Mo, 23. Juni 2025
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Richtungsstreit bei der FDP-Schwerin:
Befragung der Mitglieder sorgt für Debatte

Im FDP-Kreisverband Schwerin eskaliert ein Streit um eine Mitgliederbefragung zur Parteiausrichtung – Kritiker fürchten ein Aufweichen der Abgrenzung zur AfD und rufen das Schiedsgericht an.

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  • Veröffentlicht Mai 20, 2025
FDP Mitgliederbefragung Schwerin
Bei der FDP in Schw­erin gibt es Wider­stand gegen eine geplante Mit­glieder­be­fra­gung. Foto: Kevin Schnei­der auf Pix­abay

In der FDP Schw­erin regt sich Wider­stand gegen eine vom Kreisvor­stand mehrheitlich auf den Weg gebrachte Mit­glieder­be­fra­gung. Parteim­it­glieder aus dem Kreisver­band dis­tanzierten sich nun offen und stellen den gefassten Beschluss des Kreisvor­standes infrage. Dieser sieht vor, eine partei­in­terne Mit­glieder­be­fra­gung zur kün­fti­gen Aus­rich­tung der FDP zu unter­stützen.

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Beim Lan­dess­chieds­gericht der FDP wurde ein Antrag ein­gere­icht, um diesen Beschluss für unwirk­sam erk­lären zu lassen. Die Begrün­dung: Das Gremi­um habe wed­er ein satzungs­gemäßes Ver­fahren einge­hal­ten noch ein for­males Pro­tokoll zur Beschlussfas­sung veröf­fentlicht. Auch schriftliche Nach­fra­gen seien unbeant­wortet geblieben. Der FDP-Kreisver­band bestätigte gegenüber SNO, dass so ein Antrag beim Lan­dess­chieds­gericht gestellt wurde. „Nach unseren Infor­ma­tio­nen ist offen­bar ein Antrag beim Lan­dess­chieds­gericht ein­gere­icht wor­den”, so FDP-Kreis­chef Bres­sel gegenüber unser­er Redak­tion. Ini­ti­iert soll das Begehren von drei Parteim­it­gliedern wor­den sein.

Klare inhaltliche Abgrenzung gefordert

Im Zen­trum der Auseinan­der­set­zung ste­ht eine von Ger­hard Pap­ke, dem früheren FDP-Frak­tion­schef in Nor­drhein-West­falen, ini­ti­ierte Mit­glieder­be­fra­gung. Diese umfasst zehn Fra­gen zur strate­gis­chen Aus­rich­tung der Partei. Beson­ders brisant: In einem Punkt wird offen die Aufhe­bung von „Koop­er­a­tionsver­boten mit anderen demokratisch gewählten Parteien” gefordert. Ein solch­er Schritt sei notwendig, heißt es dort, um echte poli­tis­che Wet­tbe­werb­s­gle­ich­heit zu ermöglichen. Kri­tik­er wer­fen dem Kreisver­band daher vor, er wolle hier die „Brand­mauer” zur AfD infrage stellen.

FDP-Kreisvor­sitzen­der Paul Bres­sel hat­te sich in der Ver­gan­gen­heit mehrfach öffentlich gegen soge­nan­nte Brand­mauern gegenüber der AfD aus­ge­sprochen und betont, der Kreisver­band wolle „eine führende Rolle bei der Umset­zung der Mit­glieder­be­fra­gung übernehmen“. Kri­tik­er inner­halb des Ver­bands sehen darin jedoch einen Tabubruch.

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In ein­er gemein­samen Erk­lärung beton­ten mehrere FDP-Mit­glieder aus Schw­erin ihre klare Ablehnung gegenüber ein­er Öff­nung in Rich­tung recht­spop­ulis­tis­ch­er Kräfte: „Wir ste­hen als FDP-Mit­glieder für eine klare inhaltliche Abgren­zung gegenüber poli­tis­chen Akteuren, die unsere frei­heitlich-demokratis­che Grun­dord­nung infrage stellen”, heißt es laut Angaben der Nachricht­e­na­gen­tur dpa in dem Schreiben.

Eine lib­erale Partei, so die Unterze­ich­n­er weit­er, müsse sich glaub­würdig für Rechtsstaatlichkeit, indi­vidu­elle Frei­heit und europäis­che Inte­gra­tion ein­set­zen – und könne daher keine Zusam­me­nar­beit mit der AfD oder ähn­lichen Bewe­gun­gen tolerieren.

Kreisvorstand sieht dem Verfahren gelassen entgegen

Der Kreisver­band sieht einem Schieds­gerichtsver­fahren nach eige­nen Angaben gelassen ent­ge­gen. „Zunächst bleibt abzuwarten, ob das Schieds­gericht den Antrag über­haupt als zuläs­sig erachtet und zur Entschei­dung annimmt”, so Bres­sel gegenüber SNO. Gle­ichzeit­ig wies er den Vor­wurf der Parteim­it­glieder zurück, man habe Auskün­fte ver­weigert.

Aus dem Kreis des FDP-Kreisvor­stands heißt es immer wieder, bei ein­er Mit­glieder­be­fra­gung han­dle es sich um ein „urdemokratis­ches Ver­fahren”, in dem es eben darum gehe, über den zukün­fti­gen Weg der FDP abstim­men zu lassen. Das Papi­er von Ex-Frak­tion­schef Ger­hard Pap­ke sei nur ein vorgeschla­gen­er Weg. Jedes Mit­glied habe in so ein­er Befra­gung die Möglichkeit, gegen diesen Weg zu stim­men. Dass sich nun drei von knapp 100 Parteim­it­gliedern des Kreisver­bands über die Medi­en und auf dem Weg des Schieds­gerichts gegen eine Mit­glieder­be­fra­gung stem­men, stößt dort auf Unver­ständ­nis.

Bei den drei Mit­gliedern aus dem FDP-Kreisver­band han­delt es sich laut Angaben des Nord­kuri­ers um Stephan Roolf, Lars Békési und Mar­tin Wedel. Alle drei woll­ten damit zeigen, dass nicht alle im Ver­band die Entschei­dung des Kreisver­bands mit­tra­gen. Man wolle ein Zeichen set­zen.

„Wir sind nicht all­ge­mein gegen eine Mit­glieder­be­fra­gung, aber nicht mit solchen Sug­ges­tivfra­gen“, so Roolf gegenüber dem „Nord­kuri­er”. Es stün­den „absurde The­men“ drin, so Roolf weit­er.

Punkte für eine „freiheitliche Wende in der FDP“

In den zehn Punk­ten „Für eine frei­heitliche Wende der FDP”, die der FDP-Kreisver­band veröf­fentlicht hat, wird eine Rück­kehr zu mark­twirtschaftlichen Prinzip­i­en einge­fordert – etwa durch „ein Mark­twirtschaft­spro­gramm, das indi­vidu­elle Leis­tung und unternehmerische Frei­heit wieder fördert“. Sozialleis­tun­gen sollen nur noch an Men­schen gezahlt wer­den, „die zu jung, zu alt oder zu krank sind“, sofern sie ein gesichertes Aufen­thalt­srecht haben. Die aktuelle Energiepoli­tik wird als ide­ol­o­gisch kri­tisiert, da sie Bürg­er und Betriebe mit dem Ausstieg aus der Kernen­ergie und steigen­den Abgaben „stran­guliere“. Auch das Ver­trauen in den Rechtsstaat sei „seit der Coro­na-Pan­demie“ erschüt­tert.

Beson­ders betont wird die „unbe­d­ingte Mei­n­ungs­frei­heit“, die durch staatliche Zen­surver­suche bedro­ht sei. Poli­tis­ches Han­deln solle sich an Fak­ten ori­en­tieren und nicht dazu führen, dass Bürg­er „mit geziel­ter Strafan­dro­hung gezwun­gen“ wür­den, „biol­o­gis­che Män­ner als Frauen anzure­den“. Gefordert wer­den zudem ein strenger Schutz vor „unkon­trol­liert­er, ille­galer Massen­zuwan­derung“ und die „Bewahrung der deutschen und europäis­chen Kul­tur gegen die fortschre­i­t­ende Islamisierung“. Außen­poli­tisch wird ein diplo­ma­tis­ch­er Kurs à la Gen­sch­er gefordert. Schließlich wen­det sich das Pro­gramm gegen Koop­er­a­tionsver­bote mit anderen „demokratisch gewählten Parteien“, die ange­blich „nur dem undemokratis­chen Zweck dienen, unlieb­same poli­tis­che Konkur­renten vom Wet­tbe­werb auszuschließen“.