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Schwerin: Altstädtischer Markt hält Leib und Seele zusammen

  Mark­t­plätze haben seit jeher eine beson­dere Anziehungskraft. Hein­rich der Löwe hat denn auch gle­ich bei der Grün­dung Schw­erins vor über 860 Jahren für einen zen­tralen Han­del­splatz mit­ten in der

  • Veröffentlicht März 20, 2021
Seit 860 Jahren im Zeichen des Löwen – Alt­stadt­markt in Schw­erin | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

 

Mark­t­plätze haben seit jeher eine beson­dere Anziehungskraft. Hein­rich der Löwe hat denn auch gle­ich bei der Grün­dung Schw­erins vor über 860 Jahren für einen zen­tralen Han­del­splatz mit­ten in der Stadt gesorgt. Durch die Jahrhun­derte hin­weg war der Markt auch immer Ver­samm­lungsplatz. Hier wur­den mehrere Male im Jahr und bei beson­deren Ereignis­sen den Ein­wohn­ern neue Geset­ze, Satzun­gen und Verord­nun­gen vorge­le­sen. Dafür gibt es heute Zeitun­gen, Funk und Fernse­hen und das Inter­net. Für unsere Ver­sorgung gibt es in den Vierteln und vor den „Stadt­toren” Super­märk­te und „Shop­ping Cen­ter”. Den­noch gilt, an Attrak­tiv­ität hat der Mark­tbe­such in der heuti­gen Zeit nicht einge­büßt. Im Gegen­teil, er gehört für viele Men­schen zum Lebens­ge­fühl.

 

„Ich brauche den Markt und der Markt braucht mich!”

Alt­stadt­markt unter Coro­na-Bedin­gun­gen | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Ohne Zweifel, der min­destens ein­mal wöchentliche Gang zum Markt ist ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala der Schw­er­iner­in­nen und Schw­er­iner. Fragt man heute Mark­tbe­sucherin­nen und ‑besuch­er, wie wichtig Ihnen ger­ade jet­zt der Einkauf unter freiem Him­mel ist, so ist die Antwort immer ein­deutig. „Hier kann ich, wenn auch lei­der mit Coro­na-Abstand, mal Leute tre­f­fen und sehen – unter Men­schen sein“. Manche kön­nten gar „… jeden Tag zum Markt gehen“.

Am Mark­t­tag ist der Einkauf an der frischen Luft für viele Kundin­nen und Kun­den ein fes­ter Tage­sor­d­nungspunkt. Wert wird auf die Frische der Ware gelegt. Frisch geschnit­tene Blu­men oder auch mor­gens in aller Frühe geern­tetes Gemüse bekom­men den Vorzug vor oft­mals unnötig plas­tikver­schweißten Pro­duk­ten aus dem Kühlre­gal. Eben­so ist immer allen Mark­tkun­den die regionale Herkun­ft ins­beson­dere von Fleisch und Gemüse wichtig. Oft­mals wis­sen die Kun­den recht genau, von welchem Hof in unser­er Region die Eier, der Rinder­brat­en oder die Kohlköpfe kom­men. Hinzu kommt, dass der unkom­plizierte Weg in die Innen­stadt den Einkauf ger­ade für die Kundin­nen ohne Auto attrak­tiv ist. Einkaufen um die Ecke ist ein großes Plus des Freiluft­mark­tes.

 

Bei Wind und Wetter – sie sind für uns alle da!

Alt­stadt­markt unter Coro­na-Bedin­gun­gen | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Men­schen in soge­nan­nten sys­tem­rel­e­van­ten Berufen beka­men let­ztes Jahr recht bald nach Beginn der Coro­na-Pan­demie viel Applaus. Mehrheitlich waren es Frauen, deren unverzicht­bare Arbeit öffentlich beklatscht wurde. Poli­tik­er und Chefs über­bracht­en medi­en­wirk­sam Mer­ci-Schoko­lade und Pra­li­nen­schachteln an Kranken­schwest­ern und Kassiererin­nen. Auch auf dem alt­städtis­chen Markt sind es mehrheitlich Frauen, die für den Verkauf von Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Blu­men sor­gen. Die Schicht­en der Mark­t­frauen begin­nen schon Stun­den, bevor sich die ersten Kun­den auf den Weg in die Innen­stadt machen. Manch ein­er dreht sich im kusche­li­gen Bett noch ein­mal um, da sind die Frauen schon bei Schnee, Minustem­per­a­turen (man denke an den let­zten Monat) und „Schi­etwet­ter” mit dem Mark­t­wa­gen unter­wegs. Ware will abge­holt, ver­packt, trans­portiert und ansprechend präsen­tiert wer­den. Hygien­eregeln müssen immer, aber beson­ders in Zeit­en ein­er Pan­demie einge­hal­ten.

Die Umset­zung der Coro­na – Verord­nun­gen waren nicht immer ein­fach, wur­den aber mit guten Ideen unkom­pliziert gemeis­tert. Und dann, wenn der Verkauf begin­nt, dann erwartet die Kund­schaft von 9–15 Uhr eine fre­undliche Bedi­enung. Am Mark­tschluss wird aufgeräumt, der Müll muss weg, denn der Platz muss wieder sauber sein. Die Wagen und Stände müssen abgestellt und Ware für den näch­sten Tag muss unterge­bracht wer­den. Und war da noch was? Fam­i­lie? Kinder? Fre­unde? So kann der Tag schon mal eine richtige Her­aus­forderung sein.

 

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Mehr Infor­ma­tio­nen

Mark­tbe­sucherin­nen und ‑besuch­er in Schw­erin im O‑Ton

 

Auf dem Markt spiegelt sich die Gefühlslage der Menschen wider

Wie wichtig der Mark­tbe­such für die Men­schen in Schw­erin ist, wis­sen auch die Mark­t­frauen. Die Leute bleiben auch gern mal für einen Schnack ste­hen, wenn es denn die Warteschlange zulässt. Am Stand oder Verkauf­swa­gen wer­den auch immer mal ein paar fre­undliche Worte aus­ge­tauscht. Vor allem für Ältere und Alle­in­ste­hende gehören ein paar fre­undliche Worte zu men­schlich­er Wärme in den ver­gan­genen kalten Tagen. Lei­der habe die Lock­down­si­t­u­a­tion aber auch bei eini­gen Zeitgenossen zu nervlichen Anspan­nun­gen geführt, die man manch­mal auch auf dem Markt spüren könne. „Weil ja jed­er mal einen schlecht­en Tag haben kann”, so eine der Mark­tverkäuferin­nen, reagiere man oft­mals mit Ver­ständ­nis und bleibe gelassen. Dann komme es aber auch schon mal zu „Unhöflichkeit­en“ und „Bemerkun­gen unter der Gürtellinie“. Dies seien erfreulicher­weise immer noch sel­tene Aus­nah­men. Bei manchen mache sich aber der emo­tionale Druck, unter dem sie ste­hen eben so bemerk­bar.

 

Kommentar: Mit einer Währung sollten wir immer auf dem Marktplatz zahlen: Mit Respekt!

Peter Scher­rer, freier Redak­teur

Men­schen in der Innen­stadt gehen zum Markt. Touris­ten sowieso, aber wohl mehr wegen der Atmo­sphäre. Das Gute liegt so nah. Qual­ität zum Anfassen. Sich bewusster ernähren, bewusster einkaufen. Alles ganz oben auf der Skala poli­tis­ch­er und men­schlich­er Notwendigkeit­en. In der Diskus­sion um den Dauer­bren­ner: „Attrak­tiv­ität der Innen­städte” (aktuell durch die Ama­zo­nan­sied­lung wieder ange­facht), spielt der Markt eine ganz wesentliche Rolle. Deshalb soll­ten in einem Bürg­er­dia­log mit Stadtvertre­tung und ‑ver­wal­tung, Mark­t­be­treibern, Geschäft­sleuten und auch Bürg­ervertre­tun­gen zukun­ftsweisende Ideen für die Weit­er­en­twick­lung des Mark­tes und damit auch der Innen­stadt ins­ge­samt entwick­elt wer­den. Wir brauchen die Innen­städte nicht nur zum „Shop­pen”. Sie müssen Orte der men­schlichen Begeg­nung sein, denn dann sind sie attrak­tiv.

Der Markttag ist auch immer ein Arbeitstag

Zum Han­del gehören immer (min­destens) zwei! Und dass viele Men­schen in unser­er anges­pan­nten Zeit den Mark­tbe­such auch ein wenig als „Lebens­mit­tel für die Seele” sehen kön­nen, dafür müssen wir uns bei den Mark­t­frauen bedanken. Für sie ist der Mark­t­tag nicht Teil ein­er geschichtlichen Folk­lore, für die man in Touris­ten­blättchen wer­ben kann (und auch wer­ben soll). Der Mark­t­tag ist manch­mal son­nig-leicht. Mal würde man bei dem Wet­ter keinen Hund vor die Tür schick­en. Markt ist aber bei jedem Wet­ter! Eine robuste Gesund­heit braucht die Frau hier sowieso. Immer ist der Mark­t­tag aber für die Verkäuferin­nen hin­ter den Stän­den ein Arbeit­stag. Und wir alle ver­suchen bei der Arbeit unser Bestes geben. So tun dies auch die Frauen auf dem Markt. Egal ob wir unser Ost und Gemüse in Talern, Sil­ber­lin­gen, Alu-Chips, D‑Mark oder Euro bezahlen – in ein­er Währung soll­ten wir immer zahlen: Respekt! Denn den haben die Mark­t­frauen immer ver­di­ent. Danke für Eure Arbeit!

 

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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