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„Genossen wir müssen alles wissen“

  (rm). Die Veranstaltung im Schleswig-Holstein-Haus in der Schweriner Puschkinstrasse war trotz des Spiels der Bayern gegen Barcelona und des Filmkunstfestes gut besucht. Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen

  • Veröffentlicht Mai 8, 2015

Lesung

 

(rm). Die Veranstaltung im Schleswig-Holstein-Haus in der Schweriner Puschkinstrasse war trotz des Spiels der Bayern gegen Barcelona und des Filmkunstfestes gut besucht. Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen in Görslow hatte zum Thema Alltag in der DDR geladen und viele kamen. Die Autoren erzählten von Verrat, Unterdrückung, Zersetzung und Betrug, aber auch von Menschen, die all dem widerstanden. Gudrun Weber und Thomas Auerbach lasen aus ihrem Buch „Genossen wir müssen alles wissen!“

 

„Ich habe es mit zu verantworten, dass die sozialistische Vision von Humanität und Gerechtigkeit in Verruf gekommen ist. Ich will keinen Abstrich davon erfeilschen, dass ich zu lange eine falsche Politik vertreten habe. Nicht zu entschuldigen ist, dass wir Unrecht an Menschen begingen, um Recht zu haben…“, schätzte Günter Schabowski, jener Mann der auf der legendären Pressekonferenz am 9. November 1989 die Öffnung der Mauer verkündete, die Schuld der SED in der DDR ein. War die DDR nun ein Unrechtsstaat? Natürlich war sie das.

 

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Institutionen haben in dem untergegangenen Staat flächendeckend die eigene Bevölkerung bespitzelt. Die Genossen der Sozialistischen Einheitspartei (SED) konnten sich auf ihren Spitzel verlassen. Die Staatssicherheit selbst schreckte nicht vor Zersetzungsmaßnahmen der perfidesten Art zurück, indem sie Wahrheiten mit Unwahrheiten vermischte und diese dann mit Hilfe ihrer hauptamtlichen und informellen Mitarbeiter unter die Bevölkerung brachte.

 

Postkarte

 

Wer nicht mitmachte, hatte nichts zu lachen. Viele der Mitläufer haben das ausgeblendet. Die DDR erscheint ihnen in einem rosigen Dunstschleier. Vergangenheitsbewältigung sieht anders aus. Anders als Schabowski, haben viele der alten Genossen ihre Teilhabe am Unterdrückungssystem in der DDR praktischerweise ausgeblendet. Selbstkritik an ihrer Mittäterschaft in der DDR liegt ihnen fern. Erich Mielkes berüchtigter Ausspruch: „Genossen wir müssen alles wissen“ bedarf keiner Erklärung.

 

„ Die Partei, die Partei die hat immer Recht, und Genossen, ich bleibe dabei…“, so heißt es in einem alten SED-Parteilied. Was gut und richtig ist bestimmten die Genossen. Mit der Stasi hatten sie sich einen gefügigen Helfer geschaffen. Die Krake Staatssicherheit erfüllte diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit der DDR- Machthaber und viele, zu viele Bürger machten mit!
Banalitäten, erschreckende Begebenheiten, beklemmende Berichte der IMs, aber auch heitere Episoden wechselten sich ab. So berichtete Thomas Auerbach über die vergebliche Suche der Stasi nach einem Kommando Goldbroiler. Dieses mysteriöse Kommando hatte im Sommer 1989 auf der Raststätte Stolpe Flugblätter geklebt. Ein eifriger Volkspolizist meldete den unerhörten Vorgang der Staatssicherheit.

 

Beängstigend, der Bericht über einen Henker der Strafvollzugsbehörde der sich über zu wenig Arbeit beim damaligen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, beschwerte. Ein gelungener, wenn auch teilweise beklemmender Abend. Gerne mehr dieser Art.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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