Mi, 24. April 2024
Close

Intown-Bericht des NDR: Stadtvertreter der LINKEN fordert Konsequenzen

Anfang April strahlte die ARD-Sendung Panorama einen Beitrag aus, der sich unter anderem mit den undurchsichtigen Strukturen der Firma „Intown Wohnen Schwerin GmbH“ beschäftigt. Das Unternehmen hatte 2015 von der kommunalen

  • Veröffentlicht April 23, 2019
Archivbild: So wie dieser Wohnblock, waren alle von Intown gekauften Blöcke in einem schlechten Zustand.

Anfang April strahlte die ARD-Sendung Panorama einen Beitrag aus, der sich unter anderem mit den undurchsichtigen Strukturen der Firma „Intown Wohnen Schwerin GmbH“ beschäftigt. Das Unternehmen hatte 2015 von der kommunalen Wohnungsverwaltungsgesellschaft WGS über  1.000 Wohnungen erworben. Der Verkauf städtischen Wohnraums war notwendig geworden, nachdem bei der WGS ein Sanierungsstau entstanden war und das hoch verschuldete Unternehmen sich nicht in der Lage sah, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren. Die Interessenten für die „Schrottwohnungen“, wie mancher das Wohnungspaket hinter vorgehaltener Hand bezeichnete, standen nicht gerade Schlange. Immer wieder betonte WGS-Geschäftsführer in der Vergangenheit, dass alleine das Unternehmen „Intown Wohnen Schwerin GmbH“ bereit gewesen sei, die von der Stadt gestellten Bedingungen zu akzeptieren. Die Wohnungen wurden daher an Intown verkauft. Immer wieder gibt es seit dem Beschwerden von Mietern über den Umgang der jetzigen Vermieter mit ihnen. So wurden in Intown-Blöcken im Winter plötzlich Heizungen abgeschaltet. Immer wieder geht es auch um Schimmel in Wohnungen. Die Hausverwaltung sei schlecht zu erreichen und Kommunikation sei oft überhaupt nicht möglich, so der häufige Vorwurf gegen Intown. 

 

„Da geht es um das offensichtliche Verschleiern von wesentlichen Tatsachen“

 

Auch die Stadtvertretung hat sich nach dem Verkauf immer wieder mit dem Thema beschäftigen müssen. Deutlich wurde dabei, dass damals seitens des Unternehmens mehr versprochen wurde als letztlich eingehalten werden konnte. Inzwischen sind allerdings die Sanierungsarbeiten der maroden Gebäudekomplexe angelaufen. Der NDR ging nun in seinem Beitrag dem Thema nach, wem die Wohnungen eigentlich wirklich gehören? Das Ergebnis der Recherche lässt aufhorchen: Die mittlerweile in „Projekt Wohnen Schwerin GmbH“ umbenannte Firma gehört offiziell zwei Firmen, die auf Zypern registriert sind: „Retzian Limited“ und „Livenio Limited“. Beide werden von Mitarbeitern einer zyprischen Anwaltskanzlei verwaltet. Und wem diese beiden Firmen gehören, ist nirgendwo öffentlich nachzulesen.

Wer den wahren Eigentümer sucht, landet früher oder später bei einer Adresse in Berlin-Kreuzberg. Denn dort war die Firma „Projekt Schwerin Wohnen GmbH“ 2015 registriert und dort sitzt noch heute die Gesellschaft, die für die Verwaltung der Immobilien zuständig ist. Früher hieß diese Firma „Intown Property Management“, heute steht an der Tür: „Lianeo Real Estate“. Mehr als 130 Firmen sind unter dieser Adresse registriert, in der Regel besitzen sie jeweils eine große oder mehrere kleinere Immobilien.

Für Rüdiger Quedenfeld, der sich seit über 20 Jahren mit dem Bereich Wirtschaftskriminalität beschäftigt, und  als externer Geldwäschebeauftragter für diverse  Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute Finanzströme untersucht, ist der Fall klar. Im NDR-Bericht macht der Experte deutlich: „Hier geht es nicht um klare Unternehmens-, Beteiligungs- und Finanzstrukturen. Da geht es um das offensichtliche Verschleiern von wesentlichen Tatsachen. Für Außenstehende bestehe nicht die Möglichkeit zu erfahren, wem diese Firmen gehören.“

Auch ein Insider auf Zypern kommt im Panorama-Bericht zu Wort. „Wenn man als Investor nur einen kleinen Anteil an einer deutschen Immobilie verkaufen möchte, dann geht das über eine Holdingfirma auf Zypern leichter.“ Und es gibt noch einen Vorteil: „In Deutschland kann man nichts von diesen Verkäufen sehen.“ Offenbar gibt es in Deutschland also Schlupflöcher, die einen Weiterverkauf von Wohnungen auf völlig intransparenter Weise möglich machen. Das erschreckt. 

 

Gab es vereinbarungswidrig einen Weiterverkauf?

 

WGS-Geschäftsführer, Thomas Köchig sagt im Panorama-Interview, dass ihm die Struktur des Firmengeflechts 2015 nicht bekannt gewesen sei. Für ihn sei lediglich wichtig gewesen, dass eine deutsche GmbH als Vertragspartner vorhanden gewesen ist, die garantiert, dass der Wohnraum in den nächsten zehn Jahren in ihrem Bestand bleiben würde. Genau daran kommen nun aber nach den NDR-Recherchen Zweifel auf. Die Stadt wollte damals Spekulationen um ihren Wohnraum verhindern. Genau das scheint nun aber, von der Stadt völlig unbemerkt, passiert zu sein. 

Die  „Projekt Wohnen Schwerin GmbH“ gehörte nach dem Verkauf dem „Dayan Family Office“. Mittlerweile hat aber die Aktiengesellschaft „Grand City Properties“ die Mehrheit an den beiden zyprischen Gesellschaften übernommen, denen wiederum die „Projekt Wohnen Schwerin GmbH“ gehört. „Grand City Properties“ bestätigt ein „Eigentum durch Beteiligung“. Die Aktiengesellschaft „genehmigt“ auch „das gesamte Investitionsbudget“ für die Sanierung der über 1.000 Wohnungen in Schwerin, schreibt „Lianeo Real Estate“ als Antwort auf eine NDR-Presseanfrage.

Fragwürdig sind diese Entwicklungen sicherlich auch unter dem Aspekt zu sehen, dass die Grand City Properties 2015 der einzig verbliebene Mitbieter der Projekt Wohnen Schwerin GmbH gewesen ist. Damals erhielt das Unternehmen nicht den Zuschlag. Über den Umweg Zypern sind sie nun doch Eigentümer. Und das, obwohl der ursprüngliche Verkäufer sich verpflichtet hatte, den Wohnraum zehn Jahre zu halten. 

Merkwürdig ist auch, dass eine Reaktion der Stadtpolitik auf die NDR-Recherchen bisher weitestgehend ausgeblieben ist. Schweigen statt Antworten auf die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass man kommunales Wohneigentum hier einem intransparenten Firmengeflecht in die Hand gespielt hat und offenbar immer noch seitens des Vermieters unzulängliches Beschwerdemanagement betrieben wird. 

 

„Die sind ihrer Verantwortung meiner Ansicht nach nicht nachgekommen.“

 

Der LINKEN-Stadtvertreter Dirk Rosehr fordert den Rücktritt von WGS-Geschäftsführer Thomas Köchig und dem Aufsichtsrat

Der LINKEN-Stadtvertreter Dirk Rosehr forderte nun in der vergangenen Woche Konsequenzen aus der Causa Intown. „Was mich erschreckt hat, ist dass mit den Mietern nach wie vor katastrophal umgegangen wird. Nicht eingehaltene Zusagen, schlechte Wohnsubstanz und mangelhafte Kommunikation.  Die Aussagen des WGS- Geschäftsführers Thomas Köchig und die Recherchen des NDR machen  deutlich, dass weder die Geschäftsführung, noch der zuständige Aufsichtsrat ihrer Sorgfaltskeitspflicht und ihrer sozialen Verantwortung nachgekommen sind.“, ärgert sich Rosehr. 

Sein Ärger gipfelt in der Forderung, dass Thomas Köchig und der Aufsichtsrat der WGS nun zurücktreten müssten. „Die sind ihrer Verantwortung meiner Ansicht nach nicht nachgekommen.“, so der LINKEN-Politiker. Die Rücktrittsforderungen gegen den WGS-Geschäftsführer und gegen den Aufsichtsrat,wirken allerdings ein wenig so als ob man nun ein Bauernopfer suchen möchte. 2015 war auch Rosehrs Fraktion für den Verkauf. 

Als die SPD-Fraktion damals mit einem Antrag erreichen wollte, dass die Schweriner Stadtvertretung über den Wohnungsverkauf abstimmt, stand sie damals alleine auf weiter Flur. Auch die LINKE wies den Antrag damals zurück. Offensiv unterstütze man den Wohnungsverkauf. Im „Offenen Blatt“ der LINKEN, wurde die Entscheidung damals so begründet:

„Der Aufsichtsrat der WGS hat lange und intensiv beraten und kam zu dem Ergebnis, dass nur ein Verkauf von Wohnungen die wirtschaftliche Situation der WGS retten kann. Denn ehrlicher Weise muss man sagen, dass wir vor einer grundsätzlichen Entscheidung stehen. Unsere Wohnungsgesellschaft ist wirtschaftlich so schwach, dass wir Geld brauchen, um sie zu retten. Banken geben keine Kredite mehr und die Stadt haftet bereits mit einer 60-Millionen-Bürgschaft. Geld kann dabei zunächst nur aus dem Verkauf von Wohnungen kommen. Also Verkauf von Wohnungen der WGS oder Verlust der kommunalen Wohnungsgesellschaft – so könnte man die Situation kurz zusammenfassen.“

Rücktrittsforderungen führen am Ende nicht weiter. Verantwortlich für das Dilemma ist die Stadtpolitik in ihrer Gesamtheit. Offensichtlich hatte sich niemand darüber informiert, mit wem man es am anderen Ende des Tisches zu tun hat. Das ist das Versäumnis. Nun „Haltet den Dieb“ in die eine oder die andere Richtung zu brüllen, mag sich im Wahlkampf gut machen. Zu einem Ergebnis führt es allerdings nicht. Vielmehr sollte man sich um eine ernsthafte Aufarbeitung der damaligen Vorgänge bemühen. 

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

1 Comment

  • Ich unterstütze die Forderung des Stadtvertreters Dirk Rosehr voll und ganz. Die Menschen in den betroffenen Wohnungen müssen das ausbaden was die WGS ihnen eingebrockt hat. Das die WGS und der Aufsichtsrat hier so ungeschoren davon kommen ist ein absolutes Unding. Wenn ich am 26. Mai den Sprung in die Stadtvertretung schaffe werde ich alles dafür tun, dass sich derartige Zwischenfälle nicht wiederholen. Kommunales Eigentum darf nicht verkauft und Privatisiert werden. Dies gilt für WGS Wohnungen genauso wie für Paulshöhe.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert