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Schwerin: Ein Stück Lebensqualität kommt zurück

Vor einer Woche hätte wahrscheinlich kaum jemand nur einen Cent darauf verwettet, dass am heutigen 9. Mai die meisten Gastronomien in unserem Bundesland wieder öffnen können. Überall, auch in Schwerin,

  • Veröffentlicht Mai 9, 2020
Viele Plätze sind nicht geblieben im Restaurant KABANA in Schwerin. | Foto: schwerin-lokal

Vor einer Woche hätte wahrscheinlich kaum jemand nur einen Cent darauf verwettet, dass am heutigen 9. Mai die meisten Gastronomien in unserem Bundesland wieder öffnen können. Überall, auch in Schwerin, sah man gestern reges Treiben in den bekannten aber auch manch neuen Restaurants und Cafés. Denn das Land hat extrem strikte Regeln zum Schutz der Gesundheit von Gästen und Personal erlassen. Teilweise sind sie kaum einzuhalten. Bleibt zu hoffen, dass eventuelle Kontrollen mit Fingerspitzengefühl erfolgen.

Gastronomen hatten wiederholt auf ihre Lage hingewiesen

Immer wieder hatte es in den vergangenen Tagen und Wochen lauter werdende Proteste der Gastronomie gegen die anhaltende Schließung gegeben. In offenen Briefen, Posts und unübersehbaren öffentlichen Aktionen machten sich die Betreiber bemerkbar. Längst war es für viele nicht mehr nur „Fünf vor zwölf“. Auch in Schwerin stand und steht vielen Gastronomen das Wasser sprichwörtlich „Oberkante Unterlippe“.

Öffnungen heute unter klaren Bedingungen

Nun ist es heute also soweit: Viele Türen öffnen sich wieder. Und damit kehrt nicht nur ein Stück weit Hoffnung bei denjenigen zurück, die wochenlang um ihre Existenz bangten. Auch für die Schweriner und schon bald auch wieder die Gäste der Stadt kehrt ein Stück Lebensqualität zurück. Damit alles aber regelgerecht verläuft, galt es in den vergangenen Tagen und vor allem gestern noch, kräftig zu räumen, zu messen und nachzudenken. Denn die Vorgaben des Landes haben es durchaus in sich:

  • Es dürfen nicht mehr als sechs Personen an einem Tisch Platz nehmen. Sie müssen zusammen gehören, und es gelten die Regeln der Kontaktbeschränkung. Damit dürfen die sechs Personen maximal aus zwei Haushalten sein.
  • Es gilt ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu Personen an Nachbartischen.
  • 21 Uhr müssen alle Gastronomien im Land schließen.
  • Das Personal muss, so es Gastkontakt hat, einen Mund-Nasen-Schutz-tragen.
  • Es wird zudem dringend um Reservierungen gebeten. Auch in Zusammenhang mit der Pflicht, dass mindestens eine Person am Tisch ihre Kontaktdaten (in der Regel Name, Adresse und Telefonnummer) bekanntgibt.
  • Gäste soll(t)en immer dann, wenn sie nicht an ihren Plätzen sind, innerhalb der Lokalitäten Mund-Nasen-Schutz tragen.

Jeder Gastronom in Schwerin weiß natürlich, dass dies nur ein sehr kleiner Auszug aus einer mehrseitigen Richtlinie des Landes ist. Daher die Bitte an alle Gäste: Zeigen Sie Verständnis. Denn die allermeisten Gastronomen, die heute öffnen, tun ihr Möglichstes, um die Regeln einzuhalten und Ihnen dennoch einen schönen Aufenthalt zu ermöglichen.

Viel Platz, dafür weniger viele Plätze im Restaurant KABANA in Schwerin. | Foto: schwerin-lokal

Betreiber passen ihre Lokale an neue Regeln an

Mit diesen Regeln geht nicht zuletzt in den meisten Lokalen auch ein nicht unwesentlicher Teil der Plätze verloren. Daher sah man überall am gestrigen Tag fleißige Hände bei den Vorbereitungen. So konnte Murat Neliker, Betreiber des Restaurant KABANA am Pfaffenteich, seine Helfer bestens beschäftigen. Es wurden Abstände gemessen, Varianten ausprobiert und letztlich eine endgültige Stellmöglichkeit realisiert. Wer das KANABA kennt, wird heute sofort sehen, dass nur noch ein Bruchteil der sonst üblichen Plätze geblieben ist. Neliker ist daher froh, dass er seine Außenterrasse bereits aufgebaut hat. Zwar fallen auch dort einige Plätze weg. Aber zumindest kann es heute innen und außen losgehen. Dann gibt es wieder Burger, Fleisch und Pasta frisch zubereitet – und sicher lich auch das eine oder andere Getränk dazu.

Die Terrasse des Restaurant KABANA in Schwerin steht. Allerdings werden hier die Tische noch reduziert. | Foto: schwerin-lokal

Verwaltung in Schwerin will konstruktiv bei Außengastronomie sein – Fraktionen diskutieren, wer das zuerst forderte

Apropos Außenfläche: Die Stadtverwaltung Schwerin hat indes bekanntgegeben, sie wolle in Bezug auf mögliche Erweiterungen bestehender aber auch der Genehmigung neuer Außengastronomien schnell und kulant handeln. Das damit verbundene Ziel: Die deutlichen Platzreduzierungen in den Innenräumen etwas kompensieren und vor allem auch attraktivere Außenangebote schaffen. Unsere Redaktion konnte sich gestern davon überzeugen, dass zumindest sehr kurzfristig Vor-Ort-Termine durch die Verwaltung realisiert werden. Im konkreten Fall ging es dabei ebenso konstruktiv wie verständnisvoll zu. Allerdings können nicht alle Regeln außer Kraft gesetzt werden. So müssen neue Außenflächen – auch wenn sie nur in diesem Jahr und nur der Situation entsprechend geplant sind – durch Bauantragsverfahren.

Vertreter der Fraktionen von SPD und Unabhängigen Bürgern wetteiferten gestern im Internet darum, wer nun zuerst die Forderung aufgemacht hatte, die Verwaltung möge in dieser Sache kulant sein. Ob das nun tatsächlich die brennendste Frage dabei ist, muss jeder für sich beantworten. Richtig ist sicherlich, dass die SPD-Fraktion noch den Trumpf der Forderung einer gebührenfreien Überlassung der Außenflächen im Ärmel hat. Eine gute Idee für all diejenigen, die solche Flächen nutzen können. Aber das hilft wirklich nur diesen Betreibern. Denen, die keine Außenfläche realisieren können, ist damit nicht geholfen.

Heiko Steinmüller, Mitglied SPD-Fraktion Schwerin und Wirt mit viel Leidenschaft, betreibt eine Kneipe – und darf deshalb nicht öffnen heute

Was viele nicht wissen: Auch Kneipen müssen geschlossen bleiben

Und schon gar nicht hilft es denjenigen, die heute gar nicht öffnen dürfen. Denn im großen Öffnungs“jubel“ ist fast untergegangen, dass reine Bars und auch Kneipen geschlossen bleiben müssen. Der in Schwerin als Wirt und Stadtvertreter bekannte Heiko Steinmüller machte seinem Frust darüber gestern auf Facebook Luft: „Gestern Abend wurden ja die neuen Lockerungen für MV beschlossen. Darin steht das Bars, Kneipen und Gaststätten ohne Speiseverkauf nicht öffnen dürfen.
Auch ab 15.06. ist nichts für uns geplant. Ich übersetze mal, in nicht allzu ferner Zeit laufen dann die Kneiper und Barbesitzer in Schwerin los um Insolvenz zu beantragen. Wir waren die ersten die komplett schließen mussten und sollen die letzten sein die wieder öffnen.“ Hier stellt sich ernsthaft die Frage, nach welchen Logiken das Land diese Regelung erließ. Aber man muss ebenso deutlich fragen, weshalb der Interessenverband der Gastronomien in Schwerin und MV, die DEHOGA, diese Einschränkung mit trägt. Also nochmal ganz klar: Bars, Kneipen und Gaststätten ohne Speisenverkauf müssen zu bleiben. Dies gilt übrigens auch für alle Discotheken im Land.

Damit bleibt ein Wermutstropfen, wenn heute so viele Gastronomien wieder öffnen dürfen. Ja, es kehrt ein Stück Lebensgefühl zurück. Aber es bleiben auch Fragen.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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