Verzögerte Verfahren und fehlende Richter:
Gerichtspräsident kritisiert Personalmangel an Amts- und Landgerichten
OLG-Präsident Kai-Uwe Theede übt öffentlich scharfe Kritik an Justizministerin Jacqueline Bernhardt – und stellt die Personalausstattung der Gerichte infrage. Justizministerin Bernhardt widerspricht umgehend.

In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Diskussion über die Personalausstattung der Justiz entbrannt. Der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock, Kai-Uwe Theede, hat in einer Pressemitteilung auf strukturelle Belastungen bei Amts- und Landgerichten hingewiesen. Dabei äußerte er sich anerkennend zur personellen Stärkung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, forderte jedoch gleichzeitig vergleichbare Maßnahmen für die ordentliche Gerichtsbarkeit.
Hinweis auf strukturelle Überlastung der ordentlichen Gerichtsbarkeit
„Ein funktionierender und effizient arbeitender Rechtsstaat ist Grundvoraussetzung einer freiheitlich-demokratischen und friedliebenden Gesellschaft“, erklärte Theede. In diesem Zusammenhang begrüßte er die aktuellen Maßnahmen des Justizministeriums zur Verstärkung der Verwaltungsgerichte. Gleichzeitig wies er auf bestehende Belastungen der Amts- und Landgerichte hin: „Ebenso gut und richtig wäre es, in gleicher Weise den enormen Belastungen der Richterinnen und Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch entschlossenes Handeln zu begegnen.“
Nach Angaben des OLG-Präsidenten fehlten seit Jahren personelle Kapazitäten, um die anfallenden Verfahren zeitgerecht zu bearbeiten. Die Unterbesetzung summiere sich laut Theede in den vergangenen zehn Jahren auf insgesamt mindestens 75 Richterarbeitsjahre. Dies habe unter anderem zur Folge, dass in bestimmten Verfahrensarten wie Bausachen erstinstanzliche Entscheidungen teils zwei Jahre auf sich warten ließen. In Arzthaftungssachen betrügen die Verfahrenslaufzeiten mitunter vier Jahre. Auch in umfangreichen Strafverfahren könne es laut Theede mehrere Jahre bis zu einer Verurteilung dauern.
Haftsachen binden erhebliche Ressourcen
Besonders herausfordernd seien parallel laufende Haftsachen. Diese Verfahren hätten aufgrund ihrer Dringlichkeit Vorrang und würden einen erheblichen Teil der vorhandenen Personalressourcen binden. Ein Abbau bestehender Verfahrensrückstände sei dadurch erschwert. Theede erklärte: „Der Justizgewährungsanspruch unserer Bürgerinnen und Bürger wird in zeitlicher Hinsicht teilweise arg strapaziert. Gleiches gilt für den Beschleunigungsgrundsatz in Strafverfahren, der die Rechte der Beteiligten ebenso wahren soll wie das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.“
Auf die Pressemitteilung des Oberlandesgerichts reagierte die Ministerin für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommerns, Jacqueline Bernhardt, mit einer Stellungnahme. Darin verweist sie auf Maßnahmen ihres Hauses, die seit Beginn ihrer Amtszeit umgesetzt wurden. Laut Bernhardt befinden sich die Gerichte des Landes nach dem bundeseinheitlichen Personalberechnungssystem „PEBB§I“ im statistischen Durchschnitt bei einer Belastung von unter 100 Prozent pro Richterstelle. Damit sei die ordentliche Gerichtsbarkeit aus Sicht des Ministeriums ausreichend ausgestattet.
Neueinstellungen und gestiegene Ausbildungszahlen
Die Ministerin betonte, dass sie sich seit ihrem Amtsantritt für die Schaffung zusätzlicher Stellen eingesetzt habe. Seit dem Jahr 2021 seien mehr als 100 Proberichterinnen und Proberichter neu eingestellt worden. Darüber hinaus habe sich die Zahl der Referendarinnen und Referendare in Mecklenburg-Vorpommern verdreifacht.
Bernhardt wies darauf hin, dass es in der Vergangenheit eine enge Abstimmung zwischen dem Justizministerium und den Gerichten gegeben habe, etwa im Zusammenhang mit gestiegenen Eingangszahlen bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Mai sei ein gemeinsamer Antrag auf die Schaffung von neun zusätzlichen Planstellen bei den Verwaltungsgerichten gestellt worden. Der Finanzausschuss des Landtags habe diesem Antrag zugestimmt, die Besetzung der Stellen sei geplant. Auch die Staatsanwaltschaften sollen von diesen Maßnahmen profitieren. Vorstellungsgespräche für Bewerberinnen und Bewerber seien im Juli angesetzt.
Zu den weiteren Vorhaben des Justizministeriums zählen laut Bernhardt die Digitalisierung der Justiz und die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte. Mecklenburg-Vorpommern befinde sich in dieser Hinsicht auf der Zielgeraden. Weitere Maßnahmen betreffen die Optimierung des Rechtsreferendariats sowie die kontinuierliche Prüfung der Belastungssituation an Gerichten und Staatsanwaltschaften im Land.
Abschließend erklärte Ministerin Bernhardt: „Ich setze weiterhin auf ein konstruktives Miteinander. Wir arbeiten unter Hochdruck daran, die Justiz von Mecklenburg-Vorpommern für die Zukunft fit zu halten. Bürgernähe, Effizienz und geringere Verfahrenslaufzeiten sind die Richtschnur.“
Unterschiedliche Einschätzungen zur Belastungssituation
Die unterschiedlichen Einschätzungen zur Personalsituation an Amts- und Landgerichten verdeutlichen den laufenden Abstimmungsbedarf zwischen Justizverwaltung und Gerichtsbarkeit. Beide Seiten verweisen auf ihre jeweiligen Zuständigkeiten und Maßnahmen im Rahmen der Sicherstellung einer funktionstüchtigen Justiz in Mecklenburg-Vorpommern.
Kritik kommt von der Opposition im Land. „Wenn Schönreden Personalengpässe beseitigen könnte, wäre die Justiz längst entlastet. Statt Zahlenakrobatik à la PEBB§I braucht es echte Entlastung für überlastete Gerichte – Ministerinnenprosa hilft nicht weiter”, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Ehlers. „Wer sich selbst für vermeintlich rekordverdächtige Einstellungen feiert, während Verfahren jahrelang dauern und die Betroffenen um verzweifelt um Hilfe rufen, hat sich in einer Scheinwelt eingemauert. Rot-Rot ist ganz weit weg von den Menschen.“