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Schwerin: Biker demonstrieren gegen Fahrverbote

Es klingt auf den ersten Blick alles so harmlos und in der Zielrichtung vermutlich für viele auch nachvollziehbar, was der Bundesrat am 15. Mai 2020 in Drucksache 125/20 beschlossen hat.

  • Veröffentlicht Juli 6, 2020
Auch Hugo Klöbzig (2.v.l.) und seine Biker-Freunde waren beim Korso in Schwerin dabei. | Foto: privat

Es klingt auf den ersten Blick alles so harmlos und in der Zielrichtung vermutlich für viele auch nachvollziehbar, was der Bundesrat am 15. Mai 2020 in Drucksache 125/20 beschlossen hat. Die Bundesregierung soll Maßnahmen zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm herbeiführen. Der Teufel steckt aber auch dabei im Detail. Und dieser Detailteufel treibt nun die Biker in ganz Deutschland auf die Barrikaden.

 

Bundesrats-Initiative schlägt Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen vor

Denn in Punkt 7 des Bundesratsbeschlusses, für den auch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns stimmte, dreht es sich um ein mögliches Fahrverbot für Motorräder an Sonntagen und Feiertagen. Also genau dann, wenn Biker allein oder in Gruppen die Zeit haben, mit ihren Maschinen unterwegs zu sein, könnte ihnen ein Verbot drohen. Diese Idee stößt bei den Fans natürlich auf alles andere als Gegenliebe. Das machten zehntausende Motorradfahrer am vergangenen Samstag nun in Schwerin und zahlreichen weiteren Städten deutlich. Die zeigten, dass derartige Pläne nicht ohne Widerstand realisierbar sind. Dabei kamen Samstag zum Beispiel in Stuttgart 8000 Biker zu einem Demo-Korso zusammen. In Friedrichshafen am Bodensee und auch in Dresden waren jeweils etwa 5000 dabei. Mehrere tausend trafen sich in Wiesbaden, Hamburg, Düsseldorf und vielen anderen Orten. Selbst in München, wo die Veranstaltung an sich verboten war, wurden es letztlich viele tausend. Und auch in Schwerin sollen es über 1.000 Biker gewesen sein.

 

Über 1.000 Biker fuhren als Protest in einem Korso durch Schwerin. | Foto: privat

Über 1.000 Biker auch in Schwerin auf der Straße

Hier, in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, traf man sich am Stadtrand, um dann in einem polizeibegleiteten Korso über zahlreiche Straßen der Stadt – auch vorbei am Schloss – zum Ministerium des zuständigen Verkehrsministers Christian Pegel (SPD) zu fahren. Dort übergaben die Biker eine Petition.

 

Biker klar gegen Fahrverbote

Mit diesen bundesweiten Protesten zeigten die Biker sehr deutlich, dass sie die doch sehr einseitige Perspektive, die der Bundesrat aus ihrer Sicht hat, nicht mittragen werden. Immer wieder hörte man bundesweit, auch in Schwerin, Verständnis für das Grundanliegen. Natürlich müsse man Wege finden, punktuelle Lärmbelästigungen durch einzelne in den Griff zu bekommen. Aber dabei pauschal mit der Fahrverbotskeule zu kommen, das halten die Biker für zu hart. Und letztlich auch im Vergleich zu anderen Fahrzeugen für ungerecht.

 

„Wer nicht über Sportwagen und Quads redet, gleichzeitig aber Motorradfahrer an Wochenenden und Feiertagen auf bestimmten Strecken aussperren will, diskriminiert vier Millionen Menschen. Bevor man neue Gesetze erlässt, sollten die vorhandenen Möglichkeiten erst einmal ausgeschöpft werden. Der Ärger der Anwohner ist zwar absolut nachvollziehbar, wir sollten dieses Problem aber gemeinsam lösen, ohne anständige Motorradfahrer pauschal auszusperren.“
(Michael Lenzen, Bundesverband der Motorradfahrer im SPIEGEL)

 

Auch Bundesverkehrsminister gegen generelle Fahrverbote

In der Ablehnung genereller Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen wissen auch die Biker aus Schwerin eine durchaus politisch maßgebliche Stimme an ihrer Seite. Denn auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnt diese Forderung bislang klar ab. Man kann vermuten, dass auch er in einem so pauschalen Schritt nicht die tatsächliche Problemlösung sieht. Auch nicht, wenn er nur ein teil an Maßnahmen wäre – wie ja vom Bundesrat vorgeschlagen. Denn letztlich, so schrieb es kürzlich DIE ZEIT, übersieht der Bundesrat das eigentliche Grundproblem. „Die Tests, mit denen die Lautstärke von Motorrädern gemessen wird, sind unrealistisch. Und die Hersteller wenden dabei offenbar Tricks an, ähnlich wie die Autoindustrie.“ Erneut also muss es also darum gehen, realistische Grenzwerte festzulegen und diese dann auch unter realistischen Bedingungen zu testen und durchzusetzen.

 

Bundesratsmehrheit zeigt, dass es mehr als Einzelstimmen sind

Die Sicht der Biker, ihrer Interessenvertreter und zumindest momentan auch des Bundesverkehrsministers ist klar. Aber dennoch muss man sehen, dass die Initiative mit dem Thema „Fahrverbot für Motorräder an Sonn- und Feiertagen“ über Länder- und Parteigrenzen hinweg erst einmal eine Mehrheit gefunden hat. Und es gibt aus diesen Reihen durchaus Stimmen, die auch klar für solche Maßnahmen eintreten. So zeigte sich laut Ems-Zeitung Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) durchaus zufrieden mit dem gesamten Forderungskatalog. Also einschließlich Fahrverbot. Und selbst damit sei man „noch nicht am Ziel angelangt“.

Minister Pegel interpretiert Beschlusstext anders

Christian Pegel, Verkehrsminister in Mecklenburg-Vorpommern, reagierte da nach übereinstimmenden Medienberichten etwas diplomatischer. Er wies darauf hin, dass es ausdrücklich nicht um ein generelles Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen ginge. Vielmehr wolle der Bundesrat die Möglichkeit eröffnen, in besonderen Konfliktfällen und auf einzelnen Straßenabschnitten an besonderen Tagen auch Fahrverbote zu erlassen. Liest man den entsprechenden Passus im Beschlusstext, kann man das vielleicht so interpretieren. Dort heißt es: „Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen.“ Allerdings liest sich „zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen“ für viele schon recht eindeutig. Es kann also noch zu einigen Diskussionen und sicherlich manch Motorrad-Korso auch in Schwerin kommen, bis klar ist, wie man Lärmschutz und Biker-Interessen sinnvoll zusammenbringt.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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