereits aufgrund der Corona-Maßnahmen vorübergehend geschlossen. | Foto: privat

Spätestens seitdem in Mecklenburg-Vorpommern 2G plus für Gastronomie, Hotellerie, Solarien, Kino und  weitere Bereiche des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens gilt, sind Unternehmerinnen und Unternehmer mit teilweise dramatischen Umsatzrückgängen konfrontiert. Anders als 2020, als zumindest für Gastronomie und Hotellerie aufgrund der Lockdown-Zwangsschließungen die doch recht stattliche „Novemberhilfe“ floss, stellte der Bund zum Zeitpunkt der 2G plus-Einführung in M-V lediglich die s.g. Überbrückungshilfe zur Verfügung. Diese war – und ist – mit Mitwirkungs- wie auch Schadenminderungspflichten der Unternehmerinnen und Unternehmer verbunden. Speziell letztere stellte aber viele vor ein Problem. Denn, so bestätigte es seinerzeit auch ein Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber unserer Redaktion, eine situationsbedingt „freiwillige“ Schließung passte nicht in das Konzept der Schadenminderungspflicht. Damit standen beispielsweise Gastronomen vor dem Problem, dass sie an sich Tag für Tag öffnen und damit Personal sowie Ware vorhalten mussten, obwohl kaum noch Gäste kamen.

 

Schon zur Beginn von 2G plus Unsicherheit bei maßnahmenbedingten Schließungen

Dies produzierte durchaus vermeidbare Verluste. Wer aber aufgrund dieser Situation „freiwillig“ schloss, lief Gefahr, eben der Schadenminderungspflicht nicht nachzukommen und somit keine Hilfen zu erhalten. Klare Worte kamen damals auch von Lars Schwarz, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) in Mecklenburg-Vorpommern. „Diese Situation ist das wiederholte Beispiel dafür, wie Realität und Gesetzgebung sich widersprechen und Unternehmer kopfschüttelnd und fassungslos zurücklassen. Es kann doch nicht sein, dass wir verpflichtet sind, Schaden zu minimieren, und wenn wir dies, beispielsweise durch eine vorübergehende Schließung, dann auch tun, wir noch Gefahr laufen, die Hilfsgelder zu verlieren. Das ist leider typisch für die Coronapolitik. 2G plus bedeutet praktisch einen Lockdown für die Branche. Wenn die Politik jetzt aber nicht auch zu den Folgen ihrer eigenen Maßnahmen steht, dann ist das dramatisch“, so Schwarz Anfang Dezember 2021 gegenüber unserer Redaktion.

Mitte Dezember, also gut drei Wochen nach Einführung von 2G plus in Mecklenburg-Vorpommern, präzisierte der Bund dann, auch auf Druck der DEHOGA M-V, schließlich die Regelungen. Maßnahmenbedingte Schließungen und Schadenminderungspflicht standen sich nun nicht mehr störend gegenüber. So heißt es auf den Seiten des Bundesministeriums: „Unternehmen, die im Zeitraum 1.11. bis 31.12.2021 wegen behördlich angeordneter Corona-bedingter Einschränkungen wie z. B. der 3G- oder 2G-Regel, oder vergleichbarer Maßnahmen […] ihre Öffnungszeiten stark reduzieren oder gar freiwillig schließen, weil eine Aufrechterhaltung des Betriebs unwirtschaftlich wäre, können Überbrückungshilfe III Plus beantragen.“

 

Seit 1. Januar wieder keine abschließende Klarheit 

Und genau dieser Satz zeigt auch schon das nun neuerliche Problem auf. Denn mit dem Ende des vergangenen Jahres lief auch diese Sonderregelung aus. Nun gilt die Überbrückungshilfe IV. Und zu dieser gibt es bislang keine entsprechende Regelung. Die Nachfrage eines Unternehmers bei der für die antragstellenden Unternehmen eingerichteten Bundes-Hotline (030-120021031) erbrachte ein bemerkenswertes Ergebnis. Denn dort erhielt er nur die Antwort, er solle sich mit solchen Detailfragen an seinen Steuerberater wenden. Und die entsprechenden Informationen des Ministeriums durchlesen. Für Details wie diese sei die Hotline nicht da. Kurz zusammengefasst: Es handelt sich um eine eigens eingerichtete Hotline, an die sich antragstellende Unternehmerinnen und Unternehmer bei konkreten Fragen wenden sollen. Für Details aber fühlt man sich dort nicht zuständig und wimmelt die Anrufer ab.

Wir fragten daher bei der Hotline für prüfende Dritte (Steuerberater etc.) nach. Dort erhielten wir eine professionelle Aussage. Diese aber war ernüchternd. Nein, eine Fortführung der Regelung über den 31.12.2021 hinaus bestehe derzeit nicht. Damit bestünde – rein formal – nun wieder die Gefahr, dass bei „freiwilliger“ Schließung keine Überbrückungshilfe fließt. Erneut wandten wir uns an Lars Schwarz (DEHOGA M-V) und fragten nach, wie der Verband diese Situation einschätzt. Er bestätigte zwar diese derzeit nicht abschließend geklärte Situation. Allerdings geht Schwarz zu praktisch 100 Prozent davon aus, dass die Regelung nachträglich über den 31.12.2021 hinaus fortgeschrieben werde. „Alles andere wäre überhaupt nicht nachvollziehbar.“

 

Schließung kann Probleme für Kurzarbeitergeld bedeuten

Lars Schwarz, Präsident DEHOGA M-V | Foto: DEHOGA M-V

Damit dürften so manche Unternehmerinnen und Unternehmer – nicht nur im Gastronomie- und Hotelgewerbe – aufatmen. Allerdings ist die Situation mit einem „Aber“ verbunden. Darauf machte Lars Schwarz aufmerksam. Einerseits, dies nur am Rande, seien die Unterstützungen der Überbrückungshilfe IV in einigen Punkten schlechter als die der vorangegangenen Hilfe III plus. Beispielsweise würden nur noch 90 Prozent der laufenden Fixkosten übernommen. Nicht mehr 100. Und das, obwohl die Bundesregierung stets erklärt, man habe die Regelung „fortgeschrieben“. Dass man sie zeitgleich auch umgeschrieben und die Unternehmen dabei schlechter gestellt hat, darüber schweigt die Ampelkoalition. Aber das ist nicht das primäre Problem, auf das Lars Schwarz hinwies. Denn wer maßnahmenbedingt schließt, laufe Gefahr in eine Falle beim Kurzarbeitergeld zu geraten. Wurde dieses im Lockdown 2019/20 nahezu problemlos gezahlt, da Zwangsschließungen erfolgten, bewertet die Bundesagentur die Situation nun etwas differenzierter. Es gäbe, so Schwarz, durchaus Bescheide, in denen „freiwillige“ Schließungen von Zahlungen ausgeschlossen sind.

Wer also bereits einen laufenden Bescheid hat und nun freiwillig schließen „möchte“, sollte noch einen Blick in den aktuellen Bescheid werfen und gegebenenfalls das Gespräch mit der Bundesagentur suchen. Für Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Schließung Kurzarbeitergeld beantragen möchten, empfiehlt Schwarz ebenfalls dieses Vorab-Gespräch. Wichtig sei auch zu beachten, dass allein ein Umsatzrückgang nicht als Grund für eine Gewährung des Kurzarbeitergeldes ausreicht. Es müsse die erbringbare Arbeitsleistung deutlich reduziert sein.

Schwarz fordert Kompatibilität von Unterstützungsprogrammen

Und auch manch weitere Detailfrage gilt es zu beachten, um nicht einen ablehnenden Bescheid zu erhalten. Eine schwierige Situation also, denn selbst wenn die Schließung aus Sicht der Überbrückungshilfen voraussichtlich möglich bleibt, besteht die Problematik beim Kurzarbeitergeld. „In engem und konstruktivem Kontakt zur Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben wir gemeinsam nach kurzfristigen Lösungen gesucht. Allerdings gibt der bestehende Rechtsrahmen der BA an dieser Stelle lediglich einen engen Spielraum vor. Es ist nicht nachvollziehbar, warum mit Blick auf die staatlichen Überbrückungshilfen genau jene freiwillige Schließung möglich ist und bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld genau dieser Fakt eine nahezu unüberwindbare Hürde darstellt“, moniert der DEHOGA MV-Präsident, der eine Kompatibilität der Programme fordert.

Die DEHOGA hat im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeldes aufgrund dieser Detailfragen einen Fragebogen entwickelt, der antragstellende Unternehmen unterstützen soll. Diesen stellt der Verband in M-V laut Lars Schwarz auch Nichtmitgliedern der Branche zur Verfügung. Auch beim Kurzarbeitergeld gibt es übrigens, auch darauf weist Lars Schwarz hin, spürbare Verschlechterungen. Hat die Bundesagentur bisher auch die Sozialversichungskosten zu 100 Prozent übernommen, so müssen die Arbeitgeber nun 50 Prozent dieser Kosten selbst tragen.

 

Belastung der Unternehmerinnen und Unternehmer wächst

Reduzierte Fixkosten, zusätzliche Kosten bei Eintritt von Kurzarbeit, und keinerlei Unterstützung hinsichtlich der Lebenshaltungs- und Sozialversicherungskosten der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ein zumindest erhöhtes Risiko, bestimmte Förderungen bei maßnahmenbedingt „freiwilligen“ Schließungen nicht zu erhalten – das ist die Realität, der sich unzählige Unternehmen damit derzeit ausgesetzt sehen. Kein Wunder also, dass nach einer aktuellen Befragung knapp die Hälfte der Unternehmerinnen und Unternehmer in der Gastronomie und Hotellerie in MV das eigene Unternehmen, die Arbeitsplätze sowie die eigene wirtschaftliche Existenz gefährdet sehen (Quelle: DEHOGA M-V).

 

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