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Diskussion nach tödlicher Messerattacke in Mannheim:
Auch Schweriner Politiker in Vergangenheit von radikalen Muslimen bedroht

Nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim wird wieder über Islamismus diskutiert. Auch der Schweriner FDP-Politiker Paul Bressel wurde schon bedroht. Eine Perspektive fehlt dabei allerdings.

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  • Veröffentlicht Juni 6, 2024
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Paul Bres­sel, der immer wieder den Islamis­mus kri­tisiert, ist in der Ver­gan­gen­heit Zielscheibe radikaler Mus­lime gewor­den. Foto: Dario Rochow

Das The­ma radikaler Islamis­mus ist spätestens seit dem Wieder­auf­flam­men des Nahostkon­flik­ts wieder stärk­er in den Blick­punkt ger­at­en. Im April wies der Präsi­dent des Bun­de­samtes für Ver­fas­sungss­chutz (BfV), Thomas Halden­wang, auf ein Sym­po­sium der Behörde auf die Gefahr des Islamis­mus in Deutsch­land hin. 

Halden­wang machte damals in sein­er Rede deut­lich, dass der Nahostkon­flikt die Sicher­heit­slage in Deutsch­land erhe­blich bee­in­flusse. Die Möglichkeit islamistisch motiviert­er Anschläge durch die Ereignisse im Nahen Osten sei gestiegen. Halden­wang äußerte sich besorgt über Per­so­n­en, die durch den Kon­flikt zwis­chen Israel und der Hamas im Gaza­s­treifen stark emo­tion­al­isiert und zu Angrif­f­en angeregt wer­den kön­nten.

Verfassungsschutz warnt vor radikalisierten Einzeltätern

Ins­beson­dere soge­nan­nte weiche Ziele, wie öffentliche Ver­anstal­tun­gen, die leicht zugänglich sind, kön­nten bedro­ht sein. Der Ver­fas­sungss­chutz hat bere­its früher darauf hingewiesen, dass durch islamistis­che Pro­pa­gan­da radikalisierte Einzeltäter Anschläge mit ein­fach zu beschaf­fend­en Hieb- und Stich­waf­fen verüben kön­nten.

Dass diese War­nun­gen nicht aus der Luft gegrif­f­en waren, zeigt der ver­gan­gene Fre­itag. An diesem Tag griff ein Mann afghanis­ch­er Herkun­ft den Islamkri­tik­er Michael Stürzen­berg­er mit einem Mess­er an. Ein Polizist, der in den Kon­flikt ein­griff, wurde dabei lebens­ge­fährlich ver­let­zt. Der 29-jährige Rou­ven L. erlag am Son­nta­gnach­mit­tag seinen Ver­let­zun­gen. Der Angreifer, ein Mann aus Hep­pen­heim mit afghanis­chen Wurzeln, hat­te den Beamten mehrmals in den Bere­ich des Kopfes gestochen. Das hat das ganze Land bis heute erschüt­tert. In Schw­erin hat der FDP-Kreisver­band kurz nach Bekan­ntwer­den des Todes des jun­gen Polizis­ten einen Spende­nak­tion für die Fam­i­lie angestoßen. Nach weni­gen Tagen kamen nun schon fast 29.000 Euro zusam­men.

FDP-Politiker wurde Angriffsziel radikaler Muslime

Der FDP-Spitzenkan­di­dat zur Europawahl, Paul Bres­sel  aus Schw­erin, der sich am kom­menden Son­ntag auch um ein Man­dat für die Stadtvertre­tung bewirbt, hat aber während des Wahlkampfes selb­st Erfahrun­gen mit radikalen Mus­li­men gemacht. Bres­sel der im Inter­net immer wieder Stel­lung gegen den poli­tis­chen Islam bezieht und dabei dur­chaus auch ein­mal über das Ziel hin­auss­chießt, musste erleben, dass er plöt­zlich Zielscheibe von Angrif­f­en und Mord­dro­hun­gen im Inter­net wurde. Seine Eltern und die Schwest­er erhiel­ten Dro­hun­gen in den wider­wär­ti­gen For­mulierun­gen, die an die Mas­sak­er der Hamas in Israel erin­nern und offen­bar auch erin­nern sollen. Was war passiert?

Der Berlin­er Nation­al­spiel­er und gläu­bige Mus­lim Anto­nio Rüdi­ger ver­schick­te am 11. März zum Fas­ten­monat Ramadan auf Insta­gram ein Foto, das ihn in einem weißen Gewand zeigt. Er hebt dazu den recht­en Zeigefin­ger. Paul Bres­sel erkan­nte darin das Zeichen der islamistis­chen Ter­ror­is­ten und des Islamis­chen Staates (ISIS) und kom­men­tierte deshalb auf Insta­gram in Rich­tung Anto­nio Rüdi­ger: „Der Islamis­mus gehört nicht zu Deutsch­land.“

In einem State­ment gegenüber der „Bild”-Zeitung hat sich Rüdi­ger wenig später von Extrem­is­mus- und Islamis­mus-Vor­wür­fen dis­tanziert: “Als gläu­biger Mus­lim prak­tiziere ich meinen Glauben, aber ich dis­tanziere mich entsch­ieden von jeglich­er Art von Extrem­is­mus und den Islamis­mus Vor­wür­fen. Gewalt und Ter­ror­is­mus sind abso­lut inakzept­abel. Ich ste­he für Frieden und Tol­er­anz ein”, so Rüdi­ger damals. 

Bres­sel erlebte, nach­dem er den Post Rüdi­gers kom­men­tiert hat­te, einen Shit­storm gegen ihn. Die Abteilung Staatss­chutz bei der Schw­er­iner Polizei nimmt die Bedro­hungslage für den FDP-Poli­tik­er ernst, nach­dem sie die Dro­hun­gen aus­gew­ertet hat. Dem Europakan­di­dat­en hat die Polizei spez­i­fis­che Hand­lungsempfehlun­gen gegeben. 

Nach Morddrohungen deutlich vorsichtiger

Das Leben von Paul Bres­sel hat sich verän­dert. Er ist vor­sichtig gewor­den. „Seit den Mord­dro­hun­gen gegen mich und den täglichen Mel­dun­gen über islamistis­che Angriffe und Messer­at­tack­en bin ich deut­lich vor­sichtiger gewor­den”, geste­ht der FDP-Poli­tik­er unser­er Redak­tion gegenüber. Bevor er nun auf die Straße geht, über­prüft er die die Straße genau und schaut, ob er beispiel­sweise verdächtige Autos fest­stellt. Die Hand­lungsempfehlun­gen der Polizei nehme er ernst und befolge diese. Orte oder Gegen­den, wo sich viele Men­schen mit ara­bis­chen Wurzeln aufhal­ten, ver­sucht er zu mei­den.

“Jed­er, der Kri­tik am Islam oder an der Migra­tion äußert, sollte beson­ders auf seine Sicher­heit acht­en und die Empfehlun­gen der Sicher­heits­be­hör­den ernst nehmen. Dies ist lei­der die trau­rige Real­ität in einem Land, in dem wir früher unsere Mei­n­ung frei äußern kon­nten”, fasst Bres­sel die Sit­u­a­tion aus sein­er Sicht zusam­men. 

Rassistischer Pauschalverdacht gegen Muslime wächst

Die Posi­tion von Poli­tik­ern wie Paul Bres­sel ist allerd­ings nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite erleben auch mus­lim­is­che Men­schen nach dem Ter­ro­ran­griff der islamistis­chen Hamas am 7. Okto­ber let­zten Jahres, dass die Stim­mung im Land käl­ter und unver­söhn­lich­er gewor­den ist.  Auf den Straßen, in Teilen der Kul­turszene und vor Syn­a­gogen kam es zu schock­ieren­den anti­semi­tis­chen Ein­schüchterun­gen und Gewal­tak­ten. Juden bericht­en, sich in Deutsch­land, dem Land des Holo­causts, nicht sich­er zu fühlen.

Gle­ichzeit­ig wächst der ras­sis­tis­che Pauschalver­dacht gegenüber Men­schen mus­lim­is­ch­er und ara­bis­chstäm­miger Herkun­ft. Von Anfang Okto­ber bis Dezem­ber let­zten Jahres hat die vom Bun­des­fam­i­lien­min­is­teri­um unter­stützte Antidiskri­m­inierungs-NGO Claim eine deut­liche Zunahme von Über­grif­f­en gegen Mus­lime reg­istri­ert.

Claim bringt zwei konkrete Beispiele aus dem Dezem­ber. Damals wurde  in Berlin eine Schü­lerin laut Polizeibericht­en von mehreren Mitschülern wegen ein­er Kette mit der Auf­schrift „Allah“ kör­per­lich ange­grif­f­en. Wenig später wurde, eben­falls in Berlin,  ein als Mus­lim wahrgenommen­er Mann beim Ver­lassen eines Busses als Ter­ror­ist beschimpft und erlitt durch einen Schlag so schwere Kopfver­let­zun­gen, dass er im Kranken­haus ärztlich behan­delt wer­den musste.

Gefährliche Dynamik in Gang gesetzt

In so ein­er Sit­u­a­tion wird es schw­er, wieder zu ein­er Sachdiskus­sion zurück­zukehren. Das wäre aber drin­gend notwendig – nicht nur in der Frage Islamis­mus. Wer per­sön­lich ange­grif­f­en wird, reagiert sel­ten sach­lich. Jemand, der andere her­ab­würdigt, wird hitzige Reak­tio­nen als Bestä­ti­gung dafür werten, im Recht zu sein.

Dies kann eine gefährliche Dynamik in Gang set­zen, die bis zur noch tief­er­en Spal­tung und let­ztlich zum Zer­fall ein­er Gesellschaft eskalieren kann.

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