Marienplatz Schwerin:
Der gefährlichste Ort in MV?
Der Marienplatz in Schwerin: Ist er wirklich der gefährlichste Ort in MV? Wir gehen der Frage nach und beleuchten die Fakten rund um Kriminalität und Videoüberwachung.

Im Oktober des vergangenen Jahres schrieb die „Ostsee-Zeitung” (hinter einer Bezahlschranke), dass der Marienplatz der gefährlichste Ort in Mecklenburg-Vorpommern sei. Täglich werden dort im Durchschnitt zwei Straftaten registriert.
Seitdem wurde das Framing vom „gefährlichsten Ort in Mecklenburg-Vorpommern” immer wieder von Medien, aber auch von der Kommunalpolitik in Schwerin aufgenommen. Trifft das aber tatsächlich zu?
Antwort auf eine Kleine Anfrage
Die OZ bezog sich dabei auf die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Schweriner Landtagsabgeordneten Sebastian Ehlers (CDU). Ehlers hatte Fragen im Zusammenhang mit der Videüberwachung auf dem Marienplatz. Unter anderem wollte er wissen, ob die Anordnung zur Bildüberwachung in regelmässigen Abständen von der Polizeibehörde erneuert werden muss.
Wenn das zuträfe, so fragte Ehlers weiter, welche polizeiliche Lageeinschätzung wird für die in regelmäßigen Abständen vorgenommene Fortsetzung der Bildüberwachung zugrunde gelegt?
Strenge rechtliche Vorgaben zu beachten
Tatsächlich unterliegt die Einrichtung einer Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen in Deutschland strengen rechtlichen Vorgaben. Eine Überwachung ist nur zulässig, wenn sie zur Gefahrenabwehr erforderlich ist und keine schutzwürdigen Interessen der Bürger überwiegen. Vor der Einführung müssen eine Kriminalitätsanalyse sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen. Zudem sind Transparenz durch Hinweisschilder und datenschutzrechtliche Vorgaben, wie die Zweckbindung und Löschfristen, einzuhalten.
Am Marienplatz wurde nach einer Phase der polizeilichen Präsenz im Dezember 2018 eine Videoüberwachung eingeführt, nachdem der Platz als Kriminalitätsschwerpunkt identifiziert worden war. Die Einführung erfolgte nach sorgfältiger Planung und wurde wissenschaftlich begleitet, um sowohl die objektive Sicherheitslage als auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu evaluieren.
Auf Marienplatz werden regelmässig Straftaten verübt
In der Antwort des Innenministeriums verweisst die Behörde darauf, dass auf dem Marienplatz regelmässig Straftaten verübt werden. Besonders häufig würden „Delikte der Straßenkriminalität” auftreten, darunter Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Diebstähle sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (Drogendelikte).
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Die Kriminalitätsstatistik der vergangenen Jahre, so die Zahlen des Innenministeriums, zeigt eine durchgehend hohe Fallzahl. Im Jahr 2015 wurden 567 Straftaten registriert, 2016 waren es 598, 2017 stieg die Zahl auf 617, während sie 2018 auf 386 Fälle sank. In den Folgejahren blieb das Niveau hoch, mit 514 Fällen im Jahr 2019, 404 im Jahr 2020, 406 im Jahr 2021 und einem deutlichen Anstieg auf 653 Fälle im Jahr 2022. Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung im Jahr 2023, als mit 714 Fällen ein neuer Höchststand erreicht wurde.
Überdurchschnittlich stark von Kriminalität betroffen
Diese Zunahme, so das Innenministerium, bestätige die Annahme einer anhaltend hohen Kriminalitätsbelastung. Im Vergleich zu anderen öffentlichen Plätzen wie dem Grunthalplatz, dem Platz der Freiheit, dem Platz der Jugend oder dem Dreescher Markt weise der Marienplatz die höchste Anzahl an Straftaten auf. Auch der umliegende Bereich sei im Verhältnis zu anderen Orten der Stadt überdurchschnittlich stark von Kriminalität betroffen.
Aufgrund dieser konstant hohen Fallzahlen und der daraus resultierenden Gefahrenprognose wird der Marienplatz als Kriminalitätsschwerpunkt innerhalb der Stadt Schwerin eingestuft. Das rechtfertige daher, so das Innenministerium, eine Bildüberwachung.
Vom „gefährlichsten Ort in Mecklenburg-Vorpommern” kann man allerdings in der Antwort des Innenministeriums nichts lesen. Genaus darauf wies Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) auf der letzte Sitzung der Stadtvertretung hin, als es um den CDU-Antrag ging, zu prüfen, ob die Videoüberwachung in Schwerin auszuweitet werden kann. Trifft diese Aussage dann also doch nicht zu?
Der Vorschlag der CDU wurde sehr kontrovers diskutiert, da das Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes permanente Videoüberwachung, wie oben beschrieben, nur an offiziell ausgewiesenen Kriminalitätsschwerpunkten erlaubt.
Marienplatz einziger dauervideoüberwachte Ort in MV
In Mecklenburg-Vorpommern ist der Marienplatz in Schwerin derzeit der einzige öffentliche Platz, der rund um die Uhr videoüberwacht wird, weil er als Kriminalitätsschwerpunkt angesehen wird. In anderen Städten Mecklenburg-Vorpommerns gibt es derzeit keine anderen öffentlichen Plätze mit ständiger Videoüberwachung.
Inwieweit aber vom gefährlichsten Ort in Mecklenburg-Vorpommerns gesprochen werden kann, lässt sich statistisch nicht zweifelsfrei belegen. Am Marienplatz kommen laut Polizei viele verschiedene Einflüsse zusammen: viele Einkaufsläden, deshalb gibt es hier vermehrt Diebstähle. Als zentraler Verkehrsknotenpunkt laufen hier viele Fahrkartenkontrollen. Auch Schwarzfahren ist eine Straftat. Und auch Gewaltstraftaten, die hier am ehesten Nachts und am Wochenende passieren. In der Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage von Sebastian Ehlers kan man lesen, das Schwerpunkt Ladendiebstähle seien.
Bereitschaftspolizei seit November auf Streife
Die Bereitschaftspolizei zeigt seit November verstärkt Präsenz in der Innenstadt. Fußstreifen in Kooperation mit dem Ordnungsamt der Stadt Schwerin führen seit dem auch gezielte Anhalte- und Sichtkontrollen durch. Dadurch können unter anderem Fahrzeuge und Rucksäcke überprüft sowie Identitäten festgestellt werden – Maßnahmen, die der Polizei nicht ohne Weiteres erlaubt sind.
Offen ist bislang die Zukunft der Videoüberwachungsanlage. Der nämlich droht der technische Totalausfall. Wie das Innenministerium eingeräumt hatte, sei es nicht mehr möglich, „konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Ausfall zu verhindern“. Der Hersteller des Systems hat die Unterstützung eingestellt. Ersatzteile sind nicht mehr lieferbar, Server werden nicht mehr gewartet.