Fehlende Stoffe in neuer Trinkwasserrichtlinie:
Drohen auch in Schwerin bald kalte Duschen? EU-Fehler gefährdet Warmwasserversorgung
Ab 2027 tritt eine neue EU-Trinkwasserrichtlinie in Kraft. Weil zwei bewährte Materialien fehlen, droht ein Warmwasser-Problem – auch in Schwerin könnten Verbraucher bald teurer oder kalt duschen.

Foto: Hans from Pixabay
Könnte in deutschen Haushalten und öffentlichen Gebäuden schon bald nur noch kaltes Wasser aus der Leitung kommen? Laut einem Bericht der „Financial Times” (hinter einer Paywal) drohen ab 2027 massive Probleme bei der Warmwasserversorgung – auch in Städten wie Schwerin. Grund ist ein Versäumnis in der europäischen Bürokratie: In der überarbeiteten EU-Positivliste (EUPL) für Materialien, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen dürfen, fehlt das Metall Hafnium, das für den Emaille-Schutz von Warmwassergeräten entscheidend ist.
Fehlendes Metall gefährdet Zulassungen
Nach Angaben des Branchenverbands Figawa (Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V.) könnten dadurch Millionen Warmwasserspeicher, Boiler und Druckbehälter ihre Zulassung verlieren. „Fehlt Hafnium in der Liste, können keine neuen emaillierten Produkte für den Trinkwasserkontakt mehr zugelassen oder vermarktet werden“, erklärte ein Figawa-Sprecher. Betroffen seien Boiler, Trinkwasserpuffer, Druckbehälter in Fernwärme sowie alle Warmwasserspeicher für Haushalte, Wohnungen, Kliniken, Sportstätten und öffentliche Gebäude.
Auch bestehende, bereits zertifizierte Produkte geraten laut Verband in Gefahr, weil bei notwendigen Änderungen – etwa aufgrund neuer EU-Energie- oder Nachhaltigkeitsvorgaben – eine erneute Zulassungsprüfung drohen könnte. Hersteller stünden damit vor einem Dilemma: Entweder sie passen ihre Produkte an und riskieren ihre Zulassung, oder sie halten an älteren, weniger effizienten Modellen fest.
Hafnium, ein besonders hitzebeständiges Metall, und sein Schwesterelement Zirkonium. Beide Stoffe werden seit Jahrzehnten für Emaille-Beschichtungen in Warmwasserspeichern und Wärmepumpen verwendet.
Über 90 Prozent der Geräte betroffen
Die EU-Kommission hatte bei der Anpassung der Vorschriften versäumt, Hafnium – das in der Praxis immer gemeinsam mit Zirkonium-Oxid verwendet wird – aufzunehmen. Laut Branchenvertretern werden damit über 90 Prozent aller Warmwasserspeicher in der EU faktisch von der Zulassung ausgeschlossen. Ein Wechsel zu Alternativen wie Kupfer oder Stahl wäre für Verbraucher vier- bis fünfmal so teuer, scheibt die „Financial Times”.
Betroffen wären nicht nur Haustechnik und Wärmepumpen in privaten Wohnungen, sondern auch öffentliche Gebäude, Krankenhäuser und Fernwärme. Die EU-Kommission verweist auf nationale Zulassungen, die jedoch teuer und langwierig sind. Zudem könnten toxikologische Gutachten der Industrie Jahre dauern und hohe Kosten verursachen. Hersteller wie Ariston und Groupe Atlantic sprechen von „enormen Auswirkungen“ und massiven Wettbewerbsnachteilen für die europäische Industrie.
Industrie fordert schnelle Lösung
Für Deutschland, wo emaillierte Trinkwasserspeicher praktisch überall eingesetzt werden – von der Wohnungswirtschaft bis zur Industrie, von Schulen bis Pflegeheimen – hätte die fehlende EU-Genehmigung laut Figawa immense Folgen. „Wenn keine schnelle EU-Lösung kommt, gibt es spürbare Innovations- und Investitionsbremsen“, warnte der Verband.
Die Europäische Kommission erklärte laut „Financial Times”, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, Brüssel über die Notwendigkeit einer Aufnahme von Hafnium in die Positivliste zu informieren. Bislang habe dies jedoch kein Land getan. Unternehmen könnten zwar auch selbst eine Analyse des toxikologischen Risikos beantragen, doch dieser Prozess würde nach Einschätzung der Industrie zu lange dauern.
In der Zwischenzeit wären Hersteller gezwungen, ihre Produktionslinien kostspielig umzustellen. Eine mögliche Lösung wäre, dass Mitgliedstaaten wie Deutschland die Verwendung von Hafnium und Zirkonium auf nationaler Ebene erlauben. Auch diese Option wäre allerdings zeitaufwändig.
Ob es rechtzeitig zu einer Lösung kommt, bleibt offen. Doch wer in Schwerin und anderswo in Europa weiterhin warm duschen möchte, darf darauf hoffen, dass die Politik in Brüssel oder Berlin bald reagiert.



