Von 450 auf 458:
Warum Schwerins Erhöhung der Gewerbesteuer zum Problem wird
Es rummort weiter: Schwerin beschließt Gewerbesteuer-Hebesatz von 458 % – AfD spricht von „faulen Hinterzimmer-Deal“, IHK warnt vor Abwanderung und rechnet mit 631 € Mehrkosten pro Betrieb.

Die Entscheidung ist gefallen: Die Stadtvertretung Schwerin hat in ihrer Sondersitzung am letzten Montag den Haushaltskompromiss angenommen – und damit auch die umstrittene Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 458 Prozentpunkte beschlossen. Trotz heftiger Kritik im Vorfeld stimmte die Mehrheit der Stadtvertreter für die Maßnahme. Die Reaktionen auf diesen Beschluss lassen nicht lange auf sich warten.
AfD spricht vom „faulen Hinterzimmer-Deal”
Besonders scharf kritisiert wird der Beschluss von der AfD-Fraktion, die von einem „faulen Hinterzimmer-Deal“ spricht. Fraktionsvorsitzende Petra Federau wirft der Stadtvertretung vor, mit der Steuererhöhung die wirtschaftliche Belastung erneut auf die Schultern der Leistungsträger abzuwälzen, statt strukturelle Einsparungen in der Verwaltung umzusetzen. Die FDP sowie die Mittelstandsvereinigung der CDU und der Unternehmerverband Schwerin äußerten schon im Vorfeld ihr Unverständnis zur Erhöhung der Gewerbesteuer.
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FDP-Stadtvertreter Paul Bressel sagte auf der Sitzung der Stadtvertretung: „Der Oberbürgermeister hat die Finanzen nicht im Griff. Jedes Mal werden Steuern und Gebühren erhöht.” Schwerin leiste sich die teuerste Verwaltung fügte Bressel hinzu.
Auch der Unternehmerverband übt Kritik an der Entscheidung der Stadtvertretung vom Montag. Schon im Vorfeld hatte der mitgliedstärkste Unternehmerverband in einem Offenen Brief die Stadtvertretung vor einer Erhöhung der Gewerbesteuer gewarnt.
Je schlechter die Lage umso stärker die Wirtschaft fördern
Was die Erhöhung konkret bedeutet
Die IHK hatte die Auswirkungen der Entscheidung anhand eines Rechenbeispiels deutlich gemacht:
Ein Einzelunternehmen mit einem Jahresgewinn von 250.000 Euro zahlt bei einem Hebesatz von 450 Prozentpunkten rund 3.946 Euro Gewerbesteuer. Mit dem neuen Hebesatz von 458 Punkten steigt diese Summe auf 4.577 Euro – eine jährliche Mehrbelastung von 631 Euro. Für viele inhabergeführte Betriebe mit knappen Margen sind das spürbare Summen, insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten mit hohen Betriebskosten und stagnierender Nachfrage.
CDU sieht Entscheidung als Kompromiss
Innerhalb der CDU war die Entscheidung umstritten. Stadtpräsident und CDU-Fraktionsmitglied Sebastian Ehlers schrieb im sozialen Netzwerk „Instagram”, dass man sich die Zustimmung „nicht leicht gemacht“ habe. Eine ursprünglich vorgeschlagene Erhöhung um 15 Punkte sei abgelehnt worden. Die nun beschlossene Variante mit acht Punkten mehr sei laut Ehlers ein Kompromiss, um die dringend benötigte Haushaltskonsolidierung mit möglichst geringen Mehrbelastungen zu verbinden. „Ein Unternehmen, das bisher 1.000 Euro gezahlt hat, wird künftig 1.018 Euro zahlen – das halten wir für zumutbar“, so Ehlers.
Anders sah es allerdings der Schweriner Wirtschaftsflügel seiner Partei. „Gerade jetzt, wo viele Betriebe noch mit den Nachwirkungen der Energiekrise und der hohen Inflation kämpfen, ist es das völlig falsche Signal, die Steuerlast weiter zu erhöhen“, so MIT-Kreisvorsitzender Christian Graf im Vorfeld der Stadtvertretersitzung. Die MIT sieht darin eine akute Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schwerin. Unternehmerinnen und Unternehmer dürften nicht länger als „Haushaltslückenfüller“ herhalten.
Wirtschaftsstandort Schwerin unter Druck
Trotz dieser Argumentation bleibt die Sorge in der Wirtschaft groß. In benachbarten Gemeinden liegt der Hebesatz teils deutlich unter 400 Prozentpunkten – ein Wettbewerbsvorteil, der Schwerin zunehmend zu schaffen macht. Auch die kürzlich beschlossene Erhöhung der Übernachtungssteuer zum 1. Mai 2025 sorgt für Unmut in der Tourismusbranche. Der Zeitpunkt – unmittelbar vor Beginn der Hauptsaison – gilt als besonders kritisch.
Gerade erst hat die IHK zu Schwerin den aktuellen Konjunktursbericht veröffentlicht. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Der IHK-Konjunkturindex fällt erneut deutlich. Unternehmen sind verunsichert, Investitionen stocken, Jobs stehen auf dem Spiel.
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Die Stadtvertretung hat sich am Montag trotzdem für einen finanzpolitischen Kurs entschieden, der kurzfristig den Haushalt entlasten soll – und langfristig möglicherweise die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Die Kritik der politischen Kritiker und der Wirtschaft ist scharf, und sie richtet sich nicht nur gegen die Höhe der Steuer, sondern vor allem gegen das politische Verfahren und das Signal, das damit gesendet wird. Ob die Entscheidung zur Stabilisierung der Finanzen beiträgt oder neue wirtschaftliche Probleme nach sich zieht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.