Close

Schwerin: Diskussion um Stern-Buchholz unüberhörbar

Schon wiederholt kamen in den vergangenen Tagen die Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Stern Buchholz bei Schwerin in die Schlagzeilen. Der Flüchtlingsrat MV sprach dabei gar von unhaltbaren Zuständen. Innenministerium

  • Veröffentlicht April 8, 2020
In Zeiten der Corona-Pandemie werden fragwürdige Zustände in Stern-Buchholz bei Schwerin bekannt. | Symbolbild

Schon wiederholt kamen in den vergangenen Tagen die Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Stern Buchholz bei Schwerin in die Schlagzeilen. Der Flüchtlingsrat MV sprach dabei gar von unhaltbaren Zuständen. Innenministerium und Stadt Schwerin reagierten bislang mit nahezu kompletter Zurückweisung aller Vorwürfe. Eine Linie, von der das Innenministerium offenbar auch weiterhin nicht abrückt.

Land und auch Stadt wiesen bislang fast alle Vorwürfe strikt zurück

Und doch klingen gerade derartig komplette Zurückweisungen faktisch aller Vorwürfe schon merkwürdig. Denn, so fragt man sich, weshalb stehen derart vielfältige Vorwürfe verschiedener, voneinander unabhängiger Personen im Raum? Und blickt man auf die anfänglich faktisch geheime Verlegung corona-infizierter Bewohner der EAE in ein Objekt nach Parchim zurück, wird man nicht weniger misstrauisch hinsichtlich der offiziellen Verlautbarungen. Eher durch Zufall kam die Verlegungspraxis ans Licht. 

 

Infizierte Bewohner der Aufnahmeeinrichtung in Stern Buchholz bei Schwerin kommen derzeit nach Parchim.

Bericht vom gestrigen Tag stützt bisherige Vorwürfe deutlich und bringt neue zutage 

Ein sehr umfangreicher Bericht der SVZ vom gestrigen Dienstag (7. April 2020) setzt nun die bislang nur punktuellen Vorwürfe in ein Gesamtbild, das die bisherigen Reaktionen von Stadt und Land weiter in Frage stellt. Die Tageszeitung lässt dabei nach eigenen Aussagen zwei Mitarbeiter der Malteser zu Wort kommen, die eine zweifellos schwierige Situation vor Ort schildern. Banden seien vor Ort aktiv, die mit Drogen handeln. Hierfür sieht das Innenministerium bislang keine „belastbaren Informationen“. Vor etwa drei Wochen seien zudem infizierte Bewohner aus dem Ausweichquartier in Parchim für mehrere Tage verschwunden. „Die Polizei hat sie gesucht, aber nicht gefunden. Dann waren sie plötzlich wieder da. Unbedingt soll das unter der Decke gehalten werden“, so einer der Mitarbeiter laut SVZ.

Corona-Infizierte verschwanden unbemerkt aus Quarantäne

In großen Gruppen verließen Bewohner zudem ungehindert das Gelände. Eine Beobachtung, die auch ein Anwohner, der ebenfalls anonym bleiben möchte, gegenüber unserer Redaktion bestätigte. „Vom 1. bis 4. April sind vom Bus 9 an meinen Küchenfenster mindestens 50 Menschen (mehr Männer-Jugendliche, Frauen und Frauen mit Kindern), also in Trauben, ohne irgendwie an Abstand zu denken und ohne irgendwelchen Schutzmaßnahmen in Richtung Kaserne“ unterwegs gewesen. „Die Polizei stand immer an der Einbiegung / Einfahrt von Stern Buchholz. Auch im Blick zur Bushaltestelle.“ Wenn dann der Bus der Linie 9 kam, marschierten ganze Gruppen dorthin, „ohne von der Polizei kontrolliert zu werden“. 

 


Überlastete Mitarbeiter und fragwürdige Einsatzpraxis 

Gegenüber der Schweriner Volkszeitung sprachen die beiden Mitarbeiter aber auch über die eigenen Arbeitsbedingungen. Dabei scheint inzwischen eine deutliche Überlastung des Personals vorzuherrschen. Zudem ist von einem „strengen Regiment“ und auch dem Einsatz vorerkrankter Mitarbeiter im Quarantänehaus die Rede. Einigen sei es untersagt, sich auf eine eventuelle Infektion mit dem Virus testen zu lassen. Allein, um den Betrieb überhaupt aufrecht erhalten zu können. Und am Wochenende erfolgte zudem grundsätzlich keine Testung. Darüber hinaus habe zu Beginn der Corona-Thematik für die Mitarbeiter ein Verbot bestanden, Schutzmasken zu tragen. „Die Bewohner sollten nicht verunsichert werden“, so die Mitarbeiter laut SVZ. Gegenüber der Tageszeitung erklärte das Innenministerium dann aber, Tests finden „zu den üblichen Zeiten statt. […] Bei akuten Fällen erfolgt eine Einweisung in die Klinik.“

Innenministerium weist erneut alle Vorwürfe zurück

Am Nachmittag reagierte gestern auch das Innenministerium in Schwerin auf die erneut laut gewordenen Vorwürfe. Staatssekretär Thomas Lenz hatte sich dabei gestern sowohl in Horst als auch in Stern Buchholz im Rahmen eines Vor-Ort-Termins persönlich über die Situation informiert. Ein Umstand, der, wie es zumindest die AfD-Fraktion Schwerin sagt, zuletzt wohl auch Medienvertretern und Kommunalpolitikern nicht mehr möglich war. Das Fazit des Staatssekretärs nach seinen Besuchen dürfte wenige überraschen. „Der Umgang mit den Folgen der Corona-Krise ist weder für die einheimische Bevölkerung noch für die Asylsuchenden einfach und für alle ein Lernprozess. Ich kann auch nach meinem Besuch heute mit gutem Gewissen versichern, dass alles dafür getan wird, mögliche Ansteckungsgefahren zu vermeiden“, so Thomas Lenz. „Die Vorwürfe halten einer Überprüfung nicht stand. Sie haben sich vielmehr als haltlos erwiesen.“

Glaubt man dem Innenministerium sind alle Aussagen unwahr

Streng genommen bedeutet das nicht mehr und nicht weniger, als dass die beiden von der SVZ zitierten Mitarbeiter der Malteser lügen.  Auch die unserer Redaktion vorliegenden Anwohnerhinweise entsprechen demnach nicht den Tatsachen. Und auch die Darstellungen des Landesflüchtlingsrates sind demnach falsch.  Zwei Besuche des Staatssekretärs in Horst und Stern Buchholz reichen aus, um die sehr detailliert und konkret erscheinenden Vorwürfe abzuwehren. So ist es laut Thomas Lenz „polizeilich nicht bekannt“, dass Personen unberechtigt die Quarantäne-Einrichtung in Parchim für mehrere Tages verlassen hätten. „Demnach mussten auch keine Suchmaßnahmen durch die Polizei erfolgen.“ 

Staatssekretär sieht keinerlei Probleme – „Alle Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen“

Die Beobachtungen von Anwohnern, die von großen Gruppen der Bewohner sprachen, die ungestört zum Bus gingen und ebenso ungestört einstiegen, stellt der Staatssekretär ebenfalls ganz anders dar. „In der Mittagszeit kam es an der Haltestelle zu den Abfahrtszeiten der Busse zu einem erhöhten Fahrgastaufkommen. Die Mitarbeiter der Polizei vor Ort sprechen die Personen regelmäßig auf die Einhaltung der Abstandsregelungen an.“ Selbst auf die Vorwürfe, dass größere Gruppen auch im Stadtgebiet von Schwerin zu sehen sind, hat Thomas Lenz eine die Situation ganz anders darstellende Sicht. „Auch Ansammlungen oder größere Gruppen in der Stadt werden von der Ordnungsbehörde oder der Polizei angesprochen. Die Polizei konnte jedoch bislang keine signifikanten Besonderheiten hinsichtlich der Einwohner der EAE feststellen.“ 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert