Krise in der Gastronomie:
Experte erklärt warum Hausmannskost jetzt die Rettung bringen kann
Gestiegene Kosten, höhere Mehrwertsteuer und weniger Gäste: Viele Gastronomiebetriebe, auch in Schwerin, geraten zunehmend in Not. Ein Experte erklärt, welche Wege jetzt aus der Misere führen könnten.

Die Gastronomie in Deutschland steckt weiter tief in der Krise. Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) wird 2025 voraussichtlich das sechste Verlustjahr in Folge. Steigende Kosten, fehlendes Personal und eine zunehmende Zurückhaltung der Gäste machen vielen Betrieben zu schaffen.
„Preissensibilität und Konsumzurückhaltung nehmen spürbar zu“, betonte Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Viele Gäste gingen seltener essen, wählten günstigere Gerichte und verzichteten auf Extras wie Vorspeisen oder das zweite Getränk. Besonders kleinere und mittlere Familienbetriebe litten unter dieser Entwicklung. Dies sei auch in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern und Schwerin zu verzeichnen bestätigt die Dehoga MV auf Anfrage unserer Redaktion. „Die Situation ist trotz Hochsaison die Lage angespannt. Steigende Kosten für Personal, Energie, Lebensmittel und Dienstleistungen treffen auf sinkende Umsätze.”
Ein wichtiger Faktor ist die seit Anfang 2024 wieder geltende Umsatzsteuer von 19 Prozent auf Speisen. Während der Corona-Pandemie galt ein ermäßigter Satz von sieben Prozent. Die Bundesregierung plant, die Steuer ab 2026 erneut abzusenken. Für viele Gastronomen kommt die Entlastung jedoch zu spät. Im Juni 2025 lagen die Umsätze inflationsbereinigt 5,9 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Experte: Anpassung und Innovation entscheidend
Der Heilbronner Professor für Hotel- und Restaurantmanagement, Michael Ottenbacher, sieht die Branche in einem Teufelskreis, wie er dem Fernsehsender ntv sagte. Viele Betriebe hätten während der Pandemie Personal verloren. Gleichzeitig seien Energie, Lebensmittel und Löhne teurer geworden. „Die Gewinnmarge ist heute bei den meisten Betrieben sehr klein“, so Ottenbacher.
Nach seiner Einschätzung ist die Krise nicht nur Folge äußerer Umstände, sondern auch hausgemacht: Gastronomen müssten ihr Angebot stärker an die veränderten Bedürfnisse der Gäste anpassen. So sei es etwa sinnvoll, günstigere Gerichte oder kleinere Menüs anzubieten. „Gerade in der Sternegastronomie ärgern sich Gäste über hohe Preise, wenn sie nur ein Sechs- oder Sieben-Gänge-Menü bestellen können“, erklärt Ottenbacher.
Während die Spitzengastronomie mit sinkender Nachfrage kämpft, erleben klassische Gasthäuser und Wirtshäuser eine Renaissance. Gut zubereitete, bezahlbare Hausmannskost – etwa für 14 bis 35 Euro pro Hauptgericht – ziehe derzeit viele Gäste an. Vorteilhaft sei zudem, dass in solchen Betrieben die Tische mehrfach am Abend belegt werden könnten, während in Gourmetrestaurants jeder Platz nur einmal verkauft werde.
Digitalisierung und neue Konzepte nötig
Neben steuerlicher Entlastung und Bürokratieabbau sieht Ottenbacher die Digitalisierung als Schlüssel für die Zukunft. Viele kleinere Betriebe hätten weder digitale Warenwirtschaft noch Online-Reservierungssysteme. Auch der professionelle Umgang mit sozialen Medien und Gästebewertungen sei heute unverzichtbar.
Langfristig erwartet der Experte ein Wachstum der Systemgastronomie: Ketten mit standardisierten Abläufen, hoher Automatisierung und weniger Personalbedarf könnten erfolgreicher sein. Küchenroboter und digitale Bestellsysteme würden die Branche in den kommenden Jahren verändern.
Immerhin zeigt sich im Ausbildungsbereich ein leicht positiver Trend. Nach einem starken Einbruch während der Pandemie beginnen inzwischen wieder mehr junge Menschen eine Ausbildung in Küche und Service. Allerdings fordern sie höhere Gehälter und bessere Arbeitszeiten, was für viele Betriebe eine Herausforderung bleibt.



