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Schwerin: Abiturienten der Stadt wenden sich an Bildungsministerin

Aus den unterschiedlichsten Gründen gerieten und geraten die Schulen im Rahmen der Corona-Pandemie immer wieder in den Blickpunkt. Ein wesentlicher Punkt war und ist dabei immer wieder die Frage, ob

  • Veröffentlicht Januar 20, 2021
Corona macht auch in Schwerin vor Schulen nicht halt. | Foto: Symbolbild

Aus den unterschiedlichsten Gründen gerieten und geraten die Schulen im Rahmen der Corona-Pandemie immer wieder in den Blickpunkt. Ein wesentlicher Punkt war und ist dabei immer wieder die Frage, ob Schulen Infektionstreiber im Geschehen sind. Man kann dabei den Eindruck gewinnen, dass die Antwort darauf vielerorts von bestimmten politischen Zielstellungen bestimmt sind. Der Umgang zumindest mit den Schulen – und damit mit den Schülern und Lehrkräften – variiert von Bundesland zu Bundesland. Eines aber zieht sich durch alle Länder: Viele Unterrichte sind ausgefallen, es herrscht Unsicherheit. Und Deutschland, ein Land, das sich als eine der führenden Industrienationen der Welt wähnt, ist von Digitalisierung an Schulen meilenweit entfernt. Es fehlen weitgehend Technik und Konzepte. Einiges hat sich bewegt, aber für das Jahr 2021 ist das eindeutig zu wenig.

 

Abiturienten aus Schwerin wollen Durchschnittsabitur

Auch dass man nach einem „fröhlichen und unbeschwerten Sommer“ – Bevölkerung wie Politik – ohne jeden wirklichen Fortschritt auch in die Herbst- und Winterwelle der Corona-Krise geschlittert ist, spricht nicht für Deutschland. All das sind allerdings zwar dramatische Themen – aber die wirken stets eher technokratisch, organisatorisch, strukturell. Wenig wird von den tatsächlichen Konsequenzen und Auswirkungen auf die betroffenen Schülerinnen  und Schüler gesprochen. Diese aber stehen teilweise vor extremen Problemen, wie nun ein Schreiben zahlreicher Abiturientinnen und Abiturienten der Landeshauptstadt Schwerin zeigt. Darin wandte sich konkret der diesjährige Abschlussjahrgang am Montag an Bildungsministerin Bettina Martin und bittet sie um die Durchführung eines s.g. Durchschnittsabiturs. Damit würden die Prüfungen praktisch entfallen.

Normalerweise setzt sich das Abitur in Mecklenburg-Vorpommern aus 36 Semesterleistungen und fünf Abiturprüfungen im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel zusammen. Der Abschlussjahrgang aus Schwerin schlägt nun vor, einen Durchschnitt der besagten Semesterleistungen zu bilden. Daraus soll sich dann die Abschlussnote ergeben. Dieser Ansatz stellt dabei aus europäischer Sicht offenbar auch keinen Alleingang dar. So hätten Frankreich (teilweise), England und Schweden inzwischen auch die diesjährigen Abschlussprüfungen abgesagt. Letzten Endes wäre eine europäische Vergleichbarkeit durchaus gegeben, so die Abiturienten aus Schwerin.

 

Sachliche Begründungen die tief blicken lassen

Die sehr sachlich dargestellten Begründungen lesen sich wie ein vor einem Jahr in Deutschland wohl noch kaum vorstellbares Szenario. Manche lassen auch nach knapp einem Jahr Corona noch aufhorchen. Vor allem aber bieten sie einen tieferen Einblick in die schulische Realität. So sprechen die Abiturienten in Schwerin von mindestens neun Wochen weggefallenem aktivem Präsenzunterricht. Eine nicht ausreichende digitale Infrastruktur habe dies nicht auffangen können und vielen Schülern haben die Mittel für digitalen Unterricht gefehlt. Die Schulen verfügen weder über Geräte noch Lernplattformen, in ländlichen gebieten – wo auch Schüler leben – ist das Internet nur unzureichend nutzbar. Auch benötige due Anpassung an die Veränderungen auf Schüler wie Lehrerseite viel kostbare Zeit. Zeit, die ohnehin nicht mehr ausreicht. 

 

Es spricht vieles für das Anliegen der Schüler

Nachdem eigentlich seit der vergangenen Woche für die Abschlussklassen offiziell wieder der Präsenzunterricht laufen soll, lassen die folgenden Argumente aufhorchen. Denn Unterricht „im normalen Rahmen“ finde nicht statt. Gleiches gilt für die Notengebung. Zudem ist auch in den Abschlussklassen offenbar die Präsenzpflicht weiterhin ausgesetzt. Und, das dürfte viele überraschen, „die Lehrkräfte entscheiden individuell, ob Präsentunterricht überhaupt angeboten wird“. Das kann – außerhalb der Brief-Darstellungen – also bedeuten, dass Klasse A mit Lehrer A den Physikunterricht fortsetzt. Klasse B mit Lehrer B aber nicht. Schon innerhalb einer Schule entstehen so Ungleichheiten in den letzten Wochen vor dem Abitur, die schwer gleiche Bedingungen, wie sie für Prüfungen gefordert sind, ermöglichen. „Dadurch haben wir Lernstoff einbüßen müssen. Fächer wie Mathe, Physik, Chemie, Biologie – aber auch Musik, Kunst und Sport – können nur schwer digital umgesetzt werden. In diesen Fächern ist das praktische Arbeiten essenziell. Gleichzeitig sind in diesen Fächern direkte, praktische Erklärungen und Hilfestellungen sehr wichtig.

Auch mit Blick auf die möglichen Prüfungen in Zeiten des Infektionsgeschehens sehen die unterzeichnenden Abiturientinnen und Abiturienten Probleme. „Sollte ein Schüler infiziert sein, oder Kontakt zu einem Infizierten gehabt haben, kann es schnell geschehen, dass der gesamte Prüfungsjahrgang in Quarantäne muss“. Man sieht, die Schüler haben in den vergangenen Monaten die Realität erlebt. Eine Realität, die natürlich auch vor Prüfungen nicht halt macht. Prüfungsverschiebungen und ein organisatorisches Durcheinander sind dann zweifellos vorprogrammiert. Auch Maskenpflicht in Prüfungen wäre eine zusätzliche Belastung der Prüflinge.  Aus dieser Perspektive und auch mit Blick auf die gesundheitlichen und psychischen Belastungen sehen die Abiturientinnen und Abiturienten aus Schwerin eine nicht mehr mögliche Vergleichbarkeit mit vorangegangenen Jahrgängen. 

 

Unterricht statt Prüfungszeit

Die Abiturienten schlagen vor, die für Prüfungsvorbereitungen und Prüfungen veranschlagte Zeit besser für die Vermittlung des noch ausstehenden Lehrstoffes zu nutzen. Durchaus auch digital – so möglich. Vor allem auch mit Blick auf anschließende Ausbildungen oder Studienzeiten sei es wichtig, „dass die Themen sitzen“. Ein durchaus schlagkräftiges Argument, denn dann zählt nur, dass das Wissen vorhanden ist. Durch die entsprechende Nutzung der Zeit könnte hier noch viel aufgeholt werden. Denn es wäre dann durchaus denkbar, dass auch die Abschlussklassen bis zum Sommer noch Unterricht bekommen. 

Eine Stellungnahme des Bildungsministeriums in Schwerin war am gestrigen Nachmittag leider nicht mehr zu erhalten. Es bleibt also offen, wie Bettina Martin auf das Ansinnen der Abiturienten aus Schwerin reagiert. Man mag ihr die Kraft wünschen, den vorgeschlagenen Weg zu gehen. Er berücksichtigt sowohl die einmalige Situation, in der sich die Schülerinnen und Schüler befinden, als auch die Priorität, ein Maximum an Unterrichtsinhalten bis zum Ende der Schulzeit vermittelt zu haben.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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