Streit um zweite Flüchtlingsunterkunft geht weiter:
Ortsteilvertretung stellt sich gegen Pläne der Stadt
Die Kontroversen um eine zweite Gemeinschaftsunterkunft gehen weiter: Nun kommt Widerstand aus den Ortsvertretungen. Sogar ein Bürgerbegehren ist in Planung.
Die geplante Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Hamburger Allee sorgt für Unmut in den Dreesch-Stadtteilen. Während Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) das Projekt als wirtschaftlichste Lösung betrachtet, fordern die Ortsteilvertretungen von Großer Dreesch, Neu Zippendorf und Mueßer Holz eine alternative Standortsuche.
Die Stadt Schwerin steht vor der Herausforderung, ausreichend Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten bereitzustellen. Die bestehende Unterkunft in der Hamburger Allee 202–208 soll saniert und erweitert werden, um die wachsende Zahl der Asylbewerber aufzunehmen. In diesem Zuge plant die Stadt, die angrenzende Immobilie in der Hamburger Allee 194–200 als zweite Gemeinschaftsunterkunft zu nutzen. Dies würde die Zahl der Unterbringungsplätze von derzeit 200 auf bis zu 380 erhöhen.
Ortsteilvertretung Großer Dreesch lehnt Erweiterung ab
Am 28. Januar 2025 beschloss die Ortsteilvertretung Großer Dreesch, die von der Stadt geplante Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft abzulehnen. Die Mitglieder der Vertretung argumentieren, dass sich die Stadt an ihre eigenen Beschlüsse halten müsse. Bereits 2022 wurde festgelegt, dass ein weiterer Standort für die Unterbringung von Geflüchteten durch ein Markterkundungsverfahren ermittelt werden sollte, um eine dezentrale Verteilung der Unterkunftseinrichtungen zu gewährleisten.
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Die Stadtvertretung hatte damals das Ziel formuliert, die Unterbringung nicht nur auf einen Stadtteil zu konzentrieren, sondern verschiedene Stadtgebiete einzubeziehen. Laut dem Leitbild „Schwerin 2030” soll eine wohnräumliche Mischung geschaffen werden, um die Integration zu fördern und segregierende Strukturen zu vermeiden. Die nun geplante Erweiterung in der Hamburger Allee steht dieser Strategie entgegen und wird daher von den Ortsteilvertretungen abgelehnt.
Oberbürgermeister hält an Plänen fest
Trotz des Widerstands hält Oberbürgermeister Rico Badenschier an der geplanten Erweiterung fest. In einem Schreiben an Stadtpräsident Sebastian Ehlers (CDU) argumentierte er, dass der Block in der Hamburger Allee 194–200 das „wirtschaftlichste Objekt” sei, das die Wohnungsgesellschaft Schwerin (WGS) angeboten habe. Die bestehenden baulichen Strukturen würden eine vergleichsweise kostengünstige Anpassung erlauben, während alternative Standorte mit erheblichen Investitionen verbunden wären. Zudem sei die Hamburger Allee bereits infrastrukturell erschlossen, was eine schnelle Umsetzung ermögliche.
Bürgerbegehren in Vorbereitung
Die Ablehnung der Pläne durch die Ortsteilvertretungen hat mittlerweile zu politischen Konsequenzen geführt. Daniel Meslien (SPD), Georg-Christian Riedel (CDU) und Marco Rauch (Linke) planen als Privatpersonen ein Bürgerbegehren, das zu einem Bürgerentscheid führen soll. Ziel sei es, die Stadt dazu zu verpflichten, die zweite Unterkunft auszuschreiben, anstatt sich auf die Hamburger Allee festzulegen. Die Initiatoren argumentieren, dass es alternative Standorte gebe, die in der bisherigen Diskussion vernachlässigt worden seien.
In Mecklenburg-Vorpommern können Bürgerinnen und Bürger durch ein Bürgerbegehren kommunale Entscheidungen beeinflussen. Dafür muss eine klare, mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortende Fragestellung formuliert und eine ausreichende Zahl an Unterschriften gesammelt werden. Die Mindestanzahl richtet sich nach der Einwohnerzahl – in Schwerin wären mindestens 4.000 Unterschriften nötig. Nach der Einreichung prüft die Kommune die Zulässigkeit des Begehrens. Falls die Stadtvertretung das Anliegen ablehnt, kommt es zum Bürgerentscheid, bei dem alle Wahlberechtigten abstimmen können. Ist die Mehrheit dafür und das erforderliche Quorum erreicht, ist das Ergebnis bindend und die Stadt muss entsprechend handeln.
Gegenüber dem „Nordkurier” argumentierte Georg-Christian Riedel: „Die soziale Infrastruktur im Mueßer Holz reicht nicht aus, um weitere knapp 200 Geflüchtete aufzunehmen.” Riedel befürchtet, dass die Konzentration von Geflüchteten an einem Standort das soziale Gefüge im Stadtteil verändern und bestehende Integrationsbemühungen konterkarieren könnte.
Daniel Meßlien sieht auch mehr Möglichkeiten für die Ansiedlung einer zweiten Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt. Im Gespräch mit unserer Redaktion bringt er die Werkstraße 4 im Industriegebiet Schwerin-Süd ins Gespräch. Dort befindet sich schon jetzt eine Interims-Gemeinschaftsunterkunft, die bis spätestens November 2026 genutzt werden kann. Im November diesen Jahres läuft der Nutzungsvertrag aus. Allerdings besteht eine Verlängerungsoption um ein weiteres Jahr. Meßlien sagt, dass er mit unterschiedlichen Menschen gesprochen habe und dabei immer wieder die Entfristung des Vertrags isn Spiel gebracht wurde. Die Werkstraße könnte so eine Dauerlösung werden. Für Daniel Meßlien sollte diese Option zumindest einmal ernsthaft geprüft werden.
Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) hatte allerdings immer wieder betont, dass diese Lösung zu kostenintensiv sei und daher für ihn nicht in Frage komme.
AfD-Pläne scheiterten an Mehrheit der Stadtvertretung
Seit dem 9. Dezember 2024 herrscht Uneinigkeit zwischen Stadtvertretung und Verwaltung. Damals hatte die Stadtvertretung beschlossen, die Pläne für eine zweite Gemeinschaftsunterkunft auszusetzen und alternative Standorte zu prüfen. Oberbürgermeister Badenschier legte jedoch am 17. Dezember Widerspruch ein, der von der Stadtvertretung am 16. Januar 2025 abgelehnt wurde. Trotz dieser Ablehnung kündigte Badenschier am 21. Januar an, dass die Unterkunft im WGS-Block in der Hamburger Allee realisiert werde.
In einer Sondersitzung der Stadtvertretung am 16. Januar scheiterte ein Antrag der AfD, der WGS zu untersagen, Verträge oder Vereinbarungen für den Bau und Betrieb der Unterkunft abzuschließen. Die AfD argumentierte, dass der Standort nicht dem Willen der Stadtvertretung entspreche und andere Lösungen erarbeitet werden sollten. Eine politische Mehrheit für diesen Antrag fand sich jedoch nicht.