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AKTUALISIERT: Heute entscheidet sich, wer in die Chefetage der Stadtverwaltung einzieht

Wenn die Stadtvertretung Schwerins am heutigen Montag zusammentritt, stellt sie entscheidende Weichen für die weitere Arbeit der Stadtverwaltung. Denn zwei von zukünftig vier Dezernats-Leitungen gilt es heute zu wählen. 19

  • Veröffentlicht März 28, 2022
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Heute Abend hat die Stadtvertre­tung in Schw­erin die Wahl. | Foto: Gabi Eder / pixelio.de

Man ver­rät kein Geheim­nis, wenn man darauf hin­weist, dass es in der Stadtvertre­tung Schw­erins zwis­chen den Frak­tio­nen von CDU/FDP, Unab­hängige Bürg­er (UB) und Die Linke eine recht feste Koop­er­a­tion gibt. Der Umstand, dass nun also drei Frak­tio­nen zusam­me­nar­beit­en, hat allerd­ings nicht nur recht häu­fig vorherse­hbare Mehrheit­en in diversen Abstim­mungen der Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter zur Folge. Sie trägt noch ganz andere Blüten. Denn jede dieser Frak­tio­nen möchte sich let­ztlich möglichst auch in der Spitze der Stadtver­wal­tung wiederfind­en, wie auch CDU/FDP-Frak­tion­schef Gert Rudolf sagt: „Es ist gelebte kom­mu­nalpoli­tis­che Prax­is, dass sich bei der Beset­zung der Ver­wal­tungsspitze die poli­tis­chen Mehrheit­en in der Stadtvertre­tung abbilden sollen.”

Damit meint er natür­lich eben die beschriebene Dreier-Kon­stel­la­tion. Diese Ver­wal­tungsspitze aber hat­te bis­lang nur drei Dez­er­nen­ten. Das sind neben Ober­bürg­er­meis­ter Dr. Rico Baden­schi­er (SPD), der Chef eines der Dez­er­nate ist, noch Bernd Not­te­baum (CDU) und Andreas Ruhl (SPD). Ruhls Amt­szeit läuft nun dem­nächst aus, so dass seine Stelle neu zu vergeben ist.

 

Zwei Posten für drei Fraktionen – Das reichte nicht

Ein Blick auf die Parteizuge­hörigkeit­en zeigt: Selb­st wenn Andreas Ruhl gar nicht mehr dabei wäre, wür­den nicht alle drei Koop­er­a­tions-Frak­tio­nen bedi­ent. Die CDU/FDP-Frak­tion hat ihren Dez­er­nen­ten. Die anderen bei­den müssten sich jet­zt um einen Stuhl stre­it­en. Um Stre­it zu ver­hin­dern, beschloss die Stadtvertre­tung mit eben dieser Mehrheit bere­its im Herb­st 2020 die Schaf­fung ein­er weit­eren Dez­er­nen­ten­stelle. Vier sollen dann die Arbeit machen, die bish­er drei geschafft haben. Laut Stadt­sprecherin Michaela Chris­ten hat diese für das gesamte neue Dez­er­nats­büro – also den Dez­er­nen­ten, und sein Team – Per­son­alkosten in Höhe von 250. 000 Euro zur Folge.  Etwa eine Viertelmil­lion Euro im Jahr also.

 

Überraschend: 19 Bewerbungen auf die zwei freien Stellen

Vor etwa vier Monat­en erfol­gten bere­its die Auss­chrei­bun­gen eben dieser neuen Dez­er­nen­ten­stelle – für Finanzen, Bürg­erser­vice, Ord­nung und Kul­tur – sowie der bish­er durch Andreas Ruhl beset­zten für Soziales, Jugend und Bil­dung zur Folge. Und es kam ordentlich Post im Stadthaus an. Auf die derzeit durch Andreas Ruhl beset­zte Stelle bewer­ben sich neun Per­so­n­en – Ruhl selb­st eingeschlossen. Eben­falls hat die Kreisvor­sitzende der Linkspartei, Karin Müller, ihren Hut in den Ring gewor­fen, die nach Auskun­ft der Links-Frak­tion in der Stadtvertre­tung bere­its in der Stadt- wie auch Lan­desver­wal­tung im Sozial­bere­ich tätig war. Auf die neue Stelle bewar­ben sich gar zehn Per­so­n­en. Darunter auch Andreas Ruhl, der auf langjährige Erfahrung im Finanz- und Kul­turbere­ich zurück­blick­en kann, sowie Sil­vio Horn, derzeit im Innen­min­is­teri­um tätig und eben­falls finanz­er­fahren.

 

Sozialdez­er­nent Andraes Ruhl hat schnell reagiert. | Foto: LHS

Stadtvertretung schaute offenbar kaum in die Bewerbungen

Nach Ablauf der Bewer­bungs­frist prüfte zunächst die Per­son­alver­wal­tung der Stadt alle einge­gan­genen Bewer­bun­gen auf per­sön­liche und gesund­heitliche Voraus­set­zun­gen für die Beru­fung in ein Beamten­ver­hält­nis eben­so wie auf Nach­weise ein­er erforder­lichen Fachkom­pe­tenz. Im Anschluss hat­ten alle Mit­glieder der Stadtvertre­tung die Möglichkeit, sämtliche Unter­la­gen der Bewer­berin­nen und Bewer­ber einzuse­hen. Davon allerd­ings macht­en, wie zu hören ist, nur sehr wenige wirk­lich Gebrauch. Allein dies ist bere­its ein deut­lich­er Beleg dafür, dass hin­ter den Kulis­sen über­wiegend die Vorschläge schon fest­standen. Denn die Mit­glieder der Stadtvertre­tung haben das Vorschlagsrecht hin­sichtlich der let­ztlich zur Wahl ste­hen­den Per­so­n­en.

 

AfD-Fraktion überraschte mit Vorschlägen

Spätestens in dieser Woche ist klar: Kommt es jet­zt zu kein­er großen Über­raschung mehr, denn bis zur Wahl kön­nen noch Kan­di­dat­en nominiert wer­den, bleibt es bei den bekan­nten Namen. Andreas Ruhl, der sich auf bei­de Dez­er­nate bewirbt, Karin Müller und Sil­vio Horn. Sie wur­den durch die Frak­tio­nen der Stadt vorgeschla­gen. Karin Müller eben­so erwartungs­gemäß von der Links-Frak­tion wie Sil­vio Horn von der UB-Frak­tion. Lediglich im Fall Andraes Ruhl kam es zu ein­er kleinen Über­raschung. Während die SPD-Frak­tion ihn erwartungs­gemäß als Kan­di­dat­en für das neue Dez­er­nat in den Ring schickt, schlug ihn die AFD-Frak­tion für seinen bish­eri­gen Posten vor. Nur ein Bewer­ber aus den übri­gen schaffte es noch auf die Vorschlagsliste. Axel Böhm, vorgeschla­gen von der AfD-Frak­tion für die neue Stelle. Böhm ist Käm­mer­er und erster Stel­lvertreter der Bürg­er­meis­terin in Königs-Wuster­hausen und wohl gebür­tiger Ros­tock­er.

 

Sil­vio Horn, Frak­tionsvor­sitzen­der Unab­hängige Bürg­er (UB) Schw­erin

Nur ein externer Kandidat steht zur Wahl

Damit ist let­zten Endes klar, dass die Wahl dieser zen­tralen, die Geschicke der Stadt steuern­den, Posi­tio­nen let­ztlich eine nahezu rein poli­tis­che Entschei­dung vor Ort ist, die äußerst wenig Spiel­raum für neue Gesichter und frischen Wind ermöglicht. Lediglich der AfD-Vorschlag für das neue Dez­er­nat fällt hier aus der Rei­he. Es wäre schon erstaunlich, wenn unter allen anderen Bewer­berin­nen und Bewer­bern tat­säch­lich keine einzige Per­son gewe­sen sein sollte, die nicht auf dem Lev­el der genan­nten Kan­di­dat­en mithal­ten kön­nte. Eine Chance, wirk­lich neue Impulse zu set­zen, kön­nte damit vergeben wer­den.

 

Klare Kriterien führten zu eigenen Kandidaten?

Dabei sollte man annehmen, dass ger­ade für so zen­trale Posi­tio­nen auch ger­ade bei ein­er großen Auswahl auch klare Fak­ten fernab des jew­eils poli­tis­chen Zuge­hörigkeit eine Rolle spie­len. Grund­sät­zlich hört sich dies bei der Frak­tionsvor­sitzen­den der SPD, Mandy Pfeifer, auch so an. „Für die Frak­tion­s­mit­glieder waren bei der Entschei­dungs­find­ung die fach­liche und per­sön­liche Eig­nung der Bewer­berin­nen und Bewer­ber auss­chlaggebend. Näher betra­chtet wur­den unter anderem die kom­mu­nalpoli­tis­che Erfahrung, eigene Ideen und Arbeitss­chw­er­punk­te sowie die Führungser­fahrung der Kan­di­dieren­den”. Let­ztlich erfüllte wohl nur SPD-Mit­glied Ruhl diese Kri­te­rien. Ähn­lich sieht es bei den Unab­hängi­gen Bürg­ern (UB) aus. Auch hier stell­ten nach Auskun­ft der Frak­tion­s­geschäfts­führerin „Eig­nung und Befähi­gung, also wer über die fach­liche Qual­i­fika­tion und Führungser­fahrun­gen ver­fügt” die Auswahlkri­te­rien. Dabei lan­de­ten die Unab­hängi­gen Bürg­er let­ztlich bei ihrem Frak­tion­schef Horn.

Auch die Links-Frak­tion, deren Vor­sitzen­der Gerd Böttger nicht näher auf Auswahlkri­te­rien eing­ing, wohl auch, da ein Dez­er­nat für die Frak­tion Teil des Deals sein dürfte, lan­dete schließlich, wie die SPD und die Unab­hängi­gen Bürg­er, bei einem Vorschlag aus den eige­nen Rei­hen. Ein Kri­teri­um allerd­ings sollte die Per­son dann offen­bar doch erfüllen: „Viele Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter haben den Wun­sch geäußert, eine Frau für die Ver­wal­tungsspitze vorzuschla­gen. Mit Karin Müller ist es uns gelun­gen, eine kom­pe­tente Frau für diese Auf­gaben zu gewin­nen und ich hoffe auf eine bre­ite Unter­stützung bei der Wahl am kom­menden Mon­tag“, so Böttger.

 

Axel Böhm, Käm­mer­er und stel­lv. Bürg­er­meis­ter in Königs Wuster­hausen | Foto: pri­vat

Eher eine politische als eine echte Wahl

Während die CDU/FDP-Frak­tion unter Ver­weis darauf, dass man ja bere­its einen eige­nen Beige­ord­neten habe und daher keinen Wahlvorschlag für die bei­den aktuellen Posi­tio­nen abgäbe, hat­te die AfD offen­bar mit den Vorschlä­gen Andreas Ruhl (SPD) und Axel Böhm, eben­falls kein AfD-Mit­glied, keine zumin­d­est unmit­tel­bar erkennbaren, parteipoli­tis­chen Inter­essen im Blick. „Wir haben uns die Bewer­bun­gen sehr genau angeschaut und in der Frak­tion berat­en. Unser Augen­merk lag dabei sowohl auf der fach­lichen als auch per­sön­lichen Eig­nung der Bewer­ber”, so die Frak­tionsvor­sitzende Petra Fed­er­au.

Immer wieder also standen – offiziell – recht klare Kri­te­rien im Blick­punkt. Mit Aus­nahme des AfD-Vorschlags Axel Böhm find­et sich bis­lang allerd­ings nie­mand außer­halb der Schw­er­iner Kom­mu­nalpoli­tik auf der Vorschlagsliste. Se alle wür­den dem­nach die Kri­te­rien nicht erfüllen. Zumin­d­est unwahrschein­lich. Eher scheint die kom­mu­nale Poli­tik das zen­trale Kri­teri­um zu sein, die let­ztlich frischen Wind in den wichti­gen Posi­tio­nen ver­hin­dern dürfte. Die Chefin der Grü­nen-Frak­tion, Regi­na Dorf­mann brachte es auf den Punkt: „Uns war und ist bewusst, dass es einen ganz starken poli­tis­chen Anteil bei der Ver­gabe dieser Posten gibt. Wir gehen nicht davon aus, dass wir für einen alter­na­tiv­en Kan­di­dat­en eine Mehrheit bekom­men wür­den. Dann muss ich diese Bewer­berin­nen und Bewer­ber dem auch nicht aus­set­zen. Daher haben wir auf eigene Wahlvorschläge verzichtet.

 

Karin Müller, DIE LINKE | Foto: DIE LINKE

Läuft es nach Fahrplan heute Abend?

Heute ab 17 Uhr also gilt es. Unter Tage­sor­d­nungspunkt 9 ste­hen die bei­den Wahlen an. Im ersten Wahl­gang sind, so der Leit­er des Büros der Stadtvertre­tung, Patrick Nemitz, mehr als die Hälfte der Stim­men aller Mit­glieder der Stadtvertre­tung erforder­lich, um gewählt zu sein. Das sind min­destens 23.  In einem zweit­en Wahl­gang gilt das­selbe. Erst im drit­ten Wahl­gang ist dann die ein­fache Mehrheit, also die höch­ste Anzahl an abgegebe­nen Stim­men, aus­re­ichend. Dann dürfte sich zeigen, ob die vere­in­barten Mehrheit­en ste­hen. Oder ob es in der Wahlk­a­bine, in der jed­er ganz für sich seine Stimme abgibt, nicht doch per­sön­liche Entschei­dun­gen gibt. Denn let­ztlich sind die Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter in ihrer Wahl frei. Von weit­eren Vorschlä­gen aus der verbliebe­nen lan­gen Rei­he an Bewer­bun­gen ist zumin­d­est nicht auszuge­hen. Aber den­noch ist es natür­lich nicht aus­geschlossen, dass es heute Abend zu Über­raschun­gen kommt.

 

Aktualisierte Information vom 28. März 2022, 14:30 Uhr

Eine erste Über­raschung gab es bere­its am frühen Nach­mit­tag. Gut zweiein­halb Stun­den vor Beginn der Sitzung der Stadtvertre­tung nominierte Stadtvertreter Stephan Mar­ti­ni (ASK) eine weit­ere Kan­di­datin für den Posten der Sozialdez­er­nentin bzw. des Sozialdez­er­nen­ten. Mit Sibylle Götz ste­ht damit eine weit­ere Frau für diesen Posten zur Wahl. Nach Ein­schätzung Mar­ti­nis ver­füge sie dabei über mehr Man­age­ment-Erfahrung als Karin Müller und sei auch darüber hin­aus min­destens eben­so geeignet wie Müller und Ruhl. Darüber hin­aus sei sie mit ein­er Behin­derung gle­ichgestellt. „Frau Götz als Beige­ord­nete wäre also auch ein starkes Sig­nal in Sachen Gle­ich­stel­lung”, erk­lärt Stef­phan Mar­ti­ni.

„Und nun wird es span­nend. Wenn die Stadtvertre­tung bei gle­ich­er Eig­nung Frauen den Vor­rang gibt, und wenn die Stadtvertre­tung geset­zliche Regelun­gen berück­sichtigt, dass Men­schen mit ein­er Behin­derung Vor­rang erhal­ten, müsste sich – wenn die Stadtvertre­tung glaub­haft bleiben möchte – Frau Götz am Ende als Kan­di­datin durch­set­zen”, so Mar­ti­ni.

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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