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Schwerin: Badenschier bringt Ende der Corona-Maßnahmen und Durchseuchung der jüngeren Generation ins Gespräch

„Wo ist das neue strategische Ziel der Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung und für die vierte Welle?“ Diese Frage stellt Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier in diesen Tagen. Aber er belässt es

  • Veröffentlicht Juli 30, 2021
Ist das eine komplette Kehrtwende in der regionalen Corona-Politik? Mit unerwarteten Ansichten und Forderungen geht der Oberbürgermeister von Schwerin an die Öffentlichkeit. | Foto: privat

„Wo ist das neue strategische Ziel der Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung und für die vierte Welle?“ Diese Frage stellt Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier in diesen Tagen. Aber er belässt es nicht bei dieser Frage, sondern überrascht mit eigenen Ansichten und Forderungen. Mit einer vergleichsweise langen und nach seiner eher vorsichtigen und auf Gesundheitsschutz ausgerichteten Linie der vergangenen Monate so nicht zu erwartenden Erklärung, ging er gestern an die Öffentlichkeit. Diese wollen wir hier, nicht zuletzt aufgrund des doch brisanten Inhalts, im Wesentlichen auch im Wortlaut wiedergeben.

 

Große Kraftanstrengungen haben in Wellen 1 bis 3 Ziele erreichbar gemacht

„Wir haben in einer unglaublichen gesellschaftlichen Kraftanstrengung unser strategisches Ziel erreicht, das Gesundheitssystem vor der Überlastung zu bewahren und damit unzählige Menschenleben gerettet. Der weitere Verlauf der Pandemie liegt sowohl für die älteren Jahrgänge, denen ein Impfangebot unterbreitet werden konnte, als auch für die jüngeren Jahrgänge, die nur äußerst selten schwer erkranken, im Bereich des individuellen Lebensrisikos. Deswegen ist es an der Zeit, über die Aufhebung von Corona-Beschränkungen zu diskutieren, statt mit Impfpflicht, Schulschließungen oder neuen Lockdowns unverhältnismäßige Kollateralschäden zu riskieren.“

Zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 war das unumstrittene, internationale Ziel: „flatten the curve“ – die absolute Zahl der akut Infizierten gering halten, damit die Intensivstationen nicht überlastet werden. Dazu dienten die Infektionsschutzmaßnahmen der ersten, zweiten und dritten Welle. Durch diese Maßnahmen ließ sich die erste Welle früh brechen. In der zweiten Welle gelang es, unzählige Leben in der Hochrisikogruppe der Älteren zu retten. Und in der dritten Welle war es möglich, die Intensivstationen vor der Überlastung zu schützen.

 

Vierte Welle steht unter anderen Voraussetzungen

„Eine vierte Welle steht unmittelbar bevor und ein Blick in die Nachbarländer und auf die Erfahrungen mit der alpha-Variante verheißt, dass wir sie nicht aufhalten können“, so Badenschier. „Die Lage ist aber heute eine gänzlich andere. Es steht ausreichend Impfstoff zur Verfügung. Jeder Erwachsene, der sich individuell schützen möchte, kann dies tun. Insbesondere die Risikogruppen unserer Gesellschaft haben ein Impfangebot erhalten. Für die Gruppe der 0 -11-jährigen, für die kein Impfstoff zur Verfügung steht, ist die Wahrscheinlichkeit einer COVID-19-Erkrankung sehr gering. Selbst für die 12-17-jährigen, für die zwei mRNA-Impfstoffe zugelassen sind, spricht die STIKO keine Impfempfehlung aus. Oder: das Impfrisiko für diese Gruppe wird höher als das Erkrankungsrisiko eingeschätzt. Damit entfällt zumindest für die 0 – 17-jährigen die individuelle Notwendigkeit, sie vor einer Infektion zu schützen.

 

„Durchseuchung der jüngeren Kohorte […] unvermeidbar“

Somit gibt es weder für die ältere Kohorte, die ein individuelles Impfangebot hat, noch für die jüngere Kohorte, für die eine Infektion als ungefährlicher als eine Impfung eingeschätzt wird, einen Grund, für die Verhinderung einer SARS-CoV2-Infektion weiterhin Grundrechte einzuschränken. Eine Herdenimmunität ist mit einer Durchimpfung der über 18-jährigen nicht zu erreichen. Eine Durchseuchung der jüngeren Alterskohorte ist für eine Herdenimmunität unvermeidlich. Empirisch bestätigt dies Großbritannien: dort sinken derzeit die Inzidenzzahlen wieder, das Gesundheitssystem ist trotz Inzidenzzahlen von rund 500 nicht überlastet. Die Impfrate in der Bevölkerung ist mit der in unserem Land vergleichbar.

Long Covid? Reinhard Berner von der TU Dresden hat in einer Studie mit 1500 Kindern herausgearbeitet, dass die Häufigkeit des Krankheitsbildes überschätzt werde und nicht die Gefahren eines weiteren Lockdowns für die psychische und physische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aufwiege. Provozieren wir dann nicht eine Escape Variante? Die Varianten (alpha, delta) sind deswegen besorgniserregend, weil sie infektiöser sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand führen sie jedoch nicht zu schwereren Krankheitsverläufen. Eine neue Mutation könnte aber genau dazu führen, dass auch Kinder und Jugendliche häufiger schwer erkranken. Um diesem vorzubeugen, ist eine Immunisierung durch beispielsweise eine Infektion mit der Delta-Variante ein möglicher Schutz vor einer Escape-Variante, die ja irgendwo in der Welt entstehen könnte.“

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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