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Lenin-Statue erhitzt die Gemüter

(sr). Die Lenin-Statue auf dem Großen Dreesch in Schwerin erhitzt seit Wochen die Gemüter. Gestern nun wurde Lenins Kopf verhüllt. Für die Ewiggestrigen in der Stadt  eine große Provokation.  

  • Veröffentlicht Juni 18, 2014
Die Kundgebung vor der Lenin-Statue spaltet die Stadt
Die Kundgebung gestern vor der Lenin-Statue erhitzte schon im Vorfeld  die Gemüter in Schwerin

(sr). Die Lenin-Statue auf dem Großen Dreesch in Schwerin erhitzt seit Wochen die Gemüter. Gestern nun wurde Lenins Kopf verhüllt. Für die Ewiggestrigen in der Stadt  eine große Provokation.

 

Die Lenin-Statue erhebt sich im Schweriner Stadtgebiet Großer Dreesch. Kerzengrade, unverrückbar wie ein Fels und energisch dreinblickend. Der estnische Bildhauer Jaak Soans goss die Statue 1985. Damals galt Lenin den DDR-Machthabern als das Symbol der kommunistischen Revolution. Die Zeiten ändern sich. Während in den meisten anderen ostdeutschen Städte Lenin längst vom Sockel gestoßen, verkauft oder in den Museumskeller verbannt wurde, steht er in Schwerin immer noch als sichtbares Zeichen einer blutigen Vergangenheit.

 

Eine Bilanz des Terrors

 

Immer noch glauben viele Menschen, dass Lenin der menschenfreundliche Kommunist und alleine Stalin der grausame Menschenschlächter gewesen sei. Dieses Propagandamärchen lässt sich aber nicht halten, wenn man die geschichtlichen Tatsachen betrachtet.

 

Lenin hat den Staatsterror erfunden. Seine Theorie (»Der proletarische Staat ist eine Maschine zur Vernichtung der Bourgeoisie«) hat er systematisch und skrupellos in die Praxis umgesetzt. Unter seiner Herrschaft hat er Zehntausende von Geiseln erschießen lassen. Hunderttausend revoltierende Arbeiter und Bauern wurden in Massakern getötet. Bis zu 500.000 Kosaken hat Lenin deportieren und liquidieren lassen. Seine Politik hat eine Hungersnot ausgelöst, die fünf Millionen Menschen das Leben kostete. Das alles berührte den bolschewistischen Revolutionär aber wenig und er rechtfertigte seine Politik des roten Terrors immer wieder auch öffentlich. Widerstand gegen den Bolschewismus definierte er als todeswürdiges Verbrechen. Millionen starben nach diesem Gesetz.

 

Angesichts dieser Bilanz ist es unverständlich, dass Lenin immer noch an seinem Platz steht. Unsere demokratische Gesellschaft muss sich hier die Frage gefallen lassen, warum sie zulässt, dass ein Massenmörder wie Lenin in Schwerin immer noch mit einem Denkmal geehrt wird?

 

Der Kopf wurde verhüllt

 

Eine Gruppe um den DDR-Regimekritiker Alexander Bauersfeld nutzt gestern den 17. Juni, den Tag des Volksaufstandes in der DDR, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Demonstrativ wurde der Kopf des Standbildes verhüllt. Im Vorfeld sorgte dieses Ansinnen für Ärger.

 

Die Stadtverwaltung und ihre Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (LINKE) hatten  die Verhüllung, bis auf eine kleine Kundgebung, schriftlich verboten. Man befürchte die Beschädigung des Standbildes, so die Begründung durch die Stadt. Sorge machte der Verwaltung auch der Umstand, dass beim Verhüllen der Statue jemand von der Leiter fallen könne. Bauersfeld zog vor das Verwaltungsgericht und traf dort auf weniger besorgte Richter. Diese hoben das Verbot der Verhüllung wieder auf und stellten in ihrer Begründung in Richtung Stadt fest, dass ja jemand die Leiter festhalten könne. Zähneknirschend musste die Stadt klein beigeben.

 

Unterstützer in fast allen Parteien

 

Unterstützung fanden die Statue-Kritiker hingegen quer durch fast alle Schweriner Parteien. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Georg Kleinfeld sagt »Niemand möchte einen Massenmörder in seiner Nachbarschaft haben. Ebenso wenig eine Statue von ihm«. Kleinfeld möchte sich daher in Zukunft dafür einsetzen »dass dieser Schandfleck aus unserem Stadtbild verschwindet«.

 

Ähnlich sieht es der FDP-Politiker Stev Öttinger, der im Ortsbeirat des Stadtteils sitzt. »Lenin ist der Inbegriff für eine totalitäre und menschenvernichtende Diktatur.«, sagt er. Die Veranstaltung vor der Lenin-Statue sei ein gutes Zeichen. »Ein weltoffenes und tolerantes Schwerin muss gegen jegliche totalitäre Gewaltherrschaft und für die Freiheit eintreten.«. Von der Oberbürgermeisterin hätte sich Öttinger gewünscht, dass diese ihren »ideologischen Widerstand« gegen das Ansinnen der Demonstration aufgegeben hätte und durch ihre Teilnahme eine Zeichen gesetzt hätte.

 

Dieses Zeichen setzte Oberbürgermeisterin Gramkow, die in der Vergangenheit immer wieder deutliche Zeichen gegen menschenverachtende Ideologien, insbesondere aus dem rechtsextremistischen Spektrum, einforderte und setzte, diesmal leider nicht. Sie blieb der Kundgebung vor dem Denkmal gestern fern.

 

Der Kreisvorsitzende der Grünen, Karl Schmude macht klar, dass »die bleibende ‚Leistung‘ von Lenin war, ein demokratischen Russland, dass sich mit der Februarrevolution 1917 abgezeichnet hatte, durch den »Roten Terror« ersticken zu lassen. »Auf Lenin und seine Helfer sind die sowjetischen Zwangsarbeitslager und die Geheimpolizei, massenhafte Denunziationen und Erschießungen sowie der Entwurf zum Strafgesetzbuch-Paragraph 58 zurückzuführen, der Zwangsarbeit und Todesstrafe für ‚politische Delikte‘ vorsah. Lenin hat damit letztlich das Fundament für ein Unrechtssystem gelegt, das bis 1989 Bestand hatte.«, sagt Schmude weiter.

 

»Pfui, lasst das sein«

 

Als Bauersfeld gestern mit seinen Anhängern mit der Verhüllung ein Zeichen setzt, sind auch Ewiggestrige zur Stelle, die gegen die Aktion demonstrieren. „Wo so ein Denkmal steht, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagt Alexander Bauersfeld, der in der DDR als politischer Häftling inhaftiert wurde. Rufe wie »Pfui, lasst das sein« oder »Er lügt«, schlagen dem Opfer der DDR-Diktatur entgegen, als er den Abriss der Statur fordert. Vor der Bronzestatue selbst, hat jemand »Lenin bleibt« gesprüht. Die Anhänger Lenins kamen vor allem aus den Reihen der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), die mit Plakaten wie »Lieben, Lachen, Lenin lesen« deutlich machen, dass sie die Kritik der Veranstalter an der Statue einfach nicht verstehen wollen. Für sie bleibt Lenin ein Säulenheiliger, der mit seinem »Dekret für den Frieden« den ersten Weltkrieg beendet und den Bauern schließlich Land gegeben habe. Die Opfer des in der Geschichtsschreibung so genannten »roten Terrors« werden dabei ausgeblendet. Das zeigt deutlich, wie notwendig eine Aufarbeitung der Geschichte ist.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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