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Streit um zweite Flüchtlingsunterkunft geht weiter:
Ortsteilvertretung stellt sich gegen Pläne der Stadt

Die Kontroversen um eine zweite Gemeinschaftsunterkunft gehen weiter: Nun kommt Widerstand aus den Ortsvertretungen. Sogar ein Bürgerbegehren ist in Planung.

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  • Veröffentlicht Februar 3, 2025

Zweite Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin

Die geplante Erweiterung der Gemein­schaft­sun­terkun­ft für Geflüchtete in der Ham­burg­er Allee sorgt für Unmut in den Dreesch-Stadt­teilen. Während Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD) das Pro­jekt als wirtschaftlich­ste Lösung betra­chtet, fordern die Ort­steil­vertre­tun­gen von Großer Dreesch, Neu Zip­pen­dorf und Mueßer Holz eine alter­na­tive Stan­dort­suche.

Die Stadt Schw­erin ste­ht vor der Her­aus­forderung, aus­re­ichend Kapaz­itäten für die Unter­bringung von Geflüchteten bere­itzustellen. Die beste­hende Unterkun­ft in der Ham­burg­er Allee 202–208 soll saniert und erweit­ert wer­den, um die wach­sende Zahl der Asyl­be­wer­ber aufzunehmen. In diesem Zuge plant die Stadt, die angren­zende Immo­bilie in der Ham­burg­er Allee 194–200 als zweite Gemein­schaft­sun­terkun­ft zu nutzen. Dies würde die Zahl der Unter­bringungsplätze von derzeit 200 auf bis zu 380 erhöhen.

Ortsteilvertretung Großer Dreesch lehnt Erweiterung ab

Am 28. Jan­u­ar 2025 beschloss die Ort­steil­vertre­tung Großer Dreesch, die von der Stadt geplante Erweiterung der Gemein­schaft­sun­terkun­ft abzulehnen. Die Mit­glieder der Vertre­tung argu­men­tieren, dass sich die Stadt an ihre eige­nen Beschlüsse hal­ten müsse. Bere­its 2022 wurde fest­gelegt, dass ein weit­er­er Stan­dort für die Unter­bringung von Geflüchteten durch ein Mark­terkun­dungsver­fahren ermit­telt wer­den sollte, um eine dezen­trale Verteilung der Unterkun­ft­sein­rich­tun­gen zu gewährleis­ten.

»Lies auch: Schw­erin erweit­ert Unterkun­ft für Flüchtlinge im Mueßer Holz

Die Stadtvertre­tung hat­te damals das Ziel for­muliert, die Unter­bringung nicht nur auf einen Stadt­teil zu konzen­tri­eren, son­dern ver­schiedene Stadt­ge­bi­ete einzubeziehen. Laut dem Leit­bild „Schw­erin 2030” soll eine wohn­räum­liche Mis­chung geschaf­fen wer­den, um die Inte­gra­tion zu fördern und seg­regierende Struk­turen zu ver­mei­den. Die nun geplante Erweiterung in der Ham­burg­er Allee ste­ht dieser Strate­gie ent­ge­gen und wird daher von den Ort­steil­vertre­tun­gen abgelehnt.

Oberbürgermeister hält an Plänen fest

Trotz des Wider­stands hält Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er an der geplanten Erweiterung fest. In einem Schreiben an Stadt­präsi­dent Sebas­t­ian Ehlers (CDU) argu­men­tierte er, dass der Block in der Ham­burg­er Allee 194–200 das „wirtschaftlich­ste Objekt” sei, das die Woh­nungs­ge­sellschaft Schw­erin (WGS) ange­boten habe. Die beste­hen­den baulichen Struk­turen wür­den eine ver­gle­ich­sweise kostengün­stige Anpas­sung erlauben, während alter­na­tive Stan­dorte mit erhe­blichen Investi­tio­nen ver­bun­den wären. Zudem sei die Ham­burg­er Allee bere­its infra­struk­turell erschlossen, was eine schnelle Umset­zung ermögliche.

Bürgerbegehren in Vorbereitung

Die Ablehnung der Pläne durch die Ort­steil­vertre­tun­gen hat mit­tler­weile zu poli­tis­chen Kon­se­quen­zen geführt. Daniel Mes­lien (SPD), Georg-Chris­t­ian Riedel (CDU) und Mar­co Rauch (Linke) pla­nen als Pri­vat­per­so­n­en ein Bürg­er­begehren, das zu einem Bürg­er­entscheid führen soll. Ziel sei es, die Stadt dazu zu verpflicht­en, die zweite Unterkun­ft auszuschreiben, anstatt sich auf die Ham­burg­er Allee festzule­gen. Die Ini­tia­toren argu­men­tieren, dass es alter­na­tive Stan­dorte gebe, die in der bish­eri­gen Diskus­sion ver­nach­läs­sigt wor­den seien.

In Meck­len­burg-Vor­pom­mern kön­nen Bürg­erin­nen und Bürg­er durch ein Bürg­er­begehren kom­mu­nale Entschei­dun­gen bee­in­flussen. Dafür muss eine klare, mit „Ja“ oder „Nein“ zu beant­wor­tende Fragestel­lung for­muliert und eine aus­re­ichende Zahl an Unter­schriften gesam­melt wer­den. Die Min­destanzahl richtet sich nach der Ein­wohn­erzahl – in Schw­erin wären min­destens 4.000 Unter­schriften nötig. Nach der Ein­re­ichung prüft die Kom­mune die Zuläs­sigkeit des Begehrens. Falls die Stadtvertre­tung das Anliegen ablehnt, kommt es zum Bürg­er­entscheid, bei dem alle Wahlberechtigten abstim­men kön­nen. Ist die Mehrheit dafür und das erforder­liche Quo­rum erre­icht, ist das Ergeb­nis bindend und die Stadt muss entsprechend han­deln.

Gegenüber dem „Nord­kuri­er” argu­men­tierte Georg-Chris­t­ian Riedel: „Die soziale Infra­struk­tur im Mueßer Holz reicht nicht aus, um weit­ere knapp 200 Geflüchtete aufzunehmen.”  Riedel befürchtet, dass die Konzen­tra­tion von Geflüchteten an einem Stan­dort das soziale Gefüge im Stadt­teil verän­dern und beste­hende Inte­gra­tions­be­mühun­gen kon­terkari­eren kön­nte.

Daniel Meßlien sieht auch mehr Möglichkeit­en für die Ansied­lung ein­er zweit­en Gemein­schaft­sun­terkun­ft in der Stadt. Im Gespräch mit unser­er Redak­tion bringt er die Werk­straße 4 im Indus­triege­bi­et Schw­erin-Süd ins Gespräch. Dort befind­et sich schon jet­zt eine Inter­ims-Gemein­schaft­sun­terkun­ft, die bis spätestens  Novem­ber 2026 genutzt wer­den kann. Im Novem­ber diesen Jahres läuft der Nutzungsver­trag aus. Allerd­ings beste­ht eine Ver­längerung­sop­tion um ein weit­eres Jahr. Meßlien sagt, dass er mit unter­schiedlichen Men­schen gesprochen habe und dabei immer wieder die Ent­fris­tung des Ver­trags isn Spiel gebracht wurde. Die Werk­straße kön­nte so eine Dauer­lö­sung wer­den. Für Daniel Meßlien sollte diese Option zumin­d­est ein­mal ern­sthaft geprüft wer­den.

Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD) hat­te allerd­ings immer wieder betont, dass diese Lösung zu kosten­in­ten­siv sei und daher für ihn nicht in Frage komme.

AfD-Pläne scheiterten an Mehrheit der Stadtvertretung

Seit dem 9. Dezem­ber 2024 herrscht Uneinigkeit zwis­chen Stadtvertre­tung und Ver­wal­tung. Damals hat­te die Stadtvertre­tung beschlossen, die Pläne für eine zweite Gemein­schaft­sun­terkun­ft auszuset­zen und alter­na­tive Stan­dorte zu prüfen. Ober­bürg­er­meis­ter Baden­schi­er legte jedoch am 17. Dezem­ber Wider­spruch ein, der von der Stadtvertre­tung am 16. Jan­u­ar 2025 abgelehnt wurde. Trotz dieser Ablehnung kündigte Baden­schi­er am 21. Jan­u­ar an, dass die Unterkun­ft im WGS-Block in der Ham­burg­er Allee real­isiert werde.

In ein­er Son­der­sitzung der Stadtvertre­tung am 16. Jan­u­ar scheit­erte ein Antrag der AfD, der WGS zu unter­sagen, Verträge oder Vere­in­barun­gen für den Bau und Betrieb der Unterkun­ft abzuschließen. Die AfD argu­men­tierte, dass der Stan­dort nicht dem Willen der Stadtvertre­tung entspreche und andere Lösun­gen erar­beit­et wer­den soll­ten. Eine poli­tis­che Mehrheit für diesen Antrag fand sich jedoch nicht.

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