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Für 365 Euro ein Jahr Bus und Bahn fahren

NVS-Geschäftsführer Wilfried Eisenberg hatte Mitte August ein 365-Euro-Ticket für den Nahverkehr in Schwerin ins Spiel gebracht.

  • Veröffentlicht August 27, 2018

 

In Wien ist es schon Realität: Für 365 Euro kann man dort eine Jahreskarte erwerben, mit der man dann den Öffentlichen Nahverkehr nutzen kann. Für den Geschäftsführer des Nahverkehrs Schwerin (NVS), Wilfried Eisenberg, wäre dieses Modell auch ein schönes Vorbild für die Stadt. Gegenüber der Stadtpolitik hat der NVS-Chef schon für diese Idee geworben. 

 

500 mehr Jahresabos könnten Modell wirtschaftlich machen

 

Nach Ansicht von Eisenberg würde sich das Modell am Ende auch für den Nahverkehr rechnen. Gegenüber der Schweriner Volkszeitung (SVZ) machte Eisenberg schon einmal eine Rechnung auf: Derzeit muss derjenige, der ein Jahr lang eine Monatskarte abonniert insgesamt rund 530 Euro bezahlen. Für eine Monatskarte im Ausbildungsverkehr fallen im Jahr etwa 390 Euro an. Rechnet man diese beiden Angebote und weitere Abo-Angebote zusammen, so nutzen nach Angaben des NVS-Geschäftsführers 2500 Menschen ein ganzes Jahr lang eine Monatskarte. Derzeit wird damit ein Ertrag von knapp 1,1 Millionen Euro erwirtschaftet. Würde man nun das neue Abo-Modell für 365 Euro einführen, dann reichen die 2.500 Abonnenten allerdings nicht aus. Für den NVS würde dann ein Minus von 186 000 Euro entstehen. Daher bräuchte der NVS am Ende gut 500 mehr Abonnenten, damit sich das neue Modell am Ende rentiert. Hier liegt für den NVS dann auch das wirtschaftliche Risiko, das der kommunale Betrieb aber nicht eingehen möchte. Nach Vorstellungen Eisenbergs soll die Stadt diese Unsicherheit absichern: Der Nahverkehr möchte anteilig mehr Geld aus der Parkraumbewirtschaftung der Stadt erhalten. Das bedeutet, dass die Stadtvertretung hier eine entsprechende politische Entscheidung treffen müsste.

 

Jahresticket könnte Nahverkehr attraktiver machen

 

Von der Stadtfraktion der LINKEN kommt Sympathie für die Abo-Pläne des NVS. „Ein solches Jahresticket macht den Nahverkehr für viele Schweriner deutlich attraktiver und ist ein wichtiger Schritt für die Bewältigung aktueller Probleme, nicht nur in Fragen des Klimaschutzes sondern auch bei der zukunftsfähigen Umstrukturierung von Individualverkehr und öffentlichem Personennahverkehr und damit der Vermeidung von Staus und Verkehrsbehinderungen.“, sagt Stadtvertreter Stefan Schmidt.

Allerdings sieht Schmidts Fraktion auch noch Konkretisierungsbedarf. Vor allem müsse geklärt werden, ob es eine monatliche Zahlungsweise geben kann. Auch regt die Linksfraktion eine Ermäßigung für Schüler und Auszubildende an. 

Auch Stadtvertreter Karsten Jagau (ASK) äußert sich positiv zum NVS-Vorstoss. „Der NVS geht einen guten Weg. Wir würden uns freuen wenn der NVS und auch alle anderen kommunalen Dienstleister neue, kreative Wege ausprobieren würden. Das macht Schwerin attraktiv und kann das Image der Stadt enorm verbessern. Wir hoffen das dies nicht die einzige Maßnahme des NVS bleibt.“, so Jagau

In Wien hat sich das 365 Euro-Abo-Modell zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Mit der Preissenkung schoss die Zahl der „Öffi“-Fahrer in die Höhe. Im ersten Jahr gab es ein Plus von 140.000 neuen Jahreskartenbesitzern. Von 2012 bis heute ist ihre Zahl von 373.000 auf 780.000 gestiegen. Allerdings war der Preis für die Benutzung des Öffentlichen Nahverkehrs schon immer vergleichsweise billig. Früher kostete ein Jahresabo 449 Euro und war schon damals günstiger als heute in Schwerin. 

 

Neben Preis spielt auch Taktung eine Rolle

 

Wer allerdings glaubt, ausschließlich durch einen günstigen Fahrpreis Menschen dazu zu bewegen das Auto stehen zu lassen, der täuscht sich. Auch das zeigt das Modell Wien. „Es ist ja schön, wenn meine Fahrkarte günstig ist, aber wenn der Bus nur alle 20 Minuten kommt, bringt das auch nichts“, sagt ein Sprecher der Stadt Wien auf seine Erfahrungen mit dem Modell angesprochen. Also habe Wien investiert. U-Bahnen wurden verlängert, Takte verkürzt. Alle drei bis fünf Minuten kommt in Wien tagsüber ein Bus oder eine Bahn. Auf Schwerin bezogen, hätte der NVS hier noch einmal eine Baustelle, wollte man das erfolgreiche Modell aus Wien nach Schwerin importieren. 

Ein kostenloser Nahverkehr ist für NVS-Geschäftsführer Eisenberg aber keine realistische Alternative. Bündnisgrüne, SPD und UB hatten in der Stadtvertretung mit einem Antrag gefordert, dass Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) sich dafür einsetzen solle, dass Schwerin Modellregion werden kann, in der – gefördert aus Bundesmitteln – der Nahverkehr zum Nulltarif angeboten wird. 

 

Umlagefinanzierter Nahverkehr könnte bis zu 12 Millionen Euro kosten

 

Im Juni gründete sich darüber hinaus die Bürgerinitiative „Freifahrt.Jetzt. Schwerin“, die einen kostenlosen Nahverkehr in Schwerin durchsetzen möchte. Aktivitäten hat die Bürgerinitiative bisher noch nicht entfaltet. Auch in der aktuellen Diskussion meldeten sich die Initiatoren bisher noch nicht zu Wort. Auf Anfrage begrüßt der Sprecher der Initiative Torsten Müller allerdings die Idee einer 365-Euro-Tickets als einen Schritt in die richtige Richtung. „Uns ist klar, dass ein kostenfreier Nahverkehr nicht von heute auf morgen in die Praxis umsetzbar ist. Wenn viel mehr Menschen Busse und Straßenbahnen nutzen, dann muss das Fahrplanangebot entsprechend angepasst werden. Das kann schrittweise geschehen, wenn es durch Angebote wie das 365-Euro-Ticket gelingt, die Attraktivität zu erhöhen. Dieses Ticket wäre eine von vielen Möglichkeiten für einen Einstieg, um soziale und ökologische Probleme ernsthaft anzugehen.“, so Müller.

In einer Stellungnahme zum Antrag der bündnisgrünen Stadtfraktion zum Thema kostenlosen  Nahverkehr hat die Verwaltung noch einmal dargestellt, dass es einen kostenlosen Nahverkehr nicht gäbe, da in jedem Fall ja Kosten entstehen würden. Die richtige Bezeichnung wäre daher aus Verwaltungssicht ein „umlagefinanzierter Nahverkehr“. Nach Schätzung der Verwaltung müssten zum Ausgleich der Fahrgelderlöse Mittel von 12 Millionen Euro bereitgestellt werden, um die Kosten des Nahverkehrs zukünftig zu decken.  

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Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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