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Konservatorium Schwerin auf digitalen Wegen – ein Vierteljahrhundert aktive Erinnerungsarbeit

Im Gespräch mit Volk­er Ahmels, dem langjähri­gen Leit­er der Musikschule in der Puschkin­straße in Schw­erin wird schnell klar, wie er und sein Kol­legium den Her­aus­forderun­gen der Coro­na-Beschränkun­gen begeg­nen. „Ja, unsere

  • Veröffentlicht Februar 26, 2021
Volk­er Ahmels, Direk­tor des Kon­ser­va­to­ri­ums Schw­erin. | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Im Gespräch mit Volk­er Ahmels, dem langjähri­gen Leit­er der Musikschule in der Puschkin­straße in Schw­erin wird schnell klar, wie er und sein Kol­legium den Her­aus­forderun­gen der Coro­na-Beschränkun­gen begeg­nen.

„Ja, unsere Schule lei­det natür­lich darunter, dass die Begeg­nung zwis­chen Schü­lerin­nen und Schülern und den Lehrkräften nicht stat­tfind­en kann“, so Ahmels. Einige der Musikpäd­a­gogen müssen in die Musikschule kom­men, weil nur dort mit teil­weise laut­en und großen Instru­menten geübt wird. Der Unter­richt selb­st find­et derzeit allerd­ings online statt. Das Kol­legium der Musikschule mache eine beein­druck­ende Arbeit unter diesen schwieri­gen Bedin­gun­gen, so Ahmels. Ein großes Inter­esse an Fort­bil­dungs­maß­nah­men und enormer Ideen­re­ich­tum habe er von hoch engagierten Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er sehr zu schätzen gel­ernt. Dieses Engage­ment zahlt sich jet­zt für die Schü­lerin­nen und Schüler aus.

 

Die Musikschul-App macht’s möglich

Mit ver­schiede­nen Anbi­etern von dig­i­taler Kom­mu­nika­tion­stech­nik habe man exper­i­men­tiert. Bewährt hat sich nach den Tests eine plat­tfor­müber­greifende App. Ange­boten wird dabei die net­zw­erk­fähige Musikschul-App. Damit wird im Vide­o­for­mat direkt mit den Schü­lerin­nen und Schülern kom­mu­niziert. „Dieses For­mat hat sich bewährt, aber für eine gezielt indi­vidu­elle Beratung von Musikschülern wird auch immer mal noch das Tele­fon genutzt“, so der Musikpäd­a­goge Ahmels.

Viele Kinder und Jugendliche zeigen eine über­raschend hohe Diszi­plin, wenn es um die Aus­bil­dung an Instru­menten geht. Musik und selb­st Musik machen zu kön­nen, das bedeutet den jun­gen Men­schen ger­ade in dieser Zeit sehr viel. Was den Leit­er der Musikschule „Johann Wil­helm Her­tel“ schmer­zlich berührt, ist der Verzicht auf Unter­richt mit Musikschülern mit kör­per­lichen Beein­träch­ti­gun­gen. Im Moment habe man noch keine erfol­gre­iche tech­nis­che Lösung, um die Kom­mu­nika­tion mit Men­schen mit Behin­derung zu ermöglichen.

 

Live über Web-Streaming im Internet – Streaming Angebote und viel „open-air“

Lei­der bleibt der Konz­ert­saal im Kon­ser­va­to­ri­um Schw­erin seit Okto­ber ver­gan­genen Jahres leer. | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Schmer­zlich ver­misst der Pianist Volk­er Ahmels  zudem die Möglichkeit, mit den Schw­er­iner Bürg­erin­nen und Bürg­er bei Konz­erten zusam­men­zutr­e­f­fen. Das let­zte Konz­ert im Kon­ser­va­to­ri­um war im Okto­ber let­zten Jahres ein Lieder­abend mit dem Bari­ton Simon Wall­fisch und der Pianistin Yuko Ellinger. Natür­lich habe man nach dig­i­tal­en „Alter­na­tiv­en“ bzw. Lösun­gen gesucht. Mit dem Stream­ing von Konz­erten gab es dabei erste Erfahrun­gen bere­its im let­zten Jahr. Im Herb­st 2020 wurde der Wet­tbe­werb „Ver­femte Musik“ als „live stream“ ins Inter­net gebracht. Dieses Streamin­gange­bot soll zukün­ftig allen gemacht wer­den, die nicht in „Live-Atmo­sphäre“ an den Konz­erten teil­nehmen kön­nen. Konkrete, wenn auch noch ver­hal­tene, Pla­nun­gen von Musikauf­führun­gen, gibt es erst ab Mai.

„Weil wir ungern Kün­st­lerin­nen und Kün­stler mit Absagen ent­täuschen wollen“, plane man mit Vor­sicht, so Volk­er Ahmels. Hoff­nun­gen set­zt der Pianist in die „open-air“ Sai­son. Ver­mehrt wolle man den wun­der­schö­nen Hof der Musikschule nutzen. Dort habe man gute Erfahrun­gen mit der Ein­hal­tung von Coro­na-Regeln gemacht. Mit den Konz­erten im großen Saal soll es dann so richtig wieder im Herb­st los­ge­hen.

 

Schweriner Interpretationswettbewerb „Verfemte Musik“

Im zwanzig­sten Jahr des Musik­wet­tbe­werbs „Ver­femte Musik“ wird ein dre­itägiges Sym­po­sium mit Konz­erten ein richtiges High­light sein, freut sich der Ini­tia­tor dieses kul­turellen Meilen­steins. Die Wet­tbe­werb­sver­anstal­ter „Jeunesse Musi­cal“ kooperieren dabei mit der Hochschule für Musik und The­ater (hmt) Ros­tock und dem hiesi­gen Kon­ser­va­to­ri­um. Ange­boten wird nicht nur viel Musik und Infor­ma­tion. Im Pro­gramm wer­den auch Mas­ter Class­es sein, bei den Pro­fes­sio­nen und Pro­fes­soren Musikschüler schon auf den Wet­tbe­werb im kom­menden Jahr vor­bere­it­en.

 

Immer noch reichlich Arbeit an den Werken der „Verfemten Musik“

„Die The­men gehen nie aus, und es gibt noch viel aufzuar­beit­en. Noch gibt es Zeitzeu­gen, die auch in hohem Alter immer noch bere­it sind, mit jun­gen Men­schen über ihre Lebenser­fahrun­gen zu sprechen“, ermuntert Volk­er Ahmels zum Dia­log. Nach wie vor gibt es viel Inter­esse von jun­gen Men­schen an der Geschichte von ver­femter Musik. Und mit­machen lohnt sich. „Viele von den ehe­ma­li­gen Gewin­nern des Wet­tbe­werbs um die Musikpreise haben bedeu­tende Kar­ri­eren gemacht. Darunter sind Opus Klas­sik Gewin­ner, bekan­nte Sän­gerin­nen, Solo­musik­erin­nen und ‑musik­er und viele, viele mehr“, gerät der Musikpäd­a­goge ins Schwär­men.

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Das Gespräch mit Volk­er Ahmels, Direk­tor des Kon­ser­va­to­ri­ums Schw­erin, im O‑Ton

Die Werke von Dirk Kattenburg auf CD

Im ver­gan­genen Jahr galt die Aufmerk­samkeit des Wet­tbe­werbs dem nieder­ländis­chen Kom­pon­is­ten Dick Kat­ten­burg. Er wurde im Alter von 24 Jahren in Auss­chwitz ermordet. Die Aus­gabe der Noten sein­er Werke wurde in müh­samer Kleinar­beit über­ar­beit­et. Dazu kooperiert das Zen­trum für Ver­femte Musik mit ein­er nieder­ländis­chen Stiftung, unter­stützt durch Ver­wandte des Kom­pon­is­ten Kat­ten­burg. Das gesamte Oeu­vre mit Klavier zu vier Hän­den wurde einge­spielt und wird nun hof­fentlich bald auf ein­er CD erscheinen.

 

Musikalische Erinnerungsarbeit seit einem Vierteljahrhundert

Seit nun­mehr 30 Jahren leit­et Volk­er Ahmels die Johann Wil­helm Her­tel Musikschule. Schon Mitte der neun­ziger Jahre begann er, sich für die „vie­len unent­deck­ten musikalis­chen Schätze“ zu inter­essieren. „Dass wir diese Schätze unbe­d­ingt noch heben müssen”, das treibe ihn bei sein­er Arbeit immer wieder an. Über 2000 bere­its aufgear­beit­ete Par­ti­turen befind­en sich im Archiv in den Gebäu­den des Kon­ser­va­to­ri­ums. „Vor 20 Jahren, bei der Grün­dung des Wet­tbe­werbs „Ver­femte Musik“, waren dreizehn Zeitzeu­gen hier in Schw­erin“, erin­nert sich der Leit­er des Forschungszen­trums. Ger­ade weil heute nicht mehr so viele Zeitzeu­gen leben, gelte es, die Werke der ver­femten Kün­st­lerin­nen und Kün­stler weit­er mit Leben zu füllen.

Eben­so treibt den lei­den­schaftlichen Musik­er aber die päd­a­gogis­che Her­aus­forderung an. Begeis­terung für die Musik zu schaf­fen, das ist ein zen­trales Motiv sein­er Arbeit. Durch die Kon­fronta­tion mit unser­er Geschichte, mit unserem musikalis­chen Erbe, müssten wir ver­suchen, einen Raum der Tol­er­anz zu schaf­fen. Im Jahr, in dem der Bun­de­spräsi­dent an 1700 Jahre Juden­tum in Deutsch­land erin­nere, gelte es mehr denn je, sich für ein tol­er­antes Miteinan­der zu engagieren. Ein unfass­bar­er Skan­dal ist es für Volk­er Ahmels, dass auch heute noch Men­schen in Deutsch­land Ressen­ti­ments aus­ge­set­zt sind, und sie sich über­legen müssen, ob sie sich die Kip­pa auf­set­zen kön­nen.

 

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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