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Von 450 auf 458:
Warum Schwerins Erhöhung der Gewerbesteuer zum Problem wird

Es rummort weiter: Schwerin beschließt Gewerbesteuer-Hebesatz von 458 % – AfD spricht von „faulen Hinterzimmer-Deal“, IHK warnt vor Abwanderung und rechnet mit 631 € Mehrkosten pro Betrieb.

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  • Veröffentlicht Mai 28, 2025
Gewerbesteuererhöhung Schwerin
Die Entschei­dung die Gewerbesteuer in Schw­erin zu erhöhen sorgt weit­er für Diskus­sio­nen

Die Entschei­dung ist gefall­en: Die Stadtvertre­tung Schw­erin hat in ihrer Son­der­sitzung am let­zten Mon­tag den Haushalt­skom­pro­miss angenom­men – und damit auch die umstrit­tene Erhöhung des Gewerbesteuer­hebe­satzes auf 458 Prozent­punk­te beschlossen. Trotz heftiger Kri­tik im Vor­feld stimmte die Mehrheit der Stadtvertreter für die Maß­nahme. Die Reak­tio­nen auf diesen Beschluss lassen nicht lange auf sich warten.

AfD spricht vom „faulen Hinterzimmer-Deal”

Beson­ders scharf kri­tisiert wird der Beschluss von der AfD-Frak­tion, die von einem „faulen Hin­terz­im­mer-Deal“ spricht. Frak­tionsvor­sitzende Petra Fed­er­au wirft der Stadtvertre­tung vor, mit der Steuer­erhöhung die wirtschaftliche Belas­tung erneut auf die Schul­tern der Leis­tungsträger abzuwälzen, statt struk­turelle Einsparun­gen in der Ver­wal­tung umzuset­zen. Die FDP sowie die Mit­tel­standsvere­ini­gung der CDU und der Unternehmerver­band Schw­erin äußerten schon im Vor­feld ihr Unver­ständ­nis zur Erhöhung der Gewerbesteuer.

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FDP-Stadtvertreter Paul Bres­sel sagte auf der Sitzung der Stadtvertre­tung: „Der Ober­bürg­er­meis­ter hat die Finanzen nicht im Griff. Jedes Mal wer­den Steuern und Gebühren erhöht.” Schw­erin leiste sich die teuer­ste Ver­wal­tung fügte Bres­sel hinzu.

Auch der Unternehmerver­band übt Kri­tik an der Entschei­dung der Stadtvertre­tung vom Mon­tag. Schon im Vor­feld hat­te der mit­glied­stärk­ste Unternehmerver­band in einem Offe­nen Brief die Stadtvertre­tung vor ein­er Erhöhung der Gewerbesteuer gewarnt.

Je schlechter die Lage umso stärker die Wirtschaft fördern

Wir ste­hen weit­er­hin zu unser­er Ein­schätzung, so die Geschäfts­führerin des Ver­ban­des, Pamela Buggen­hagen auf SNO-Anfrage: Zwar anerken­nen man „die Sparbe­mühun­gen der Stadt“, doch ob die zusät­zliche Gewerbesteuer wirk­lich in voller Höhe bei der Kom­mune ankommt, bliebe fraglich. Die anhal­tende Rezes­sion drückt Gewinne – und damit die Steuer­ba­sis – viel­er Branchen, sodass unklar ist, wie die kün­ftig weit­er steigen­den Kosten gedeckt wer­den sollen. Das könne „jet­zt vielle­icht ein Jahr funk­tion­ieren, im näch­sten Jahr erneut nicht“, warnt Buggen­hagen. Die Geschäfts­führeri des Unternehmerver­ban­des sagte weit­er, dass Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD) kür­zlich  bei der gemein­samen Beratung mit ihrem Ver­band sagte: „Die sieben fet­ten Jahre sind vor­bei“ – und in allen Bere­ichen werde es deshalb „Ein­schnitte geben müssen“.

„Diese Ein­schätzung teilen wir voll­ständig und fügen hinzu: Je schlechter die Wirtschaft­slage, desto größer wer­den diese Ein­schnitte aus­fall­en. Die Kon­se­quenz müsse daher laut­en: Sparen und gle­ichzeit­ig mit aller Kraft die Wirtschaft fördern”, so Buggen­hagen. Das erkenne sie nun aber im Bech­luss der Stadtvertreter nicht.

Die Indus­trie- und Han­del­skam­mer zu Schw­erin (IHK) hat­te im Vor­feld ein­dringlich vor ein­er Erhöhung gewarnt. IHK-Haupt­geschäfts­führer Peter Todt sprach von einem „fatal­en Zeichen an die Wirtschaft“, ins­beson­dere da bere­its im ver­gan­genen Jahr ein ähn­lich­er Vorschlag abgelehnt wor­den war. Die erneute Kehrtwende inner­halb so kurz­er Zeit unter­grabe das Ver­trauen in die poli­tis­che Ver­lässlichkeit der Stadtvertre­tung, so Todt.

Was die Erhöhung konkret bedeutet

Die IHK hat­te die Auswirkun­gen der Entschei­dung anhand eines Rechen­beispiels deut­lich gemacht:
Ein Einzelun­ternehmen mit einem Jahres­gewinn von 250.000 Euro zahlt bei einem Hebe­satz von 450 Prozent­punk­ten rund 3.946 Euro Gewerbesteuer. Mit dem neuen Hebe­satz von 458 Punk­ten steigt diese Summe auf 4.577 Euro – eine jährliche Mehrbe­las­tung von 631 Euro. Für viele inhab­erge­führte Betriebe mit knap­pen Mar­gen sind das spür­bare Sum­men, ins­beson­dere in wirtschaftlich unsicheren Zeit­en mit hohen Betrieb­skosten und stag­nieren­der Nach­frage.

CDU sieht Entscheidung als Kompromiss

Inner­halb der CDU war die Entschei­dung umstrit­ten. Stadt­präsi­dent und CDU-Frak­tion­s­mit­glied Sebas­t­ian Ehlers schrieb im sozialen Net­zw­erk „Insta­gram”, dass man sich die Zus­tim­mung „nicht leicht gemacht“ habe. Eine ursprünglich vorgeschla­gene Erhöhung um 15 Punk­te sei abgelehnt wor­den. Die nun beschlossene Vari­ante mit acht Punk­ten mehr sei laut Ehlers ein Kom­pro­miss, um die drin­gend benötigte Haushalt­skon­so­li­dierung mit möglichst gerin­gen Mehrbe­las­tun­gen zu verbinden. „Ein Unternehmen, das bish­er 1.000 Euro gezahlt hat, wird kün­ftig 1.018 Euro zahlen – das hal­ten wir für zumut­bar“, so Ehlers.

Anders sah es allerd­ings der Schw­er­iner Wirtschafts­flügel sein­er Partei. „Ger­ade jet­zt, wo viele Betriebe noch mit den Nach­wirkun­gen der Energiekrise und der hohen Infla­tion kämpfen, ist es das völ­lig falsche Sig­nal, die Steuer­last weit­er zu erhöhen“, so MIT-Kreisvor­sitzen­der Chris­t­ian Graf im Vor­feld der Stadtvertreter­sitzung. Die MIT sieht darin eine akute Gefährdung der Wet­tbe­werb­s­fähigkeit des Wirtschafts­stan­dorts Schw­erin. Unternehmerin­nen und Unternehmer dürften nicht länger als „Haushalt­slück­en­füller“ her­hal­ten.

Wirtschaftsstandort Schwerin unter Druck

Trotz dieser Argu­men­ta­tion bleibt die Sorge in der Wirtschaft groß. In benach­barten Gemein­den liegt der Hebe­satz teils deut­lich unter 400 Prozent­punk­ten – ein Wet­tbe­werb­svorteil, der Schw­erin zunehmend zu schaf­fen macht. Auch die kür­zlich beschlossene Erhöhung der Über­nach­tungss­teuer zum 1. Mai 2025 sorgt für Unmut in der Touris­mus­branche. Der Zeit­punkt – unmit­tel­bar vor Beginn der Haupt­sai­son – gilt als beson­ders kri­tisch.

Ger­ade erst hat die IHK zu Schw­erin den aktuellen Kon­junk­turs­bericht veröf­fentlicht. Die Ergeb­nisse lassen aufhorchen: Der IHK-Kon­junk­turindex fällt erneut deut­lich. Unternehmen sind verun­sichert, Investi­tio­nen stock­en, Jobs ste­hen auf dem Spiel.

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Die Stadtvertre­tung hat sich am Mon­tag trotz­dem für einen finanzpoli­tis­chen Kurs entsch­ieden, der kurzfristig den Haushalt ent­las­ten soll – und langfristig möglicher­weise die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit gefährdet. Die Kri­tik der poli­tis­chen Kri­tik­er und der Wirtschaft ist scharf, und sie richtet sich nicht nur gegen die Höhe der Steuer, son­dern vor allem gegen das poli­tis­che Ver­fahren und das Sig­nal, das damit gesendet wird. Ob die Entschei­dung zur Sta­bil­isierung der Finanzen beiträgt oder neue wirtschaftliche Prob­leme nach sich zieht, wird sich in den kom­menden Monat­en zeigen.