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Geheimnisse im Röhricht am Medeweger See

  Unter dem Motto „Schweriner Seen – Naturschätze entdecken“ sind Groß und Klein eingeladen. Die etwa einstündige Wanderung findet zweimal statt und beginnt um 12 Uhr und noch einmal um

  • Veröffentlicht September 19, 2018
Warum wird die Rohrdommel auch Moorochse genannt. Foto: F.-R. Knaak.

 

Unter dem Motto „Schweriner Seen – Naturschätze entdecken“ sind Groß und Klein eingeladen. Die etwa einstündige Wanderung findet zweimal statt und beginnt um 12 Uhr und noch einmal um 15 Uhr am Infostand des BUND auf dem Hof Medewege. Der BUND Schwerin ist dort während der BIO-Landpartie von 11 bis 17 Uhr mit Informationen und Spielen präsent. Es geht um nachhaltige Landwirtschaft und Tipps zum naturnahen Gärtnern und um den Lebensraum Röhricht. Die Teilnahme an der Exkursion ist kostenlos, um eine Spende wird gebeten.

Der Medeweger See ist der See im Stadtgebiet Schwerins, der die ursprünglichsten Ufer hat. Sie sind fast überall von Röhricht gesäumt. Doch auch wenn es auf den ersten Blick nicht auffällt, hat das Wirken der Menschen auch diesen See stark verändert. Seit Jahrzehnten wird er indirekt mit zusätzlichen Nährstoffen und Pestiziden belastet, die überwiegend aus der Landwirtschaft in seinem 112 km² großen Wassereinzugsgebiet stammen. In der tieferen Schicht kam es sogar schon zu Sauerstoffmangel und Fäulnisprozessen. Um diese zu beenden, wurde in den `90er Jahren eine Tiefenbelüftung durchgeführt. Aufgrund der geringen Effizienz wurde diese Behandlung aufgegeben. Trotzdem war eine Verbesserung erreicht: Schwefelwasserstoffbildung wurde seitdem nicht mehr festgestellt. Dazu trägt auch die ökologische Landwirtschaft auf einem Teil der direkt am See liegenden Flächen bei, die seit dieser Zeit betrieben wird. Eine weitere unauffällige Veränderung ist die Ausbreitung der Dreikantmuschel bis in den Medeweger See. Diese ursprünglich aus dem Schwarzen Meer stammende Art besetzt den Lebensraum der selten gewordenen einheimischen Muscheln und erschwert durch ihre Massenausbreitung die Entwicklung der Unterwasserpflanzen. Zugleich ist sie Nahrung für einige Wasservögel und filtert das Wasser, so dass es klarer wird. Die genauen Auswirkungen auf das Ökosystem der Schweriner Seen sind nicht bekannt, aber die Änderung ist wesentlich.

 

Die Dreikantmuscheln breiten sich aus. Foto: Christopher Jöst

 

Das Röhricht an den Seeufern ist ein richtiger „Rohrwald“, ein ganz spezieller Lebensraum, in dem ein Halm neben dem anderen steht. Meistens ist es Schilf, das gerne mit dem Fuß im Wasser steht, aber ebenso auf feuchtem Land wachsen kann. Damit die Wurzeln unter Wasser nicht ersticken, werden sie durch den hohlen Halm mit Luft versorgt. Auch der Seeboden und dort lebende Mikroorganismen profitieren davon. Damit trägt das Schilf dazu bei, dass die Abbauprozesse beschleunigt werden. Die Menschen wissen zu schätzen, dass Schilf Nährstoffe und Schwermetalle aus dem Wasser filtern kann und setzen es gezielt in Klärteichen ein.

Die große Bedeutung des Röhrichts im Ökosystem See geht noch weit darüber hinaus. Denn ein ausgedehntes Röhricht bietet auf kleinem Raum unterschiedlichen Spezialisten ihren Platz zum Leben. Im Inneren herrscht ein geschütztes Mikroklima mit weniger Wind und Kälte als in den Randbereichen und den oberen Spitzen. In den verschiedenen Bereichen leben Vögel, die sich perfekt an diese Umgebung angepasst haben, wie die in Deutschland stark gefährdete Rohrdommel. Ihr anderer Name „Moorochse“ ist wegen ihrem geheimnisvolle Balzruf entstanden, vor dem sich nach Fritz Reuters Geschichte der Großherzog gruselte. Leider konnte der Ruf im Gebiet der Seen Schwerins seit 2003 nur noch ganz vereinzelt gehört werden. Die Rohrdommel benötigt einen breiten, nicht zu lückigen Schilfgürtel. In manchen Fällen sind die Ursachen für deren Verlust bekannt, z.B. Verbau der Ufer. Jedoch bereitet auch ein ungeklärter Rückgang des Röhrichts Sorgen. Hinzu kommt, dass dieser Vogel ganz besonders jede Störung von Menschen, die ihrem Nest zu nahekommen, scheut. Unzerschnittene, störungsarme Röhrichte in der erforderlichen Größe sind in Schwerin selten geworden. Aber am Medeweger See ist ein fast geschlossener, überwiegend breiter Röhrichtgürtel ausgeprägt. Ob wir vielleicht dort in den nächsten Jahren wieder der Rohrdommel lauschen können? Es ist gesellschaftliche Aufgabe, unter anderem diese Art an den Schweriner Seen zu erhalten, wofür sie zum Europäischen Vogelschutzgebiet erklärt wurden.

Auch im Wasser des Röhrichts tobt das Leben. Für Libellenlarven, Fischbrut, Kaulquappen und viele mehr bieten die dichten Pflanzenbestände Schutz und reichlich Nahrung. Ohne solche Bereiche, können sie sich nicht fortpflanzen. Es gibt auch stark spezialisierte Insekten wie die Schilf-Gallenfliege, deren Raupen sich nur im Schilfhalm entwickeln. Auch Wildbienen nutzen Schilfhalme als Kinderstube.

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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