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Wenig Aufregung, viel Zustimmung:
Beliebt im ganzen Deutschland – MV überrascht im Sympathie-Ranking

35 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigt eine neue Studie: Mecklenburg-Vorpommern zählt zu den sympathischsten Bundesländern Deutschlands – ruhig, freundlich und norddeutsch verlässlich.

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  • Veröffentlicht Oktober 10, 2025
Mecklenburg-Vorpommern Sympathie
Die Men­schen in Meck­len­burg-Vor­pom­mern sind deutsch­landweit dur­chaus beliebt. Grafik: SNO

 

35 Jahre nach der Deutschen Ein­heit zeigt eine ger­ade veröf­fentlichte Studie: Deutsch­land ist zusam­mengewach­sen – aber ganz einig ist man sich noch immer nicht. Eine repräsen­ta­tive Befra­gung der Freien Uni­ver­sität Berlin offen­bart, welche Bun­deslän­der sich gegen­seit­ig sym­pa­thisch find­en – und wo es Vor­be­halte gibt. Das Ergeb­nis dürfte vie­len im Nor­dosten gefall­en: Meck­len­burg-Vor­pom­mern gehört zu den beliebtesten Bun­deslän­dern Deutsch­lands.

Hamburg an der Spitze, Berlin abgeschlagen

Die Forscherin­nen und Forsch­er am Otto-Suhr-Insti­tut der Freien Uni­ver­sität Berlin befragten im Sep­tem­ber 2024 ins­ge­samt 1.650 Men­schen zwis­chen 18 und 69 Jahren. Die Teil­nehmer soll­ten auf ein­er Skala von –5 (sehr unsym­pa­thisch) bis +5 (sehr sym­pa­thisch) bew­erten, wie ihnen die Men­schen aus den anderen Bun­deslän­dern erscheinen.

Aus diesen Dat­en wurde ein Punk­tesys­tem entwick­elt – ähn­lich wie beim Euro­vi­sion Song Con­test. Das jew­eils beliebteste Bun­des­land erhielt 15 Punk­te, das Schlus­slicht 1 Punkt. So ließ sich ermit­teln, welche Regio­nen in Deutsch­land beson­ders geschätzt wer­den – und welche weniger.

Das Ergeb­nis ist ein­deutig: Ham­burg liegt mit 201 von 240 möglichen Punk­ten an der Spitze. Dahin­ter fol­gen Schleswig-Hol­stein (178 Punk­te) und Baden-Würt­tem­berg (166 Punk­te). Am unteren Ende der Liste ste­ht Berlin – die Haupt­stadt kommt ger­ade ein­mal auf 62 Punk­te und ist damit bun­desweit das unbe­liebteste Bun­des­land.

Mecklenburg-Vorpommern im oberen Drittel

Zwis­chen diesen Extremen ord­net sich Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit 133 Punk­ten auf Platz sechs ein – und damit deut­lich vor vie­len größeren oder wirtschaftsstärk­eren Bun­deslän­dern. Der Nor­dosten liegt knapp hin­ter Nor­drhein-West­falen, aber noch vor Hes­sen, Rhein­land-Pfalz und Bay­ern.

Für ein dünn besiedeltes Flächen­land wie Meck­len­burg-Vor­pom­mern ist das ein beachtlich­es Ergeb­nis. Es zeigt, dass das Land über seine Gren­zen hin­aus ein pos­i­tives, ruhiges und ver­lässlich­es Image hat.

 

 

In den Dat­en der Berlin­er Forsch­er gehört MV sog­ar zu den sechs „über­durch­schnit­tlich pos­i­tiv bew­erteten“ Bun­deslän­dern. Neben Ham­burg, Schleswig-Hol­stein, Baden-Würt­tem­berg und Nieder­sach­sen wird nur noch Meck­len­burg-Vor­pom­mern in der bun­desweit­en Wahrnehmung häu­figer pos­i­tiv als neg­a­tiv eingeschätzt.

Das heißt: Men­schen in Deutsch­land verbinden mit MV offen­bar angenehme Eigen­schaften. Keine starken Emo­tio­nen, keine großen Kon­flik­te – aber eine deut­liche Sym­pa­thie.

Warum Berlin aneckt – und Hamburg glänzt

Warum die Unter­schiede so groß sind, erk­lärt Poli­tik­wis­senschaftler Achim Hilde­brandt von der Uni­ver­sität Stuttgart im Gespräch mit dem Tagesspiegel, der die Dat­en exk­lu­siv aus­gew­ertet hat.
„Berlin wird mit dem Regierungssitz iden­ti­fiziert und dem Klis­chee des ‚failed state‘, in dem nicht ein­mal der Flughafen funk­tion­iert“, sagt Hilde­brandt. Hinzu komme „eine generelle Metropolen-Abnei­gung“ und die Wahrnehmung, die Haupt­stadt sei in Teilen der Bevölkerung ein „Sün­denpfuhl“.

Ham­burg prof­i­tiere vom Gegen­teil: „Abge­se­hen von ein paar Schwaben-Klis­chees kann man sich an Baden-Würt­tem­berg wenig reiben“, sagt Hilde­brandt. „Das Bun­des­land ist prak­tisch das Gegen­beispiel zu Berlin: Es funk­tion­iert. Auch Ham­burg sei zwar Großs­tadt, aber trotz­dem ein ‚Kon­sens-Mod­ell‘.“

Dieser Gegen­satz prägt offen­bar das gesamte Bild Nord­deutsch­lands. Ham­burg und Schleswig-Hol­stein gel­ten bun­desweit als sym­pa­thisch, solide und ver­lässlich. Meck­len­burg-Vor­pom­mern rei­ht sich hier ein – wenig Aufre­gung, dafür viel Zus­tim­mung.

Der Osten hält zusammen

Auf­fäl­lig ist ein weit­eres Muster: Die Ost-Bun­deslän­der bew­erten sich gegen­seit­ig beson­ders pos­i­tiv. Die Forsch­er der Freien Uni­ver­sität sprechen von ein­er deut­lichen Ost-Sol­i­dar­ität. Sach­sen etwa wird im West­en oft kri­tisch gese­hen, erhält aber von anderen ost­deutschen Län­dern über­durch­schnit­tlich viele Sym­pa­thiepunk­te. Umgekehrt bew­erten Men­schen aus Sach­sen, Bran­den­burg, Thürin­gen, Sach­sen-Anhalt und Meck­len­burg-Vor­pom­mern einan­der wohlwol­len­der als die west­deutschen Befragten es tun.

35 Jahre nach der Wiedervere­ini­gung scheint der Osten also weit­er­hin ein Stück weit zusam­men­zuhal­ten – trotz aller wirtschaftlichen und poli­tis­chen Unter­schiede. Die Forsch­er erk­lären das mit gemein­samen Erfahrun­gen und einem ähn­lichen gesellschaftlichen Hin­ter­grund seit der Wen­dezeit. „Der Osten hält zusam­men“, heißt es in der Analyse.

Sympathische Mecklenburger und Pommern mit Bodenhaftung

Auch wenn Meck­len­burg-Vor­pom­mern nicht die Schlagzeilen dominiert, scheint ger­ade das ein Vorteil zu sein. Das Land fällt nicht neg­a­tiv auf – und das schafft Sym­pa­thie. Während Berlin und Bay­ern polar­isieren, gilt der Nor­dosten als fre­undlich, zurück­hal­tend und ver­lässlich. Ein Bun­des­land, über das kaum jemand schimpft – aber viele Gutes sagen.

Die Forsch­er weisen darauf hin, dass ger­ade Bun­deslän­der, die „funk­tion­ieren“ und mit klaren, pos­i­tiv­en Bildern ver­bun­den sind, bess­er abschnei­den. Das Image von Ruhe, Naturver­bun­den­heit und Boden­ständigkeit, das mit Meck­len­burg-Vor­pom­mern assozi­iert wird, trägt also offen­bar Früchte.

Oder, um es nord­deutsch zu sagen: Wer keinen großen Lärm macht, kommt gut an.

MV mag sich selbst

Nicht nur von außen wird Meck­len­burg-Vor­pom­mern pos­i­tiv gese­hen – auch im Inneren herrscht Zus­tim­mung. Im Teil der Studie, in dem die Befragten ihr eigenes Bun­des­land bew­erten soll­ten, erre­icht MV einen durch­schnit­tlichen Selb­st­wert von 3,1 Punk­ten (auf ein­er Skala von –5 bis +5). Das ist deut­lich über dem bun­desweit­en Mit­tel und nur leicht hin­ter den Spitzen­re­it­ern Schleswig-Hol­stein (3,9) und Ham­burg (3,7).

Damit zeigt sich: Die Men­schen im Land haben ein sta­biles Selb­st­be­wusst­sein, ohne über­he­blich zu wirken. Wer hier lebt, ist offen­bar zufrieden – und das spiegelt sich in den Zahlen wider.

Auch wenn die Unter­schiede auf der Skala oft klein erscheinen, sind sie sta­tis­tisch rel­e­vant. Die durch­schnit­tlichen Sym­pa­thiew­erte der Bun­deslän­der liegen zwis­chen –1,1 und +2,3. Das bedeutet: Nie­mand wird deutsch­landweit wirk­lich gehas­st – aber manche eben deut­lich lieber gemocht.

In den Dat­en lässt sich ein klares Muster erken­nen: Je weit­er nördlich, desto pos­i­tiv­er das Bild. Der Süden polar­isiert, der Osten hält zusam­men, und die Haupt­stadt spal­tet. Ham­burg und Schleswig-Hol­stein ste­hen für Sta­bil­ität, Meck­len­burg-Vor­pom­mern für Ruhe – Eigen­schaften, die viele Deutsche offen­bar schätzen.

Deutschland, eine Zweck-WG

Die Forsch­er der Freien Uni­ver­sität fassen ihr Ergeb­nis mit einem tre­f­fend­en Ver­gle­ich zusam­men: „Deutsch­land gle­icht ein­er Zweck-WG, in der man sich nach Jahrzehn­ten arrang­iert hat.“

In dieser Wohnge­mein­schaft scheint Meck­len­burg-Vor­pom­mern der sym­pa­this­che, ruhige Mit­be­wohn­er zu sein: Ein­er, der sel­ten Stre­it sucht, auf den man sich ver­lassen kann und der lieber zuhört, als laut zu wer­den.

Ham­burg ist der all­seits bewun­derte Fre­und, Berlin das anstren­gende, aber span­nende Gegenüber – und Meck­len­burg-Vor­pom­mern die entspan­nte Stimme aus dem Nor­den, mit der sich fast alle gut ver­ste­hen.

Über die Studie

Die Unter­suchung mit dem Titel „Does Near Equal Dear?“ wurde im Rah­men eines Forschung­spro­jek­ts zur Wahrnehmung des deutschen Föder­al­is­mus durchge­führt.
Sie wurde durch den James Madi­son Char­i­ta­ble Trust unter­stützt, eine britis­che Stiftung, die sich der Erforschung föderaler Sys­teme wid­met.

Die Befra­gung ist repräsen­ta­tiv nach Alter, Geschlecht, Bil­dung und Bun­des­land. Die Dat­en stam­men aus dem Herb­st 2024. Der Tagesspiegel veröf­fentlichte sie erst­mals Anfang Okto­ber 2025.

Ziel der Forsch­er war es, her­auszufind­en, ob regionale Nähe auch emo­tionale Nähe bedeutet – also ob Bun­deslän­der, die geo­graphisch oder kul­turell beieinan­der­liegen, sich auch gegen­seit­ig sym­pa­this­ch­er find­en. Das Ergeb­nis: Nähe hil­ft – aber Image zählt mehr. Ham­burg und Schleswig-Hol­stein etwa sind sich gegen­seit­ig am sym­pa­this­chsten (jew­eils 15 Punk­te), während Berlin und Sach­sen quer durchs Land aneck­en.

Ein Land mit freundlichem Gesicht

Unterm Strich zeigt die Studie: Deutsch­land ist kein ges­paltenes Land, son­dern ein Land mit feinen Unter­schieden. Die meis­ten Befragten bew­erten andere Bun­deslän­der neu­tral oder pos­i­tiv – extreme Ablehnung ist sel­ten. Doch Sym­pa­thien ver­rat­en viel über das Gefühl von Zusam­menge­hörigkeit.

Für Meck­len­burg-Vor­pom­mern sind die Ergeb­nisse ein fre­undlich­es Sig­nal. Das Land wird bun­desweit geschätzt – als Ort der Ruhe, der Ver­lässlichkeit und der stillen Stärke.

Oder, wie es ein nord­deutsches Sprich­wort auf den Punkt brin­gen würde: „Nicht viel reden – ein­fach machen.“