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MV: Frisch vom Feld auf den Tisch – dank 6000 Erntehelfern und Saisonarbeitern

Frühling ist schön, macht aber auch Arbeit! Spargel muss gestochen und Erdbeeren wollen gepflückt werden. Die ersten Saisonarbeiter sind in MV schon auf den Feldern.

  • Veröffentlicht April 12, 2021
Spargel muss gestochen und Erd­beeren wollen gepflückt wer­den. Die ersten Saisonar­beit­er sind in MV schon auf den Feldern.

In MV sind auch in diesen Jahr wieder die „fleißi­gen hil­fre­ichen Hände“ aus Polen, Bul­gar­ien, Rumänien und der Ukraine auf unseren Feldern. Nach Auskun­ft des Bauern­ver­ban­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern wer­den ins­ge­samt  rund 6000 Saisonar­beit­skräfte benötigt. Damit bis Ende Juli der Spargel, Salat und die Erd­beeren auf unseren Tellern liegen, benöti­gen die land­wirtschaftlichen Betriebe rund 4000 Helferin­nen und Helfer. Die ersten Saisonbeschäftigten sind bere­its im Land und helfen bei der Vor­bere­itung und Pflege der Anbau­flächen.

IG BAU: Unternehmen wollen Löhne sparen und Gewinne steigern

Frisch vom Feld: Obst und Gemüse auf dem Markt| Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Ende März beschloss das Kabi­nett der Bun­desregierung, die sozialver­sicherungs­freie Beschäf­ti­gung von Ern­te­helferin­nen und Saisonar­beit­er von 70 auf 102 Tage im Jahr her­aufzuset­zen. Die zuständi­ge DGB-Gew­erkschaft, die Indus­triegew­erkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), reagierte mit deut­lich­er Kri­tik. Der Ver­bandsvize Har­ald Schaum sprach vom „Sozial­dump­ing für Ern­te­helfer“ und resümierte „Es ist immer wieder das­selbe: Die Ern­te­be­triebe ver­suchen an den Lohnkosten zu sparen, wie es irgend­wie nur geht, um noch höhere Gewinne zu erzie­len. Und der Staat hil­ft auch noch dabei“.

Lob von der Politik und vom Bauernverband

Bun­des­land­wirtschaftsmin­is­terin Klöck­n­er und der Deutsche Bauern­ver­band begrüßten fast wort­gle­ich die vorgeschla­gene Regelung, indem sie beto­nen, dass sichergestellt sei, „dass die Bevölkerung auch dieses Jahr trotz Coro­na gut mit heimis­chen Pro­duk­ten ver­sorgt werde“. Land­wirtschaftsmin­is­ter Till Back­haus begrüßte den Kom­pro­miss zwis­chen der Bun­desmin­is­terin und Bun­de­sar­beitsmin­is­ter Heil. Bevor der Kabi­netts­beschluss rechts­gültig wird, muss der Vorschlag noch vom Deutschen Bun­destag berat­en wer­den. Neben der Erhöhung der sozialver­sicherungs­freien Tage sieht er eine Kranken­ver­sicherungspflicht für alle Beschäftigten vor. Die Anmel­dung zur Krankenkasse muss der Mini­jobzen­trale durch die Arbeit­ge­ber gemeldet wer­den. So soll die Zahl der sozialver­sicherungs­freien Tage kon­trol­liert wer­den. Die Meldepflicht soll aber erst ab 2022 gel­ten.

 

Dirk Johne, Branchensekretär der IG BAU in Schwerin im O‑Ton

 

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Mehr Infor­ma­tio­nen

Schweriner Gewerkschafter pocht auf Beiträge zur Sozialversicherung

Frisch vom Feld: Obst und Gemüse auf dem Markt| Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Der Schw­er­iner Branch­en­ex­perte der IG BAU, Dirk Johne, lehnt eine sozialver­sicherungs­freie Beschäf­ti­gung grund­sät­zlich ab. Es geht für ihn schlicht darum, dass sich die Arbeit­ge­ber ihre Beitragsan­teile zur Sozialver­sicherung sparen wollen. Rente­nansprüche müssten aber auch von Beschäftigten aus dem Aus­land gel­ten gemacht wer­den kön­nen. Wenn Ern­te­helferin­nen und – Helfer aus EU Mit­glied­slän­dern hier arbeit­en, so kön­nen sie dies das ganze Jahr über tun. Johne fragt sich, wieso sie dann an 102 Tagen arbeit­en sollen, ohne das Arbeit­ge­ber ihren Anteil an Renten – und Arbeit­slosen­ver­sicherung bezahlen müssen. Warum dann 70 oder 115 Tage (wie im let­zten Jahr) oder 102 Tage wie in diesem Jahr geplant beitrags­frei sein sollen, leuchtet dem Gew­erkschafter nicht ein. Die Kranken­ver­sicherung werde ins­beson­dere von den großen Land­wirtschafts­be­trieben schon in eigen­em Inter­esse abgeschlossen. Das sei für sie häu­fig selb­stver­ständlich. Da es aber bis­lang keine geset­zliche Regelung dazu gibt, sei es eben auch möglich, dass ohne den Schutz ein­er Kranken­ver­sicherung auf den Feldern gear­beit­et werde.

Mindestlohn und arbeiten im Akkord

Frisch vom Feld: Obst und Gemüse auf dem Markt| Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Was die Bezahlung der Spargel­stech­er und Erd­beerpflück­er ange­ht, so sind laut Johne keine Ver­stöße gegen den Min­dest­lohn bekan­nt. Ob es diese Ver­stöße nun auch in der Real­ität nicht gibt, das kann der Gew­erkschaftssekretär nicht ein­deutig beant­worten. Für die Kon­trolle ist der Zoll zuständig. Bekan­nt sei, dass der Zoll schlicht zu viele andere Auf­gaben erledi­gen müsse, um wirk­sam kon­trol­lieren zu kön­nen. Oft­mals wird im Akko­rd gear­beit­et, und da liegt die Bezahlung über dem geset­zlichen Min­dest­lohn. Was dur­chaus mal zu Kon­flik­ten zwis­chen den Beschäftigten und Arbeit­ge­bern führe, sei die Abrech­nung der Fahrtzeit­en zwis­chen den Feldern oder die Wartezeit­en beim Abwiegen des im Akko­rd gepflück­ten Obst oder Gemüs­es. Einen Tar­ifver­trag, der die Einkom­men der Saisonkräfte regelt, den gibt es in der Branche nicht. Die Saisonbeschäftigten sind auf die geset­zlichen Min­de­stregelun­gen angewiesen. Falls es hier­bei zu Schwierigkeit­en bei der Durch­set­zung ihrer Ansprüche kommt, gewährt die Gew­erkschaft ihren Mit­gliedern Arbeit­srechtss­chutz.

Trotz verschiedener Positionen – Dialog zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik in MV beispielhaft

Der Dia­log zwis­chen den land­wirtschaftlichen Arbeit­ge­bern, den Gew­erkschaften und der Poli­tik ist für den Schw­er­iner Gew­erkschafter beispiel­haft. Die Lan­desregierung hat­te im März ver­gan­genen Jahres auf die durch die Pan­demie aus­gelösten Prob­leme in der Land­wirtschaft reagiert und Gesprächs­foren für alle Beteiligten organ­isiert. Teil­weise wöchentliche Tele­fonkon­feren­zen, an denen neben den Ver­bän­den auch die drei größten Saisonar­beits­be­triebe (Karls bzw. Glantz Erd­beer­höfe und die Behr AG) teil­nah­men, haben für Ver­ständi­gungsmöglichkeit­en zwis­chen den Arbeit­nehmervertretern, Arbeit­ge­bern und den Poli­tikver­ant­wortlichen geführt. Sich­er werde es auch weit­er­hin in eini­gen Fra­gen unter­schiedliche und kon­tro­verse Posi­tio­nen geben. Offen­sichtlich sei aber auch, dass die Unternehmen, die ihre Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er fair und kor­rekt behan­deln, ein Inter­esse daran haben, das es keine „schwarzen Schafe“ unter den Arbeit­ge­bern mehr gibt.

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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