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Geflüchtete und Bürgergeldempfänger:
Kontroverse um Arbeitspflicht – was Schwerin wirklich plant

Schwerin plant Arbeit für Geflüchtete und Bürgergeldempfänger – freiwillig, gemeinnützig, umstritten. SNO erklärt was genau geplant ist.

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  • Veröffentlicht Mai 23, 2025
 gemeinnützige Arbeit Schwerin
Stadthaus Schw­erin – hier ent­stand das Konzept zu gemein­nütziger Arbeit für Geflüchtete und Bürg­ergeldempfänger. Foto: Ste­fan Rochow

Mit einem Antrag in der Stadtvertre­tung hat die CDU-Frak­tion Ende 2024 den Anstoß gegeben: Geflüchtete und Bürg­ergeldempfänger in Schw­erin sollen sich stärk­er an gemein­nütziger Arbeit beteili­gen. Die Idee dahin­ter: Wer Leis­tun­gen erhält, soll sich auch aktiv ein­brin­gen. Die Mehrheit der Stadtvertre­tung fol­gte dem Vorschlag – nun liegt ein Konzept der Stadtver­wal­tung unter Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD) auf dem Tisch, das für hefti­gen Wider­spruch gesorgt hat. Es zeigt, was konkret geplant ist, was rechtlich möglich ist – und wo die Gren­zen liegen. Dieser Artikel beleuchtet, wie die Lan­deshaupt­stadt Schw­erin das The­ma Arbeits­gele­gen­heit­en für Asyl­be­wer­ber und Bürg­ergeldempfänger ange­hen will.

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In Schw­erin tut sich etwas in Sachen Inte­gra­tion und Beschäf­ti­gung: Die Stadt will mehr Geflüchteten und langzeitar­beit­slosen Bürg­ergeldempfängern eine sin­nvolle Tätigkeit ermöglichen. Dafür sollen soge­nan­nte Arbeits­gele­gen­heit­en geschaf­fen wer­den – gemein­nützige Auf­gaben, für die es zwar keinen nor­malen Lohn, aber eine kleine Entschädi­gung gibt. Das Ziel: Men­schen in den All­t­ag ein­binden, ihnen Struk­turen geben und sie auf das Arbeit­sleben vor­bere­it­en.

In der Gesellschaft ankommen

Schon heute helfen einige Geflüchtete in ihren Unterkün­ften mit – etwa bei der Essen­saus­gabe, bei kleineren Haus­meis­ter­di­en­sten oder indem sie Mit­be­wohn­er zu Ämtern begleit­en. Kün­ftig soll es mehr solch­er Möglichkeit­en geben, auch außer­halb der Unterkün­fte. Vere­ine, soziale Ein­rich­tun­gen oder Nach­barschaft­spro­jek­te kön­nten mit ins Boot geholt wer­den. Denkbar sind Ein­sätze bei der Tafel, in Sec­ond­hand-Läden oder bei Stadt­teilini­tia­tiv­en.

Wer mit­macht, bekommt eine soge­nan­nte Mehraufwand­sentschädi­gung – aktuell 80 Cent pro Stunde. Viel ist das nicht, aber es soll auch nicht um Geld gehen, son­dern um das Ankom­men in der Gesellschaft. Die Stadt Schw­erin will mit diesem Schritt den Men­schen helfen, ihre Zeit hier sin­nvoll zu nutzen, ger­ade dann, wenn sie noch keinen richti­gen Job annehmen dür­fen.

Wichtig ist der Stadtver­wal­tung: Es geht nicht um Zwangsar­beit. In Deutsch­land darf nie­mand ein­fach so zur Arbeit verpflichtet wer­den. Das ver­bi­etet das Grundge­setz. Auch wenn manche meinen, wer Unter­stützung bekommt, müsse etwas „zurück­geben“, sieht das Gesetz das anders. So hat sich der „Wis­senschaftliche Dienst des Bun­destages” schon 2007 in einem Kurzgutacht­en damit beschäftigt, ob Asyl­be­wer­ber zu gemein­nütziger Arbeit herange­zo­gen wer­den kön­nen.

Enger rechtlicher Rahmen für gemeinnützige Tätigkeiten

Inter­na­tionale Abkom­men wie die ILO-Übereinkom­men und die Europäis­che Men­schen­recht­skon­ven­tion ver­bi­eten grund­sät­zlich Zwangs- oder Pflichtar­beit – mit weni­gen Aus­nah­men, etwa für Mil­itär­di­enst oder all­ge­meine Bürg­erpflicht­en. Auch das deutsche Grundge­setz schützt vor Zwangsar­beit, erlaubt sie aber zum Beispiel im Rah­men gerichtlich­er Anord­nun­gen.

Laut deutschem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (§ 5 Asyl­bLG) kön­nen arbeits­fähige Asyl­be­wer­ber zu gemein­nützi­gen Tätigkeit­en verpflichtet wer­den, etwa in Auf­nah­meein­rich­tun­gen. Eine Ablehnung kann zu Leis­tungskürzun­gen führen, erk­lärt das Gutacht­en.

Die rechtliche Bew­er­tung ist umstrit­ten: Während das Bun­desver­wal­tungs­gericht 1983 diese Prax­is für zuläs­sig erk­lärte, stufte der Sachver­ständi­ge­nauss­chuss der Inter­na­tionalen Arbeit­sor­gan­i­sa­tion (ILO) sie 1984 als Ver­stoß gegen das Ver­bot von Zwangsar­beit ein – wenn bei Ablehnung exis­ten­zsich­ernde Leis­tun­gen gekürzt wer­den.

Trotz­dem dür­fen Geflüchtete – wenn sie arbeits­fähig sind – zu solchen Tätigkeit­en aufge­fordert wer­den. Lehnt jemand ohne guten Grund ab, kann es weniger Geld geben. Aber: Die Auf­gaben müssen zumut­bar sein. Nie­mand soll über­fordert wer­den oder etwas tun müssen, was ihm gesund­heitlich schadet. Und die Teil­nahme muss vorher genau besprochen und schriftlich fest­ge­hal­ten wer­den.

Jobcenter sieht Vorstoß kritisch

Nicht nur Geflüchtete sind Teil der Pläne. Auch Men­schen, die schon länger Bürg­ergeld bekom­men, sollen über solche Beschäf­ti­gun­gen wieder näher an den Arbeits­markt gebracht wer­den. Hier­bei arbeit­et die Stadt mit dem Job­cen­ter zusam­men. Allerd­ings sieht das Job­cen­ter diese Form der Beschäf­ti­gung eher kri­tisch: Die meis­ten Teil­nehmenden find­en danach keinen fes­ten Job. Bess­er sei oft eine Qual­i­fizierung oder Weit­er­bil­dung.

Trotz­dem unter­stützt das Job­cen­ter einige Arbeits­gele­gen­heit­en – etwa bei der Kindertafel, im Tafel­gar­ten oder bei der Klei­derkam­mer. Für 2025 sind knapp 50 Plätze geplant, die jew­eils für ein halbes Jahr vergeben wer­den. Dabei entste­hen monatliche Kosten zwis­chen 500 und 800 Euro pro Platz, die aus Bun­desmit­teln bezahlt wer­den.

„Ideenpool” und begrenzte Möglichkeiten

Weil solche Ange­bote auch organ­isiert, betreut und abgesichert wer­den müssen, braucht es engagierte Träger – also Vere­ine oder Ein­rich­tun­gen, die solche Ein­sätze begleit­en. Die Stadt will deshalb einen soge­nan­nten „Ideen­pool“ ein­richt­en, in dem Organ­i­sa­tio­nen sich melden kön­nen, wenn sie passende Auf­gaben haben.

Große Sprünge sind dabei aber nicht möglich. Die Stadtkasse ist knapp, zusät­zliche Aus­gaben kann Schw­erin sich kaum leis­ten. Ver­sicherung, Arbeit­sklei­dung oder Fahrkosten müssen größ­ten­teils von den Trägern über­nom­men wer­den. Darum soll das Ange­bot wach­sen – aber nur langsam und gezielt.

Erster Schritt, nicht Ersatz

Die Stadtver­wal­tung ist überzeugt: Wer mitar­beit­et, fühlt sich gebraucht, kommt mit anderen in Kon­takt und lernt schneller die Sprache. Vor allem für Geflüchtete, die noch keine Arbeit­ser­laub­nis haben, sind solche Ein­sätze eine erste Brücke in ein selb­st­ständi­ges Leben.

Kri­tik­er bemän­geln, dass viele Auf­gaben wenig mit dem reg­ulären Arbeits­markt zu tun haben. Und tat­säch­lich: Wer Stüh­le stellt oder Regale sortiert, qual­i­fiziert sich nicht automa­tisch für einen fes­ten Job. Die Stadt sieht diese Tätigkeit­en aber als einen ersten Schritt – nicht als Ersatz für Aus­bil­dung oder Beschäf­ti­gung.

In Schw­erin sollen Geflüchtete und langzeitar­beit­slose Bürg­ergeldempfänger kün­ftig mehr Gele­gen­heit­en bekom­men, sich aktiv einzubrin­gen. Die Stadt set­zt dabei auf Frei­willigkeit, Unter­stützung durch soziale Träger und kleine, prak­tis­che Schritte. Es geht nicht um Leis­tungskon­trolle oder Druck, son­dern um All­t­ag, Struk­tur – und ein Stück Teil­habe.