Richtungsstreit bei der FDP-Schwerin:
Befragung der Mitglieder sorgt für Debatte
Im FDP-Kreisverband Schwerin eskaliert ein Streit um eine Mitgliederbefragung zur Parteiausrichtung – Kritiker fürchten ein Aufweichen der Abgrenzung zur AfD und rufen das Schiedsgericht an.

In der FDP Schwerin regt sich Widerstand gegen eine vom Kreisvorstand mehrheitlich auf den Weg gebrachte Mitgliederbefragung. Parteimitglieder aus dem Kreisverband distanzierten sich nun offen und stellen den gefassten Beschluss des Kreisvorstandes infrage. Dieser sieht vor, eine parteiinterne Mitgliederbefragung zur künftigen Ausrichtung der FDP zu unterstützen.
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Beim Landesschiedsgericht der FDP wurde ein Antrag eingereicht, um diesen Beschluss für unwirksam erklären zu lassen. Die Begründung: Das Gremium habe weder ein satzungsgemäßes Verfahren eingehalten noch ein formales Protokoll zur Beschlussfassung veröffentlicht. Auch schriftliche Nachfragen seien unbeantwortet geblieben. Der FDP-Kreisverband bestätigte gegenüber SNO, dass so ein Antrag beim Landesschiedsgericht gestellt wurde. „Nach unseren Informationen ist offenbar ein Antrag beim Landesschiedsgericht eingereicht worden”, so FDP-Kreischef Bressel gegenüber unserer Redaktion. Initiiert soll das Begehren von drei Parteimitgliedern worden sein.
Klare inhaltliche Abgrenzung gefordert
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht eine von Gerhard Papke, dem früheren FDP-Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, initiierte Mitgliederbefragung. Diese umfasst zehn Fragen zur strategischen Ausrichtung der Partei. Besonders brisant: In einem Punkt wird offen die Aufhebung von „Kooperationsverboten mit anderen demokratisch gewählten Parteien” gefordert. Ein solcher Schritt sei notwendig, heißt es dort, um echte politische Wettbewerbsgleichheit zu ermöglichen. Kritiker werfen dem Kreisverband daher vor, er wolle hier die „Brandmauer” zur AfD infrage stellen.
FDP-Kreisvorsitzender Paul Bressel hatte sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich gegen sogenannte Brandmauern gegenüber der AfD ausgesprochen und betont, der Kreisverband wolle „eine führende Rolle bei der Umsetzung der Mitgliederbefragung übernehmen“. Kritiker innerhalb des Verbands sehen darin jedoch einen Tabubruch.
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In einer gemeinsamen Erklärung betonten mehrere FDP-Mitglieder aus Schwerin ihre klare Ablehnung gegenüber einer Öffnung in Richtung rechtspopulistischer Kräfte: „Wir stehen als FDP-Mitglieder für eine klare inhaltliche Abgrenzung gegenüber politischen Akteuren, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen”, heißt es laut Angaben der Nachrichtenagentur dpa in dem Schreiben.
Eine liberale Partei, so die Unterzeichner weiter, müsse sich glaubwürdig für Rechtsstaatlichkeit, individuelle Freiheit und europäische Integration einsetzen – und könne daher keine Zusammenarbeit mit der AfD oder ähnlichen Bewegungen tolerieren.
Kreisvorstand sieht dem Verfahren gelassen entgegen
Der Kreisverband sieht einem Schiedsgerichtsverfahren nach eigenen Angaben gelassen entgegen. „Zunächst bleibt abzuwarten, ob das Schiedsgericht den Antrag überhaupt als zulässig erachtet und zur Entscheidung annimmt”, so Bressel gegenüber SNO. Gleichzeitig wies er den Vorwurf der Parteimitglieder zurück, man habe Auskünfte verweigert.
Aus dem Kreis des FDP-Kreisvorstands heißt es immer wieder, bei einer Mitgliederbefragung handle es sich um ein „urdemokratisches Verfahren”, in dem es eben darum gehe, über den zukünftigen Weg der FDP abstimmen zu lassen. Das Papier von Ex-Fraktionschef Gerhard Papke sei nur ein vorgeschlagener Weg. Jedes Mitglied habe in so einer Befragung die Möglichkeit, gegen diesen Weg zu stimmen. Dass sich nun drei von knapp 100 Parteimitgliedern des Kreisverbands über die Medien und auf dem Weg des Schiedsgerichts gegen eine Mitgliederbefragung stemmen, stößt dort auf Unverständnis.
Bei den drei Mitgliedern aus dem FDP-Kreisverband handelt es sich laut Angaben des Nordkuriers um Stephan Roolf, Lars Békési und Martin Wedel. Alle drei wollten damit zeigen, dass nicht alle im Verband die Entscheidung des Kreisverbands mittragen. Man wolle ein Zeichen setzen.
„Wir sind nicht allgemein gegen eine Mitgliederbefragung, aber nicht mit solchen Suggestivfragen“, so Roolf gegenüber dem „Nordkurier”. Es stünden „absurde Themen“ drin, so Roolf weiter.
Punkte für eine „freiheitliche Wende in der FDP“
In den zehn Punkten „Für eine freiheitliche Wende der FDP”, die der FDP-Kreisverband veröffentlicht hat, wird eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien eingefordert – etwa durch „ein Marktwirtschaftsprogramm, das individuelle Leistung und unternehmerische Freiheit wieder fördert“. Sozialleistungen sollen nur noch an Menschen gezahlt werden, „die zu jung, zu alt oder zu krank sind“, sofern sie ein gesichertes Aufenthaltsrecht haben. Die aktuelle Energiepolitik wird als ideologisch kritisiert, da sie Bürger und Betriebe mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und steigenden Abgaben „stranguliere“. Auch das Vertrauen in den Rechtsstaat sei „seit der Corona-Pandemie“ erschüttert.
Besonders betont wird die „unbedingte Meinungsfreiheit“, die durch staatliche Zensurversuche bedroht sei. Politisches Handeln solle sich an Fakten orientieren und nicht dazu führen, dass Bürger „mit gezielter Strafandrohung gezwungen“ würden, „biologische Männer als Frauen anzureden“. Gefordert werden zudem ein strenger Schutz vor „unkontrollierter, illegaler Massenzuwanderung“ und die „Bewahrung der deutschen und europäischen Kultur gegen die fortschreitende Islamisierung“. Außenpolitisch wird ein diplomatischer Kurs à la Genscher gefordert. Schließlich wendet sich das Programm gegen Kooperationsverbote mit anderen „demokratisch gewählten Parteien“, die angeblich „nur dem undemokratischen Zweck dienen, unliebsame politische Konkurrenten vom Wettbewerb auszuschließen“.