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Schwerin: Demokratie in Zeiten der Covid 19 Pandemie – ein Gespräch mit Heiko Lietz

In den ver­gan­genen Wochen ist es um die Organ­isatoren der „Mon­tags­demos“ ruhiger gewor­den. Für die „Volksini­tia­tive-Demokratie“ kom­men die Coro­na-Aufla­gen einem „Demon­stra­tionsver­bot“ gle­ich. Da man in men­schen­leeren Innen­städten keine Aufmerk­samkeit erre­ichen

  • Veröffentlicht Januar 30, 2021
Bürg­er­rechte liegen dem ehe­ma­li­gen Pas­tor Heiko Lietz sehr am Herzen. Noch heute gilt er als eine der Gal­lions­fig­uren der Wende in Meck­len­burg-Vor­pom­mern | Foto: Peter Scher­rer

In den ver­gan­genen Wochen ist es um die Organ­isatoren der „Mon­tags­demos“ ruhiger gewor­den. Für die „Volksini­tia­tive-Demokratie“ kom­men die Coro­na-Aufla­gen einem „Demon­stra­tionsver­bot“ gle­ich. Da man in men­schen­leeren Innen­städten keine Aufmerk­samkeit erre­ichen könne, werde man bis auf Weit­eres auf soge­nan­nte Mon­tags­demos verzicht­en.

Auf den Demon­stra­tio­nen wurde u.a. dazu aufgerufen, sich gegen die „Coro­na-“ oder „Merkel-Dik­tatur“ zu wehren. Auch wenn die „Spaziergänge um den Pfaf­fen­te­ich“ eingestellt wur­den – weit­er­hin fordert die „Volksini­tia­tive-Demokratie“ die „Wieder­her­stel­lung aller Grun­drechte“ und ein „Sofort zurück zur Demokratie“. Eben­falls wird „die sofor­tige Abschaf­fung aller Coro­na-Ein­schränkun­gen“ gefordert. Die Bun­desregierung solle den „schwedis­chen Weg“ bei der Coro­na-Bekämp­fung gehen. Auf ihren Plakat­en wer­ben sie dafür, sich auf den Weg zu „Frei­heit, Respekt, Wahrheit und Men­schlichkeit” zu machen.

 

Bürgerrechtler, Pastor und Umweltaktivist

Diese Werte, Frei­heit, Respekt und Men­schlichkeit, haben Heiko Lietz sein Leben lang the­ol­o­gisch und poli­tisch angetrieben. Er ist ein Urgestein in Schw­erin. 1943 in der Lan­deshaupt­stadt geboren, studierte er in Ros­tock The­olo­gie. Von 1970 – 1980 war Heiko Lietz Pas­tor in der Güstrow­er Domge­meinde. Aktiv engagierte er sich im Rah­men der Pla­nung und Koor­dinierung der jährlichen „Frieden konkret“-Treffen. Für das Min­is­teri­um für Staatssicher­heit (MfS) war Lietz zudem ein­er der „…ca. 60 unbelehrbare(n) Feinde des Sozial­is­mus…“. Er gehörte für das MfS zum harten Kern der „…maßge­blichen Inspiratoren/Organisatoren poli­tis­ch­er Unter­grundtätigkeit“. Hausar­rest und Unter­suchung­shaft brachte ihm sein friedens – und frei­heit­spoli­tis­ches Engage­ment in der DDR ein. Ab 1989 engagierte er sich beim Neuen Forum und ver­trat die Bürg­er – und Frei­heit­srechtler am Zen­tralen Run­den Tisch. Er arbeit­ete maßgebend am Auf­bau der Bünd­nis 90/Die Grü­nen in MV.

 

 Vollständiges Interview mit Heiko Lietz

 

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Freiheitsrechte und Gemeinwohl

Schw­erin-Lokal sprach mit Heiko Lietz über seine Sichtweise auf demokratis­che Grund – und Bürg­er­rechte in Zeit­en der Coro­na-Pan­demie. Lietz emp­fiehlt den Geg­n­ern der Coro­na-Maß­nah­men sich inten­siv mit den Artikeln unseres Grundge­set­zes zu befassen. Für ihn gilt, Frei­heit­srechte beschränken sich gegen­seit­ig, denn die Frei­heit des Einzel­nen endet da, wo die Frei­heit des Anderen anfängt. „Auch Frei­heit­srechte haben dem Gemein­wohl zu dienen“, so Lietz. Die Leute, die die gegen­wär­ti­gen Maß­nah­men als Dik­tatur beze­ich­nen, „haben ver­mut­lich nie eine Dik­tatur erlebt, kom­men auch nicht aus der DDR“, so der ehe­ma­lige Pas­tor. „Entwed­er wis­sen sie nicht, was eine Dik­tatur ist, oder sie sind blauäugig oder böswillig“, so Lietz.

 

Die Demokratie braucht den Rechtsstaat

Zen­tral in unserem Grundge­setz sei der Artikel, der die „Würde des Men­schen“ garantiere. Dass aber grundge­set­zlich garantierte Men­schen – und Frei­heit­srechte mitunter in einem Span­nungs­feld zu einan­der ste­hen, das gehöre zur Demokratie. In einem Rechtsstaat gibt es zur Wahrung der Frei­heit­srechte geset­zliche Regelun­gen. Die Bal­ance zwis­chen den einzel­nen Grun­drecht­en sei durch das Bun­desver­fas­sungs­gericht sicherzustellen. Für den Umweltak­tivis­ten bietet die Pan­demie aber auch eine Chance. Er sieht die Möglichkeit, in ein­er bre­it­en gesellschaftlichen Diskus­sion Antworten auf die Frage „Wie wollen wir in Zukun­ft leben?“ zu entwick­eln. Dabei sieht Lietz die Medi­en in ein­er beson­deren Ver­ant­wor­tung. Die Fra­gen nach Kli­ma -, Umwelt – und Energiepoli­tik, die unser aller Zukun­ft bes­tim­men, soll­ten danach durch die Medi­en in das Zen­trum des öffentlichen Diskurs­es gestellt wer­den.

 

Versöhnung statt weiterer Spaltung unserer Gesellschaft

Eine sol­i­darische Gesellschaft kann es für Lietz nur geben, wenn Trans­parenz über die ver­schiede­nen Inter­essen herrscht. Wichtig sei, im offe­nen Dia­log, die Inter­essen des jew­eils Anderen anzuerken­nen. Kom­pro­miss­los­es Durch­set­zten der eige­nen Inter­essen ste­ht für ihn der Schaf­fung ein­er gerecht­en Gesellschaft ent­ge­gen. Für Lietz gilt es, eine Inter­essen­part­ner­schaft eben­so inner­halb ein­er Gesellschaft wie auch weltweit zu entwick­eln. Mit Blick auf die Friedenssicherung gelte es, an ein­er glob­alen Sicher­heitspart­ner­schaft zu arbeit­en.

Eine Empfehlung hat der ehe­ma­lige Pas­tor dabei auch an die Kirchen. Die Antrittsrede des neuen US-Präsi­den­ten Joe Biden hat­te als zen­trales The­ma, die Ver­söh­nung ein­er ges­pal­te­nen Gesellschaft. Für Heiko Lietz hat Biden den Wun­sch nach Ver­söh­nung sehr überzeu­gend vor­ge­tra­gen. „Wenn jed­er Pas­tor so reden würde, … und die Botschaft der Ver­söh­nung … ins all­ge­meine Bewusst­sein überge­ht…“ dann haben wir eine Chance, die zunehmende Spal­tung unser­er Gesellschaft zu über­winden, so Lietz.

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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