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„Koalitions”-Mehrheit stand nicht: Keine Klage im Fall Karin Müller

Das Innenministerium hatte der Wahl von Karin Müller zur Dezernentin in Schwerin widersprochen. Dagegen sollte die Stadt nun juristisch vorgehen, so ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE. Nach emotionaler Debatte

  • Veröffentlicht Mai 18, 2022
Endlich tagt die Stadtvertre­tung wieder im Demm­ler­saal des His­torischen Rathaus­es am Mark­t­platz. | Foto: schw­erin-lokal

Speziell den Gesichtern in den Rei­hen der Links-Frak­tion der Stadtvertre­tung Schw­erin war am ver­gan­genen Mon­tagabend anzuse­hen, dass ein von ihnen einge­brachter Dringlichkeit­santrag nicht das gewün­schte Ergeb­nis gebracht hat­te. Ver­mut­lich sog­ar war es nicht das im Vor­feld vere­in­barte, denn nor­maler­weise waren Beobachter dur­chaus davon aus­ge­gan­gen, dass die „Koali­tion” aus CDU/FDU, Unab­hängi­gen Bürg­ern (UB) und Die Linke ste­hen würde, wenn es um die Frage geht, ob die Stadt juris­tisch gegen den Wider­spruch des Innen­min­is­teri­ums gegen die Wahl von Karin Müller zur Sozialdez­er­nentin der Lan­deshaupt­stadt verge­hen soll. Das Ergeb­nis vor­weggenom­men: Der Antrag scheit­erte, wenn auch denkbar knapp.

 

Stadt-„Koalition” hatte Dezernate untereinander aufgeteilt

Noch Ende ver­gan­gener Woche war aus Kreisen der Linken zu hören, dass man sich recht sich­er sei, eine entsprechende Mehrheit am Mon­tag erre­ichen zu kön­nen. An sich nachvol­lziehbar, haben doch die drei ange­sproch­enen Frak­tio­nen eine wenn auch hauchdünne Mehrheit, die bis­lang im Fall der Fälle auch stand. Dass viele nun davon aus­gin­gen, dass dies auch in der nun zur Abstim­mung ste­hen­den Frage erneut der Fall sein würde, war nicht zulet­zt darauf zurück­zuführen, dass es zwis­chen den drei Frak­tio­nen die Absprache gab, jede solle eines der Dez­er­nate beset­zen kön­nen. Da mit Bernd Not­te­baum ein CDU-Mann das Baudez­er­nat leit­et und mit Sil­vio Horn der UB-Frak­tion­s­geschäfts­führer im Herb­st das neu geschaf­fene Dez­er­nat für  für Finanzen, Bürg­erser­vice, Ord­nung und Kul­tur übern­immt, stand das Sozialdez­er­nat nach dieser Absprache der Linken zur Ver­fü­gung.

 

Verwaltung hatte bereits auf Probleme hingewiesen

Teil­weise offen, teil­weise auch hin­ter vorge­hal­tener Hand, war diese Posten­verteilung im Vor­feld von ver­schiede­nen Seit­en dur­chaus kri­tisiert wor­den. Vor allem auch – und darin liegt der Ursprung der Entwick­lun­gen die in der Über­raschung vom Mon­tag mün­de­ten – da sich eine Vielzahl extern­er Bewer­berin­nen und Bewer­ber um die bei­den aus­geschriebe­nen Posi­tio­nen bewor­ben hat­ten. Und speziell im Fall von Karin Müller, die für DIE LINKE als Sozialdez­er­nentin antrat, seit­ens der Stadtver­wal­tung bere­its eine wenig pos­i­tive Beurteilung abgegeben wurde. Schätzte man sie doch im Hin­blick auf die erwarteten Voraus­set­zun­gen lediglich als „bed­ingt geeignet” ein. In der Mon­tagssitzung ver­wies Stadtvertreter Stephan Mar­ti­ni (ASK) in diesem Zusam­men­hang nochmals drauf, dass dies alle Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter hät­ten nach­le­sen kön­nen.

Wenn, ja wenn auch alle sich die Mühe gemacht hät­ten, die Bewer­bung­sun­ter­la­gen einzuse­hen. So erk­lärte der Leit­er des Büros der Stadtvertre­tung, Patrick Nemitz, gegenüber unser­er Redak­tion, dass dies je Frak­tion lediglich ein Mit­glied tat. Hinzu kamen zwei frak­tion­slose Stadtvertreter. Damit hat­ten nur 8 von 45 Mit­gliedern der Stadtvertre­tung die Möglichkeit der Unter­la­genein­sicht selb­st genutzt.

 

Karin Müller, DIE LINKE. | Foto: DIE LINKE

Stadtvertretung wählte Karin Müller – Innenministerium widersprach

Let­ztlich fand Karin Müller aber eine Mehrheit – ob und inwieweit dabei die „Koalitions”-Mehrheit wirk­lich stand, ist umstrit­ten, let­ztlich aber auch weniger von Bedeu­tung. Damit schien Die Linke am Ziel, nun auch eines der Dez­er­nate zu beset­zen. Doch auf die Freude fol­gte schnell ein bös­es Erwachen. Denn seit Anfang ver­gan­gener Woche ist offiziell, dass das Innen­min­is­teri­um des Lan­des Wider­spruch gegen die Wahl Karin Müllers ein­gelegt hat. Damit kann sie das Amt nicht antreten. Eine Sit­u­a­tion, die Müllers Frak­tion nun so nicht ste­hen lassen wollte. Man entsch­ied sich, per Dringlichkeit­santrag eine Klage seit­ens der Stadt gegen den Min­is­teri­ums-Wider­spruch beschließen lassen zu wollen. Während die Dringlichkeit an sich noch eine Mehrheit fand, und das The­ma so noch auf die Tage­sor­d­nung kam, entzün­dete sich an der Sache selb­st eine heftige Debat­te, in der speziell Linken-Frak­tion­schef Gerd Böttger und sein Frak­tion­skol­lege Dr. Daniel Treps­dorf klar für ihre Parteikol­le­gin das Wort ergrif­f­en.

 

Fraktion DIE LINKE sollte per Beschluss Klage gegen Widerspruch erreichen

Böttger unter­strich dabei, dass man sich in sein­er Frak­tion abso­lut sich­er sei, Karin Müller ver­füge über die geforderten Qual­i­fika­tio­nen. Er wie auch Daniel Treps­dorf appel­lierten an die Stadtvertre­tung, sich nicht vom Innen­min­is­teri­um ihre demokratis­chen Entschei­dun­gen absprechen zu lassen. Man kon­nte meinen her­auszuhören, es sei nicht redlich seit­ens des Min­is­teri­ums, eine demokratis­che Wahl der Stadtvertre­tung nun in Frage zu stellen und das Ergeb­nis abzulehnen. Speziell einen solchen Gedanken­sprung aus dem Mund Daniel Treps­dorfs wahrzunehmen, der die Demokratie und ihre Struk­turen tagtäglich beru­flich wie pri­vat deut­lich ver­tritt und vertei­digt, über­raschte so manchen. Denn er sollte noch mehr als manch ander­er wis­sen, dass eben auch die Recht­sauf­sicht, die das Innen­min­is­teri­um über die Stadt hat, Teil dieser demokratis­chen Struk­turen ist. Und dass es sog­ar deren Pflicht ist, im Falle von aus ihrer Sicht rechtlichen Fehlentschei­dun­gen einzu­greifen.

Ein ver­baler Angriff gegen die AfD-Frak­tion, der Treps­dorf in seinem Rede­beitrag vor­warf, sich dann auf die Demokratie und ihre Struk­turen zu berufen, wenn sie sie bräuchte, sie aber abzulehnen, wenn diese sich gegen die Partei richt­en wür­den, erschien dem einen oder anderen vor diesem Hin­ter­grund zusät­zlich schwierig.

Gerd Böttger, Frak­tionsvor­sitzen­der DIE LINKE, Schw­erin

Emotionale Debatte entbrannte im Stadthaus

Let­ztlich waren es zweifel­los die Emo­tio­nen, die dabei hochkocht­en, denn zuvor hat­ten mit Stef­fen Beck­mann und Thomas de Jesus Fer­nan­dez zwei Vertreter der AfD-Frak­tion klar Stel­lung bezo­gen und sich gegen eine Klage aus­ge­sprochen. Dabei unter­strichen auch sie nochmals, dass die ver­wal­tungs­seit­ige Ein­schätzung, Karin Müller sei nur „bed­ingt geeignet” doch bere­its eine deut­liche War­nung im Vor­feld gewe­sen sei, auf die man hätte hören müssen. „Bed­ingt geeignet” hieße eben nicht, dass sie geeignet sei. Genau dies aber müsse gegeben sein. Man habe bewusst mit dem Feuer gespielt. Selb­st Ober­bürg­er­meis­ter Dr. Rico Baden­schi­er sprach davon, die Ver­wal­tung habe im Vor­feld auf die Prob­lematik war­nend hingewiesen.

 

SPD und Grüne wollten lange Hängepartie verhindern

Für manche ein wenig über­raschend gestal­tete sich zudem ein Rede­beitrag von SPD-Frak­tion­schefin Mandy Pfeifer. Hat­ten doch zumin­d­est Teile ihrer Frak­tion noch bei der Wahl für Karin Müller ges­timmt. Am Mon­tagabend allerd­ings kündigte Pfeifer die Ablehnung des Linken-Antrags an. Dies sei dabei kein Votum gegen Karin Müller, die in ihrer Vorstel­lung gegenüber der Frak­tion dur­chaus überzeugt habe.

Man sei eben­so wie andere von der Ablehnung aus dem Min­is­teri­um über­rascht gewe­sen. Nun aber gehe es um die Sache. Und dabei blick­te Pfeifer auf das The­ma Zeit. „Ein Ver­fahren vor dem Ver­wal­tungs­gericht wird voraus­sichtlich viele Monate in Anspruch nehmen. Wir haben in Schw­erin lei­der wieder­holt schmer­zlich erfahren müssen, wie schnell eine gut sortierte Sit­u­a­tion ger­ade im Jugend­bere­ich kip­pen kann. Die The­men, die dort bear­beit­et wer­den, sind für die betrof­fe­nen Kinder und Jugendlichen exis­ten­ziell. Die vor uns liegen­den Her­aus­forderun­gen sind groß. Deshalb brauchen wir schnell eine starke Dez­er­nentin oder einen starken Dez­er­nen­ten für dieses Fachge­bi­et und nicht eine monate­lange Hängepar­tie”, so die SPD-Frak­tionsvor­sitzende. Ähn­lich argu­men­tierte im Anschluss auch Grü­nen-Frak­tion­schefin Regi­na Dorf­mann.

 

Mandy Pfeifer, SPD-Frak­tionsvor­sitzende | Foto: SPD Stadt­frak­tion Schw­erin

Überraschung: Antrag abgelehnt – Es fehlten Stimmen aus der „Koalition”

Was in der Diskus­sion dur­chaus auffiel: Sowohl aus den Rei­hen der Unab­hängi­gen Bürg­er als auch der CDU/FDP-Frak­tion kamen keine Wort­mel­dun­gen. So blieb also bis zulet­zt unklar, ob die Stadt-„Koalition” ste­he, oder ob sich eine über­raschende Wende in der Dez­er­nen­ten­the­matik abze­ich­nete. Klarheit sollte die von der AfD-Frak­tion beantragte namentliche Abstim­mung brin­gen. Schon als die einzel­nen Mit­glieder der CDU/FDP-Frak­tion ihr Votum abgaben wurde klar, dass in deren Rei­hen keine Einigkeit bestand. Denn neben ein paar Stim­men für den Antrag war wieder­holt das Wort „Enthal­tung” zu hören. Stim­men also, die am Ende der „Koali­tion” fehlen kön­nten. Nach­dem UB- und Links-Frak­tion geschlossen für den Antrag stimmten, AfD und SPD wie angekündigt dage­gen, die Grü­nen bei ein­er Enthal­tung eben­so und auch die Frak­tion­slosen sich gegen den Antrag aussprachen stand es 19:19. Damit war der Antrag abgelehnt und die Über­raschung per­fekt. Am Ende fehlten der „Koali­tion” let­ztlich genau die Enthal­tun­gen aus den CDU/FDP-Rei­hen.

 

DIE LINKE berät wie es weitergeht – Erneute Kandidatur aus der Partei ungewiss

„Offen­sichtlich war den Stadtvertretern der Kniefall vorm Innen­min­is­teri­um wichtiger, als eine gerichtliche Über­prü­fung der Entschei­dung von Karin Müller”, so die Frak­tion DIE LINKE gestern gegenüber unser­er Redak­tion. Wie es weit­erge­ht werde man gemein­sam mit der Partei berat­en. Mehr war so kurz nach der Abstim­mungss­chlappe von Mon­tag noch nicht zu erfahren. Allerd­ings spricht die Frak­tion DIE LINKE in ein­er Mail gegenüber schw­erin-lokal bere­its von ein­er neuen Auss­chrei­bung. Dies kön­nte einen Hin­weis darauf geben, dass man eine län­gere Hängepar­tie eher ver­mei­den will. „Wir wer­den prüfen, ob wir erneut einen Vorschlag zur Wahl ein­re­ichen”, heißt es dazu weit­er aus Frak­tion­skreisen. Eine inter­es­sante Aus­sage, bedenkt man, dass das vierte, jährlich etwa 300.000 Euro kos­tende Dez­er­nat allein deshalb neu geschaf­fen wurde, um den Unab­hängi­gen Bürg­ern wie auch der Linkspartei einen Dez­er­nat­sposten zu ermöglichen. Wenn, ja wenn die Mehrheit ste­ht. Ob man sich darauf noch ver­lassen will, müssen die Partei­gremien entschei­den.

 

 

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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