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Wohnpark Zippendorf: „Jeden Tag kämpfen wir um Fachkräfte“

  Arbeiten in der Altenpflege? Viele Menschen würden sicherlich spontan sagen, für mich ist das nichts. Dabei gehört es zur Wahrheit, dass jeder von uns einmal alt wird und dann

  • Veröffentlicht März 9, 2018
Wohnpark Zippendorf
Azubi Jessica Winterstein im Gespräch mit einem Bewohner
Foto: Schwerin-Lokal.de | Dario Rochow

 

Arbeiten in der Altenpflege? Viele Menschen würden sicherlich spontan sagen, für mich ist das nichts. Dabei gehört es zur Wahrheit, dass jeder von uns einmal alt wird und dann vielleicht auch auf fremde Hilfe angewiesen ist. Für Altenpflegeeinrichtungen wird es aber zunehmend schwer, Fachpersonal zu gewinnen. Spricht man mit Personalverantwortlichen in der Pflege, dann hört man immer wieder, dass der Markt leergefegt sei. 

Unter diesem Aspekt mutet es dann fast etwas utopisch an, wenn CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag versprechen, dass sie bundesweit 8.000 Stellen in der Altenpflege schaffen möchten. Wo diese Stellen herkommen sollen, das kann man allerdings nicht nachlesen. Seit gut 20 Jahren hört man immer wieder aus Politik, dass die Altenpflege einen Imagewandel braucht. Geändert hat sich aber bisher nicht viel. 

 

150 bis 200 Euro Schulgeld für die Ausbildung 

 

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Situation sogar noch etwas komplizierter, da das Bundesland immer noch zu den wenigen Ländern gehört, in dem die Auszubildenden für den Schulbesuch auch noch Schulgeld zwischen 150 und 200 Euro zahlen müssen. Bisher hat die Landespolitik sich immer wieder in die Warteposition zurückgezogen. Man wartet dort auf die Einführung der sogenannten generalistischen Ausbildung. Künftig soll es nicht mehr wie bislang drei unterschiedliche Fachberufe in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege geben. Die drei Fachberufe sollen zu einem Beruf verschmelzen: Menschen, die diesen Beruf ausüben, nennen sich dann „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“. Dann soll auch das Schulgeld abgeschafft werden. 2020 soll es hier in Mecklenburg-Vorpommern losgehen. Bis dahin zahlen die Azubis aber monatlich das Geld an die Schulen. Das Mecklenburg-Vorpommern eines der wenigen Bundesländer ist, dass an dieser Regelung festhält, erschwert die Situation am Pflegemarkt mehr als das sie nützt.

Ob die Altenpflege von den Veränderungen profitieren kann, das wird allgemein bezweifelt. Die Gehaltsunterschiede zwischen den einzelnen Berufen, setzen die Altenpflege weiter unter Druck. Das sind die Befürchtungen vieler Menschen in den Einrichtungen. 

 

Altenpflegerin nicht der erste Berufswunsch

 

Trotzdem haben sich Jessica Winterstein und Candy Engelhardt für eine Ausbildung in der Altenpflege entschieden. Beide sind im 2. Ausbildungsjahr und arbeiten im Wohnpark Zippendorf. Für beide war der Beruf der Altenpflegerin nicht der erste Berufswunsch. Jessica Winterstein wollte eigentlich Geschichte studieren und absolvierte im Wohnpark ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). In dem Jahr entdeckte sie ihre Liebe zum Beruf. „Ich fühlte mich hier als FSJ´lerin hier von Anfang an gut aufgenommen. Ich wurde wie ein Azubi aufgenommen, Das fand ich gut.“, sagt die heutige Auszubildende. Als dann das Angebot aus dem Wohnpark Zippendorf kam, sie zur Fachkraft auszubilden, hat sie dann das Angebot angenommen. 

Candy Engelhardt wollte ursprünglich Krankenschwester werden. Je mehr sie sich mit dem Berufswunsch beschäftigte, umso klarer wurde ihr, dass das am Ende vielleicht doch nicht das Richtige ist. Sie entschied sich dann für eine Ausbildung zur Altenpflegerin. 

 

Viele junge Menschen mit den Anforderungen überfordert

 

Beide bereuen ihre Entscheidung bis heute nicht. Ihnen gefällt die Arbeit im Wohnpark Zippendorf. Der Verantwortung, die der Beruf in sich birgt, fühlen sich aber längst nicht alle jungen Menschen gewachsen. „Pro Jahr planen wir, dass wir 10 Azubis für den Beruf gewinnen.“, sagt Ronny Schwarz, der Praxisanleiter im Wohnpark. Das sei nötig, da die Abrecherquote doch recht hoch ist. Von 10 Azubis aus dem letzten Jahr, hätte man heute noch vier Auszubildende. In diesem Jahr möchte man daher 14 neue Auszubildende gewinnen. „Jeden Tag kämpfen wir um Fachkräfte“, sagt Schwarz. Altenpflege sei ein experimentierender Markt. Man suche seinen Nachwuchs an Schulen, auf Lehrstellenbörsen und auch über persönliche Akquise. „Wir müssen uns bewegen, wenn wir den Bedarf an Fachkräfte auch in Zukunft erhalten möchten“, weiß der Praxisanleiter. 

 

Jessica Winterstein und Ronny Schwarz haben Spaß an ihrer Arbeit
Foto: Schwerin-Lokal.de | Dario Rochow

 

Auch mit Agenturen, die im Ausland Personal anwerben, arbeitet der Wohnpark Zippendorf zusammen. So habe man Auszubildende aus Spanien eingestellt. Aber auch sie könnten den Personalmangel nicht auffangen. Bis eine ausländische Kraft voll mitarbeiten kann, dauert es fast zwei Jahre. Weil sie die Sprache nicht gut genug beherrsche, aber auch weil sie sich erst daran gewöhnen müsse, wie Altenpflege in Deutschland abläuft. 

 

Altenpflege mehr wertschätzen

 

Ronny Schwarz weiß aber aus eigener Erfahrung, dass die Atmosphäre am Arbeitsplatz entscheidender ist als das Geld. Daher  sei die Forderung nach besserer Bezahlung nicht die Lösung des Problems. Er selber habe viele Jahre in Hamburg gearbeitet und sich für einen Arbeitsplatz in Schwerin entschieden, auch wenn es erst einmal finanzielle Einbuße bedeutet. Einen anderen Job als nun im Wohnpark Zippendorf, kann sich der Altenpfleger nun aber nicht mehr vorstellen.   Darauf, wie der Personalmangel in der Altenpflege eines Tages grundsätzlich behoben werden könnte, hat er keine Antwort. 

Die Probleme sind tatsächlich komplex. Solange die Altenpflege Ländersache ist, werden Bund und Länder die Verantwortung immer wieder hin- und herschieben. Die Altenpflege wieder als Beruf wertzuschätzen, das bleibt die Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Wer sich im Wohnpark Zippendorf umschaut, der nimmt einen positiven Eindruck mit nach Hause. Daher Hut ab vor den Menschen, die sich für einen so verantwortungsvollen Beruf entscheiden.

 

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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