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Schwerin: Es gibt Chancen als Wissenschaftsstandort

Dass nach der Wiedervereinigung Schwerin Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern wurde, war für die Entwicklung der Stadt von großer Bedeutung. Schwer vorstellbar, wo Schwerin heute stünde, hätte es eine andere Entscheidung gegeben.

  • Veröffentlicht März 4, 2020
Mit der weiteren Entwicklung Schwerins im Bereich Wissenschaft und Hochschulen befasst sich erstmals ein Konzeptpapier. | Foto: Moderner Hösaal (Idee)

Dass nach der Wiedervereinigung Schwerin Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern wurde, war für die Entwicklung der Stadt von großer Bedeutung. Schwer vorstellbar, wo Schwerin heute stünde, hätte es eine andere Entscheidung gegeben. Allerdings verpasste man seinerzeit eine zweite für eine nachhaltige Entwicklung wichtige Entscheidung, so dass Schwerin nicht im staatlichen System als Hochschulstandort vorkam. Bis heute hält sich dabei die Geschichte, es habe einen Deal gegeben: Landeshauptstadt, dafür aber keine staatliche Hochschule seinerzeit. So wurde die Stadt zu einem architektonischen Juwel, dem manchmal das wirkliche Leben und täglich der junge Impuls fehlen.

Mit der Wende wurde Schwerin Landeshauptstadt aber nicht Hochschulstandort

Dass dies aber nicht auf Ewigkeit in Stein gemeißelt sein muss, zeigen die in den vergangenen Jahren stattgefundenen Engagements privater Hochschulen in Schwerin. Sind auch nicht alle geblieben, so kann und darf man zu Recht sagen, dass Schwerin inzwischen Hochschulstandort ist. Diese vorhandenen Angebote gilt es mit ganzer Kraft zu fördern und zu unterstützen. Aber, es gilt auch, den Wissenschafts- und Hochschulstandort Schwerin konsequent weiter zu entwickeln. In diesem Kontext entwickelten Landeshauptstadt, IHK und ein 30-köpfiger Beirat in den vergangenen Monaten intensiv ein Konzept. Dieses betrachtet Chancen und Erfordernisse mit Blick auf Weiterentwicklung des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Schwerin /Westmecklenburg. Und das Papier benennt auch erste Zahlen. Ein Potenzial von bis zu 2.000 zusätzlichen Studierenden zeigen die Ergebnisse auf.

Die Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) in Schwerin

Klares Bekenntnis: Staatliche UND private Hochschulstrukturen als Weg zum Erfolg

Grundlage der Konzeptentwicklung ist ein Beschluss der Stadtvertretung Schwerin, die das Papier derzeit auch in verschiedenen Gremien berät. In den kommenden Jahren soll es die mit der regionalen Wirtschaft und den bestehenden Hochschulen abgestimmte Handlungsgrundlage für weitere Maßnahmen zur Entwicklung neuer Studieninhalte und -formate am Standort Schwerin bilden. Daneben zeigt das Hochschulkonzept auch die aussichtsreiche Entwicklung für den Studiengang Humanmedizin der Medical School Hamburg in Kooperation mit den Helios-Kliniken Schwerin auf: Hier werden schon ab 2021 angehende Ärzte und Ärztinnen ihren klinischen Studienabschnitt in Schwerin absolvieren. Von mehr als 300 Studierenden ist dabei die Rede.

Dr. Rico Badenschier | Foto: SIS/Christoph Müller

„Ziel muss es sein, ein Studienangebot mit überregionaler Strahlkraft in Schwerin aufzubauen, um zusätzliche Studierende nach MV zu ziehen. Wir wollen keine Verlagerung von Studierenden aus anderen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns erreichen. Neue Studienformate für die Landeshauptstadt sollen möglichst praxisorientiert, international, interdisziplinär sowie in Kooperation mit bestehenden Hochschulen entwickelt werden“, umreißt Oberbürgermeister Rico Badenschier die Herangehensweise der Stadt.

Idee einer Zusammenarbeit mit der Hochschule Wismar

Das Konzeptpapier blickt bewusst und zu Recht sowohl auf private wie auch staatliche Hochschulen. Damit endet endlich die speziell von verschiedenen politischen Vertretern gern vertretene Meinung, nur eine staatliche Hochschule wäre sinnvoll. Und man will auch keinen komplett eigenen Weg hinsichtlich staatlicher Studienangebote gehen. Von gemeinsamen Hochschulstrukturen mit der Hochschule Wismar – in der Konsequenz vielleicht einer Hochschule Wismar/Schwerin (?) – ist die Rede.

Siegbert Eisenach, Hauptsgeschäftsführer der IHK zu Schwerin | Foto: IHK zu Schwerin

Befragte Wirtschaft spricht sich für Hochschulen aus

Auch die konkret befragte Wirtschaft bekennt sich in diesem Papier eindeutig zu einer zielgerichteten Entwicklung des Hochschulstandortes. „Entscheidender Faktor für weitere Investitionsentscheidungen im Bereich der Produktion aber auch in Forschung und Entwicklung sind verfügbare Fachkräfte. Schwerin und die Region verfügen über Kompetenzen und bisher nicht genutzte Potenziale, die man als Teil einer übergreifenden Landesstrategie stärker nutzbar machen kann und muss“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer Siegbert Eisenach. In der Handwerkskammer organisierte Unternehmen wurden übrigens – ebenso wie gar nicht in einer Kammer organisierte – nicht befragt, zeigt ein Blick in die Studie.

Fünf Entwicklungsfelder

Anhand der gemeinsamen Diskussionen und Abwägungen der am Konzept Beteiligten kristallisieren sich fünf Entwicklungsfelder als besonders interessant heraus:

  • Ein Entwicklungszentrum für Prozess-Steuerung und Automatisierung
  • Eine Landesakademie für Nachhaltigkeitsforschung und Entwicklung
  • Eine Hochschule für Wirtschaft, Sport und Gesundheit
  • Biobasierte Kunststoffentwicklung und -recycling
  • Ausbau des Wasserstoff-Kompetenzzentrums

Konzept bietet große Chance – Nun gilt es…

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Stadtvertreter dieses Papier bewerten, und was dann im Weiteren damit geschieht. Auch unserer Redaktion gelang ein erster Blick in das recht umfangreiche Konzept. Nach den vielen Jahren fruchtloser Diskussionen und oftmals wenig inhaltsreicher Sommerloch-Wiederbelebungen des Themas ist es zweifelsfrei ein Fortschritt, nun einmal ein komplexes Gedankenpapier in den Händen zu halten. Wer es genau liest, stellt sich allerdings auch schnell einige Fragen. Wir bleiben an diesem Thema dran und werden ganz sicher die ersten Fragen konkreter betrachten. Denn nur Jubel bringt nicht weiter. Jetzt braucht es konstruktive Diskussion – und eigentlich vor allem externe, wirklich Fachexpertise, was den Auf- und Ausbau von Wissenschafts- und Hochschulstrukturen angeht. 

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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