Geflüchtete und Bürgergeldempfänger:
Kontroverse um Arbeitspflicht – was Schwerin wirklich plant
Schwerin plant Arbeit für Geflüchtete und Bürgergeldempfänger – freiwillig, gemeinnützig, umstritten. SNO erklärt was genau geplant ist.

Mit einem Antrag in der Stadtvertretung hat die CDU-Fraktion Ende 2024 den Anstoß gegeben: Geflüchtete und Bürgergeldempfänger in Schwerin sollen sich stärker an gemeinnütziger Arbeit beteiligen. Die Idee dahinter: Wer Leistungen erhält, soll sich auch aktiv einbringen. Die Mehrheit der Stadtvertretung folgte dem Vorschlag – nun liegt ein Konzept der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) auf dem Tisch, das für heftigen Widerspruch gesorgt hat. Es zeigt, was konkret geplant ist, was rechtlich möglich ist – und wo die Grenzen liegen. Dieser Artikel beleuchtet, wie die Landeshauptstadt Schwerin das Thema Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber und Bürgergeldempfänger angehen will.
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In Schwerin tut sich etwas in Sachen Integration und Beschäftigung: Die Stadt will mehr Geflüchteten und langzeitarbeitslosen Bürgergeldempfängern eine sinnvolle Tätigkeit ermöglichen. Dafür sollen sogenannte Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden – gemeinnützige Aufgaben, für die es zwar keinen normalen Lohn, aber eine kleine Entschädigung gibt. Das Ziel: Menschen in den Alltag einbinden, ihnen Strukturen geben und sie auf das Arbeitsleben vorbereiten.
In der Gesellschaft ankommen
Schon heute helfen einige Geflüchtete in ihren Unterkünften mit – etwa bei der Essensausgabe, bei kleineren Hausmeisterdiensten oder indem sie Mitbewohner zu Ämtern begleiten. Künftig soll es mehr solcher Möglichkeiten geben, auch außerhalb der Unterkünfte. Vereine, soziale Einrichtungen oder Nachbarschaftsprojekte könnten mit ins Boot geholt werden. Denkbar sind Einsätze bei der Tafel, in Secondhand-Läden oder bei Stadtteilinitiativen.
Wer mitmacht, bekommt eine sogenannte Mehraufwandsentschädigung – aktuell 80 Cent pro Stunde. Viel ist das nicht, aber es soll auch nicht um Geld gehen, sondern um das Ankommen in der Gesellschaft. Die Stadt Schwerin will mit diesem Schritt den Menschen helfen, ihre Zeit hier sinnvoll zu nutzen, gerade dann, wenn sie noch keinen richtigen Job annehmen dürfen.
Wichtig ist der Stadtverwaltung: Es geht nicht um Zwangsarbeit. In Deutschland darf niemand einfach so zur Arbeit verpflichtet werden. Das verbietet das Grundgesetz. Auch wenn manche meinen, wer Unterstützung bekommt, müsse etwas „zurückgeben“, sieht das Gesetz das anders. So hat sich der „Wissenschaftliche Dienst des Bundestages” schon 2007 in einem Kurzgutachten damit beschäftigt, ob Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können.
Enger rechtlicher Rahmen für gemeinnützige Tätigkeiten
Internationale Abkommen wie die ILO-Übereinkommen und die Europäische Menschenrechtskonvention verbieten grundsätzlich Zwangs- oder Pflichtarbeit – mit wenigen Ausnahmen, etwa für Militärdienst oder allgemeine Bürgerpflichten. Auch das deutsche Grundgesetz schützt vor Zwangsarbeit, erlaubt sie aber zum Beispiel im Rahmen gerichtlicher Anordnungen.
Laut deutschem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 AsylbLG) können arbeitsfähige Asylbewerber zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden, etwa in Aufnahmeeinrichtungen. Eine Ablehnung kann zu Leistungskürzungen führen, erklärt das Gutachten.
Die rechtliche Bewertung ist umstritten: Während das Bundesverwaltungsgericht 1983 diese Praxis für zulässig erklärte, stufte der Sachverständigenausschuss der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sie 1984 als Verstoß gegen das Verbot von Zwangsarbeit ein – wenn bei Ablehnung existenzsichernde Leistungen gekürzt werden.
Trotzdem dürfen Geflüchtete – wenn sie arbeitsfähig sind – zu solchen Tätigkeiten aufgefordert werden. Lehnt jemand ohne guten Grund ab, kann es weniger Geld geben. Aber: Die Aufgaben müssen zumutbar sein. Niemand soll überfordert werden oder etwas tun müssen, was ihm gesundheitlich schadet. Und die Teilnahme muss vorher genau besprochen und schriftlich festgehalten werden.
Jobcenter sieht Vorstoß kritisch
Nicht nur Geflüchtete sind Teil der Pläne. Auch Menschen, die schon länger Bürgergeld bekommen, sollen über solche Beschäftigungen wieder näher an den Arbeitsmarkt gebracht werden. Hierbei arbeitet die Stadt mit dem Jobcenter zusammen. Allerdings sieht das Jobcenter diese Form der Beschäftigung eher kritisch: Die meisten Teilnehmenden finden danach keinen festen Job. Besser sei oft eine Qualifizierung oder Weiterbildung.
Trotzdem unterstützt das Jobcenter einige Arbeitsgelegenheiten – etwa bei der Kindertafel, im Tafelgarten oder bei der Kleiderkammer. Für 2025 sind knapp 50 Plätze geplant, die jeweils für ein halbes Jahr vergeben werden. Dabei entstehen monatliche Kosten zwischen 500 und 800 Euro pro Platz, die aus Bundesmitteln bezahlt werden.
„Ideenpool” und begrenzte Möglichkeiten
Weil solche Angebote auch organisiert, betreut und abgesichert werden müssen, braucht es engagierte Träger – also Vereine oder Einrichtungen, die solche Einsätze begleiten. Die Stadt will deshalb einen sogenannten „Ideenpool“ einrichten, in dem Organisationen sich melden können, wenn sie passende Aufgaben haben.
Große Sprünge sind dabei aber nicht möglich. Die Stadtkasse ist knapp, zusätzliche Ausgaben kann Schwerin sich kaum leisten. Versicherung, Arbeitskleidung oder Fahrkosten müssen größtenteils von den Trägern übernommen werden. Darum soll das Angebot wachsen – aber nur langsam und gezielt.
Erster Schritt, nicht Ersatz
Die Stadtverwaltung ist überzeugt: Wer mitarbeitet, fühlt sich gebraucht, kommt mit anderen in Kontakt und lernt schneller die Sprache. Vor allem für Geflüchtete, die noch keine Arbeitserlaubnis haben, sind solche Einsätze eine erste Brücke in ein selbstständiges Leben.
Kritiker bemängeln, dass viele Aufgaben wenig mit dem regulären Arbeitsmarkt zu tun haben. Und tatsächlich: Wer Stühle stellt oder Regale sortiert, qualifiziert sich nicht automatisch für einen festen Job. Die Stadt sieht diese Tätigkeiten aber als einen ersten Schritt – nicht als Ersatz für Ausbildung oder Beschäftigung.
In Schwerin sollen Geflüchtete und langzeitarbeitslose Bürgergeldempfänger künftig mehr Gelegenheiten bekommen, sich aktiv einzubringen. Die Stadt setzt dabei auf Freiwilligkeit, Unterstützung durch soziale Träger und kleine, praktische Schritte. Es geht nicht um Leistungskontrolle oder Druck, sondern um Alltag, Struktur – und ein Stück Teilhabe.