Wenig Aufregung, viel Zustimmung:
Beliebt im ganzen Deutschland – MV überrascht im Sympathie-Ranking
35 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigt eine neue Studie: Mecklenburg-Vorpommern zählt zu den sympathischsten Bundesländern Deutschlands – ruhig, freundlich und norddeutsch verlässlich.

35 Jahre nach der Deutschen Einheit zeigt eine gerade veröffentlichte Studie: Deutschland ist zusammengewachsen – aber ganz einig ist man sich noch immer nicht. Eine repräsentative Befragung der Freien Universität Berlin offenbart, welche Bundesländer sich gegenseitig sympathisch finden – und wo es Vorbehalte gibt. Das Ergebnis dürfte vielen im Nordosten gefallen: Mecklenburg-Vorpommern gehört zu den beliebtesten Bundesländern Deutschlands.
Hamburg an der Spitze, Berlin abgeschlagen
Die Forscherinnen und Forscher am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin befragten im September 2024 insgesamt 1.650 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren. Die Teilnehmer sollten auf einer Skala von –5 (sehr unsympathisch) bis +5 (sehr sympathisch) bewerten, wie ihnen die Menschen aus den anderen Bundesländern erscheinen.
Aus diesen Daten wurde ein Punktesystem entwickelt – ähnlich wie beim Eurovision Song Contest. Das jeweils beliebteste Bundesland erhielt 15 Punkte, das Schlusslicht 1 Punkt. So ließ sich ermitteln, welche Regionen in Deutschland besonders geschätzt werden – und welche weniger.
Das Ergebnis ist eindeutig: Hamburg liegt mit 201 von 240 möglichen Punkten an der Spitze. Dahinter folgen Schleswig-Holstein (178 Punkte) und Baden-Württemberg (166 Punkte). Am unteren Ende der Liste steht Berlin – die Hauptstadt kommt gerade einmal auf 62 Punkte und ist damit bundesweit das unbeliebteste Bundesland.
Mecklenburg-Vorpommern im oberen Drittel
Zwischen diesen Extremen ordnet sich Mecklenburg-Vorpommern mit 133 Punkten auf Platz sechs ein – und damit deutlich vor vielen größeren oder wirtschaftsstärkeren Bundesländern. Der Nordosten liegt knapp hinter Nordrhein-Westfalen, aber noch vor Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern.
Für ein dünn besiedeltes Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern ist das ein beachtliches Ergebnis. Es zeigt, dass das Land über seine Grenzen hinaus ein positives, ruhiges und verlässliches Image hat.

In den Daten der Berliner Forscher gehört MV sogar zu den sechs „überdurchschnittlich positiv bewerteten“ Bundesländern. Neben Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Niedersachsen wird nur noch Mecklenburg-Vorpommern in der bundesweiten Wahrnehmung häufiger positiv als negativ eingeschätzt.
Das heißt: Menschen in Deutschland verbinden mit MV offenbar angenehme Eigenschaften. Keine starken Emotionen, keine großen Konflikte – aber eine deutliche Sympathie.
Warum Berlin aneckt – und Hamburg glänzt
Warum die Unterschiede so groß sind, erklärt Politikwissenschaftler Achim Hildebrandt von der Universität Stuttgart im Gespräch mit dem Tagesspiegel, der die Daten exklusiv ausgewertet hat.
„Berlin wird mit dem Regierungssitz identifiziert und dem Klischee des ‚failed state‘, in dem nicht einmal der Flughafen funktioniert“, sagt Hildebrandt. Hinzu komme „eine generelle Metropolen-Abneigung“ und die Wahrnehmung, die Hauptstadt sei in Teilen der Bevölkerung ein „Sündenpfuhl“.
Hamburg profitiere vom Gegenteil: „Abgesehen von ein paar Schwaben-Klischees kann man sich an Baden-Württemberg wenig reiben“, sagt Hildebrandt. „Das Bundesland ist praktisch das Gegenbeispiel zu Berlin: Es funktioniert. Auch Hamburg sei zwar Großstadt, aber trotzdem ein ‚Konsens-Modell‘.“
Dieser Gegensatz prägt offenbar das gesamte Bild Norddeutschlands. Hamburg und Schleswig-Holstein gelten bundesweit als sympathisch, solide und verlässlich. Mecklenburg-Vorpommern reiht sich hier ein – wenig Aufregung, dafür viel Zustimmung.
Der Osten hält zusammen
Auffällig ist ein weiteres Muster: Die Ost-Bundesländer bewerten sich gegenseitig besonders positiv. Die Forscher der Freien Universität sprechen von einer deutlichen Ost-Solidarität. Sachsen etwa wird im Westen oft kritisch gesehen, erhält aber von anderen ostdeutschen Ländern überdurchschnittlich viele Sympathiepunkte. Umgekehrt bewerten Menschen aus Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einander wohlwollender als die westdeutschen Befragten es tun.
35 Jahre nach der Wiedervereinigung scheint der Osten also weiterhin ein Stück weit zusammenzuhalten – trotz aller wirtschaftlichen und politischen Unterschiede. Die Forscher erklären das mit gemeinsamen Erfahrungen und einem ähnlichen gesellschaftlichen Hintergrund seit der Wendezeit. „Der Osten hält zusammen“, heißt es in der Analyse.
Sympathische Mecklenburger und Pommern mit Bodenhaftung
Auch wenn Mecklenburg-Vorpommern nicht die Schlagzeilen dominiert, scheint gerade das ein Vorteil zu sein. Das Land fällt nicht negativ auf – und das schafft Sympathie. Während Berlin und Bayern polarisieren, gilt der Nordosten als freundlich, zurückhaltend und verlässlich. Ein Bundesland, über das kaum jemand schimpft – aber viele Gutes sagen.
Die Forscher weisen darauf hin, dass gerade Bundesländer, die „funktionieren“ und mit klaren, positiven Bildern verbunden sind, besser abschneiden. Das Image von Ruhe, Naturverbundenheit und Bodenständigkeit, das mit Mecklenburg-Vorpommern assoziiert wird, trägt also offenbar Früchte.
Oder, um es norddeutsch zu sagen: Wer keinen großen Lärm macht, kommt gut an.
MV mag sich selbst
Nicht nur von außen wird Mecklenburg-Vorpommern positiv gesehen – auch im Inneren herrscht Zustimmung. Im Teil der Studie, in dem die Befragten ihr eigenes Bundesland bewerten sollten, erreicht MV einen durchschnittlichen Selbstwert von 3,1 Punkten (auf einer Skala von –5 bis +5). Das ist deutlich über dem bundesweiten Mittel und nur leicht hinter den Spitzenreitern Schleswig-Holstein (3,9) und Hamburg (3,7).
Damit zeigt sich: Die Menschen im Land haben ein stabiles Selbstbewusstsein, ohne überheblich zu wirken. Wer hier lebt, ist offenbar zufrieden – und das spiegelt sich in den Zahlen wider.
Auch wenn die Unterschiede auf der Skala oft klein erscheinen, sind sie statistisch relevant. Die durchschnittlichen Sympathiewerte der Bundesländer liegen zwischen –1,1 und +2,3. Das bedeutet: Niemand wird deutschlandweit wirklich gehasst – aber manche eben deutlich lieber gemocht.
In den Daten lässt sich ein klares Muster erkennen: Je weiter nördlich, desto positiver das Bild. Der Süden polarisiert, der Osten hält zusammen, und die Hauptstadt spaltet. Hamburg und Schleswig-Holstein stehen für Stabilität, Mecklenburg-Vorpommern für Ruhe – Eigenschaften, die viele Deutsche offenbar schätzen.
Deutschland, eine Zweck-WG
Die Forscher der Freien Universität fassen ihr Ergebnis mit einem treffenden Vergleich zusammen: „Deutschland gleicht einer Zweck-WG, in der man sich nach Jahrzehnten arrangiert hat.“
In dieser Wohngemeinschaft scheint Mecklenburg-Vorpommern der sympathische, ruhige Mitbewohner zu sein: Einer, der selten Streit sucht, auf den man sich verlassen kann und der lieber zuhört, als laut zu werden.
Hamburg ist der allseits bewunderte Freund, Berlin das anstrengende, aber spannende Gegenüber – und Mecklenburg-Vorpommern die entspannte Stimme aus dem Norden, mit der sich fast alle gut verstehen.
Über die Studie
Die Untersuchung mit dem Titel „Does Near Equal Dear?“ wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Wahrnehmung des deutschen Föderalismus durchgeführt.
Sie wurde durch den James Madison Charitable Trust unterstützt, eine britische Stiftung, die sich der Erforschung föderaler Systeme widmet.
Die Befragung ist repräsentativ nach Alter, Geschlecht, Bildung und Bundesland. Die Daten stammen aus dem Herbst 2024. Der Tagesspiegel veröffentlichte sie erstmals Anfang Oktober 2025.
Ziel der Forscher war es, herauszufinden, ob regionale Nähe auch emotionale Nähe bedeutet – also ob Bundesländer, die geographisch oder kulturell beieinanderliegen, sich auch gegenseitig sympathischer finden. Das Ergebnis: Nähe hilft – aber Image zählt mehr. Hamburg und Schleswig-Holstein etwa sind sich gegenseitig am sympathischsten (jeweils 15 Punkte), während Berlin und Sachsen quer durchs Land anecken.
Ein Land mit freundlichem Gesicht
Unterm Strich zeigt die Studie: Deutschland ist kein gespaltenes Land, sondern ein Land mit feinen Unterschieden. Die meisten Befragten bewerten andere Bundesländer neutral oder positiv – extreme Ablehnung ist selten. Doch Sympathien verraten viel über das Gefühl von Zusammengehörigkeit.
Für Mecklenburg-Vorpommern sind die Ergebnisse ein freundliches Signal. Das Land wird bundesweit geschätzt – als Ort der Ruhe, der Verlässlichkeit und der stillen Stärke.
Oder, wie es ein norddeutsches Sprichwort auf den Punkt bringen würde: „Nicht viel reden – einfach machen.“



