Do, 17. April 2025
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Finanzlücken und Zukunftspläne:
OB Badenschier spricht im Interview über die Herausforderungen in Schwerin

Schwerins OB Rico Badenschier warnt im Interview vor Haushaltslücken durch steigende Ausgaben. Trotz Sparmaßnahmen und Optimierungen bleibt die Stadt vor großen Herausforderungen.

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  • Veröffentlicht Dezember 27, 2024
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Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er im Inter­view. Foto:maxpress

 

Die Stadt Schw­erin ste­ht vor finanziellen Her­aus­forderun­gen: Um den jährlichen Kon­so­li­dierungszuschuss von neun Mil­lio­nen Euro zu sich­ern, muss sie einen Über­schuss von drei Mil­lio­nen Euro erzie­len. Obwohl die Gebühren für die Sport­stät­ten­nutzung erhöht wur­den, lehnt die Stadtvertre­tung Steuer­an­hebun­gen ab, wodurch eine Lücke im Haushalt entste­ht. Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er sieht die Haup­tur­sache in wach­senden Aus­gaben durch Auf­gaben, die Bund und Land aufer­legen, aber nicht finanzieren. Er set­zt auf Spar­maß­nah­men, Opti­mierun­gen – etwa im Stadt­mar­ket­ing – und eine stärkere Wirtschafts­förderung. Geplante Investi­tio­nen in Bil­dung und Stad­ten­twick­lung sollen trotz anges­pan­nter Lage weit­erge­führt wer­den, während größere Her­aus­forderun­gen wie Flüchtling­sun­terkün­fte und fehlende Hotelka­paz­itäten lösung­sori­en­tiert ange­gan­gen wer­den sollen.

 

Die Stadt muss jedes Jahr drei Mil­lio­nen Euro Über­schuss erre­ichen, um den Kon­so­li­dierungszuschuss des Lan­des von neun Mil­lio­nen Euro zur Entschul­dung zu bekom­men. Für 2025 wur­den von der Stadtvertre­tung aber lediglich die höheren Gebühren für die Sport­stät­ten­nutzung durchgewunken – nicht aber die Anhebung der Grund­s­teuer B, der Gewerbesteuer, der Über­nach­tungs- und Hun­des­teuer. 

Wie soll diese Dif­ferenz kom­pen­siert wer­den?

Zunächst mal: Dadurch, dass die Stadtvertre­tung die Anhebung des Hebe­satzes für die Grund­s­teuer nicht beschlossen hat, haben wir sozusagen eine Steuer­ent­las­tung für die Schw­er­iner Bürg­er her­beige­führt. Aber so entste­ht unter anderem eine Lücke im Dop­pel­haushalt, ins­beson­dere, wenn man auf 2026 schaut. Grund­sät­zlich gerät der Haushalt auf der Aus­gaben­seite aus dem Rud­er, nicht auf der Ein­nah­men­seite. Das liegt an Auf­gaben, die uns von Seit­en des Bun­des und Lan­des neu aufer­legt wor­den sind. Also berat­en wir mit den Frak­tio­nen noch ein­mal im Finan­zauss­chuss. Wir ver­suchen, im März eine Entschei­dung der Stadtvertre­tung zu bekom­men.


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Interview von TV Schwerin mit Oberbürgermeister Rico Badenschier

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Welche Fol­gen des Haushalts wer­den für die Schw­er­iner Bürg­er konkret spür­bar wer­den?

Steuern müssen natür­lich gezahlt wer­den. Das Ein­fam­i­lien­haus am Stad­trand wird wahrschein­lich durch die Grund­s­teuer­reform deut­lich mehr, das Gewer­be­grund­stück wird deut­lich weniger belastet wer­den. Anson­sten wird unsere Stadt auch mit ein­er vor­läu­fi­gen Haushalts­führung erst mal nor­mal weit­er­laufen.

Steigen durch höhere Sport­stät­ten­nutzungs­ge­bühren auch die Mit­glieds­beiträge in Vere­inen?

Es geht da für das einzelne Vere­ins­mit­glied um Cent-Beträge pro Jahr. Und es ist in der Stadtvertre­tung so beschlossen wor­den, dass diese neue Ent­gel­tord­nung erst im zweit­en Hal­b­jahr gilt, sodass Vere­ine in ihren Vol­lver­samm­lun­gen zunächst auswerten kön­nen, was das für sie bedeutet und im ersten Hal­b­jahr darauf reagieren kön­nen.

Sie hat­ten selb­st schon gesagt, dass die hohen Aus­gaben den Haushalt am meis­ten belas­ten. Ins­ge­samt sprechen wir von 451 Mil­lio­nen Euro im Jahr. Wofür gibt Schw­erin denn das meiste Geld aus?

Die soziale Sicherung ist tat­säch­lich der größte Posten. Dazu zählen Jugend­hil­fe, Eingliederung­shil­fe und Grund­sicherung. Das ist zum Teil vom Bund refi­nanziert, aber 162 Mil­lio­nen Euro kom­men aus der Stadtkasse. Dazu kom­men 66 Mil­lio­nen Euro für die Kitas. Inhaltlich gute Neuerun­gen im Kinder- und Jugend­stärkungs­ge­setz bedeuten Mehrkosten für uns, weil der Bund neue Auf­gaben an uns über­tra­gen hat, sie aber nicht bezahlt. Wir find­en: Wer bestellt, muss auch zahlen. Deshalb haben wir beim Bun­desver­fas­sungs­gericht Klage ein­gere­icht, um Schw­erin finanziell zu ent­las­ten.

Ließe sich auch im Bere­ich Ver­wal­tung beim Per­son­al sparen?

Das machen wir auf jeden Fall, indem wir keine neuen Stellen schaf­fen. Dafür wurde beim let­zten Dop­pel­haushalt noch ein Mehrbe­darf von 70 Stellen angemeldet,lediglich 25 haben wir geschaf­fen. Jet­zt fahren wir eine Null­runde. Wir müssen alles mit den vorhan­de­nen Leuten stem­men, auch wenn es zusät­zliche Arbeit ist.

Umstruk­turierun­gen ste­hen allerd­ings an – zum Beispiel beim Stadt­mar­ket­ing. Was soll da in 2025 passieren?

Wir haben uns im ver­gan­genen Jahr gefragt, ob die Struk­tur des Stadt­mar­ket­ings mit den vie­len kleinen Ein-Prozent-Anteil­seign­ern noch zeit­gemäß ist. Wir wollen es steuer­lich und ver­gaberechtlich opti­mieren. Die meis­ten anderen Städte haben 100-prozentige Töchter. Und das ist auch unser Ziel: Das Stadt­mar­ket­ing als 100-prozentige Tochter der Stadt, natür­lich mit einem wirtschaftlichen Beirat – und so, dass am Außen­mar­ket­ing inter­essierte Akteure einge­bun­den sind. Diesen Prozess möcht­en wir im ersten Quar­tal, spätestens aber im ersten Hal­b­jahr dieses Jahres abgeschlossen haben, um dann auch mit Blick auf die Stadt­marke anders agieren zu kön­nen.

Wo ste­ht denn der Marken­prozess für die Stadt, der ja für mehr Touris­mus sor­gen soll?

Wir wollen fünf Dinge für Schw­erin ins Schaufen­ster stellen: Die Lage zwis­chen den Seen, die Lage in der Nähe der Metropolen, die fam­i­lien­fre­undliche Stadt, Kul­tur und Bil­dung sowie die his­torische Bedeu­tung mit dem Wel­terbe. Nun haben wir aus­geschrieben, wie wir diese Aushängeschilder nach außen tra­gen wollen. Wie visu­al­isieren wir das alles? Wie sollen die per­son­ellen Struk­turen ausse­hen? Wir brauchen eine Marken- koor­di­na­torin, für die wir wohlge­merkt keine neue Stelle schaf­fen, son­dern sie durch interne Umschich­tung nehmen wer­den. Und dann wird der Marken­prozess in 2025 auch sicht­bar wer­den.

Ist Schw­erin denn einem größeren Ansturm von Touris­ten gewach­sen? Viele Hotel­neubaut­en stag­nieren derzeit…

Zunächst ein­mal kon­nten wir durch das Wel­terbe und den Tag der Deutschen Ein­heit dur­chaus größere Besuch­er­ströme zählen und auch die Aufen­thalts­dauer hat sich ver­längert. Das ist pos­i­tiv. Wir sind jet­zt erst­mals wieder über Vor-Coro­na- Niveau. Eine Hotel­be­treiberin hat mich sog­ar ange­sprochen, dass mehr Bet­ten wün­schenswert wären, wo zuvor eher noch ein Konkur­ren­zgedanke herrschte. Wir freuen uns also auf neue Hotels. Ins­ge­samt sind fünf Pro­jek­te in der Pipeline: das Won­nemar-Resort in Kreb­s­för­den, das Hotel Tre­sor in der Innen­stadt sowie Hotels am Stan­dort Waisen­gärten und Slüterufer, außer­dem das Stran­dresort mit Ferien­woh­nun­gen in Zip­pen­dorf. Dass es beim Won­nemar-Resort nicht weit­erge­ht, liegt an ein­er Anwohn­erk­lage – da steck­en wir nicht drin. Beim Slüter Ufer wiederum sind wir am weitesten, was den Bauantrag ange­ht und am Tre­sor wird gear­beit­et. Das ist immer ein gutes Zeichen. Wann nun was eröffnet wird, kön­nen wir nicht sagen, aber per­spek­tivisch wer­den wir rund 450 bis 500 Bet­ten mehr anbi­eten kön­nen – und noch ein­mal 330 Bet­ten in Ferien­woh­nun­gen.

Wie sieht es mit der Ansied­lung ander­er Unternehmen aus?

Wir sind in vielver­sprechen­den Gesprächen. Das Jahr 2024 war schon mal sehr erfol­gre­ich, beson­ders mit der Ankündi­gung von Ypsomed, das Werk nochmals zu erweit­ern. Das ist eine Ausze­ich­nung für den Stan­dort Schw­erin und unsere Wirtschafts­förderung. Denn zunächst waren 200 Arbeit­splätze dort geplant, jet­zt sind es schon fast 400. Und nun will Ypsomed 700 weit­ere Stellen schaf­fen! Aktuell entste­hen im Indus­triepark neue Pro­duk­tion­s­stan­dorte des Kabel- trom­mel­her­stellers August Hilde­brandt, des Chemie­un­ternehmens Vink Chem­i­cal, des Fahrzeug­bauers Junge und der TecMed Deutsch­land. Wir haben natür­lich noch unsere große 200-Hek­tar-Ecke im Indus- triepark. Da gibt es immer mal wieder Inter­essen­ten. Die zögern aber noch wegen der all­ge­meinen kon­junk­turellen Lage. Ich bin jedoch sehr zuver­sichtlich, dass wir da auch in Zukun­ft immer wieder pos­i­tive Nachricht­en hören wer­den.

Lassen Sie uns auch noch über Gemein­schaft­sun­terkün­fte für Flüchtlinge sprechen. Sie hat­ten ver­schiedene Stan­dorte und Konzepte in den Ring gewor­fen – darunter Neumüh­le, Tiny Hous­es auf der Paulshöhe und ein WGS-Block in Kreb­s­för­den. Gegen alle Vorschläge wer­den Stim­men laut. Was soll nun umge­set­zt wer­den und: Müssen es über­haupt Gemein­schaft­sun­terkün­fte sein? Schließlich wäre doch auch eine dezen­trale Unter­bringung in einzel­nen Leer­stän­den in der Stadt denkbar, oder nicht?

Ich fange mit der let­zten Frage an. Wichtig sind beim The­ma Unter­bringung die ver­schiede­nen Sta­di­en, nach­dem geflüchtete Men­schen hier angekom­men sind. Zum Zeit­punkt der Erstauf­nahme sind sie noch im Anerken­nungsver­fahren. Wir wis­sen also noch gar nicht, ob sie ein Bleiberecht bekom­men. In dem Sta­di­um macht es nicht wirk­lich Sinn, sie in der Stadt zu verteilen und schon tief in den Inte­gra­tionsprozess einzusteigen – wed­er für die, die sie aufnehmen noch für die, die hier ankom­men.

Bleibt die Frage nach dem passenden Ort für eine Gemein­schaft­sun­terkun­ft…

Genau. Dass wir die Men­schen unter­brin­gen müssen, wird nicht kom­mu­nalpoli­tisch entsch­ieden, aber wir woll­ten die Stadtvertre­tung bei der Fes­tle­gung des Stan­dortes beteili­gen. Was die Größe bet­rifft, muss man sagen: Je größer, je wirtschaftlich­er – und das ist natür­lich ein wichtiger Aspekt. Wir haben bere­its den Stan­dort Ham­burg­er Allee und die Stadtvertre­tung hat gefordert: Sucht jet­zt woan­ders. Deshalb haben wir auch Alter­na­tiv­en wie Neumüh­le oder Paulshöhe vorgeschla­gen. Bei dem, was wir als Stadt im Ange­bot haben, ist Kreb­s­för­den mit der Ben­no-Völkn­er-Straße, aber sich­er die beste Vari­ante. Jet­zt schauen wir, was die WGS als kom­mu­nales Unternehmen noch bieten kann und ob es einen Auf­sicht­srats­beschluss dafür gibt. Der ist notwendig. Wenn das nicht gelingt, müssen wir extern aus- schreiben. Das bedeutet allerd­ings: Wenig eigen­er Gestal­tungsspiel­raum, län­gere Diskus­sio­nen und jemand anderes als die Kom­mune ver­di­ent Geld damit, denn die Unter­bringung der Geflüchteten wird uns vom Land bezahlt.

Wie sieht es denn im Bere­ich der Bil­dungs­land­schaft aus? Hat der Haushalt Auswirkun­gen auf die geplanten Neubaut­en und Sanierun­gen?

Nein. Wir kön­nen und wer­den in der vor­läu­fi­gen Haushalts­füh- rung begonnene Investi­tion­spro­jek­te fort­führen. Dazu zählen die Friedenss­chule, in der kräftig gebaut wird, und die Pla­nun­gen für die Beruf­ss­chule Gesund­heit & Soziales. Dann haben wir die Reuter­schule auf dem Schirm, sodass wir stolz sagen dür­fen, dass wir in Sachen Schul­sanierung in den ver­gan­genen Jahren viel geschafft haben.

Was ist ihr per­sön­lich­er Wun­sch für 2025?

Dass nach der Bun­destagswahl auch hier poli­tis­che Ruhe einkehrt. Die Unruhe im Bund hat dur­chaus auf die Kom­mu­nalpoli­tik abge­färbt. Deshalb wäre es wichtig, dass wir zu sachgerecht­en und zu guten gemein­samen Entschei­dun­gen kom­men, statt dass Einzelne ihre Posi­tio­nen kom­pro­miss­los bis aufs Mess­er vertei­di­gen. Zusam­men die Stadt gestal­ten – das ist mein Wun­sch.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Das Inter­view führte Janine Pleger. 

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