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Schwerin: Gedenkstelle 30 Jahre friedliche Revolution

Durch die Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Maßnahmen fanden in diesem Jahr deutschlandweitdeutlich weniger Veranstaltungen zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung der einstmals beiden deutschen Staaten statt. als es der

  • Veröffentlicht Oktober 26, 2020
Der Fall der Mauer am 9. November 1989 war ein zentrales Ereignis der Friedlichen Revolution auch für Schwerin. | Symbolbild „Mauer Berlin“

Durch die Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Maßnahmen fanden in diesem Jahr deutschlandweitdeutlich weniger Veranstaltungen zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung der einstmals beiden deutschen Staaten statt. als es der Anlass eigentlich erfordert hätte. Die, die möglich wurden, waren oft mit deutlichen Gästebegrenzungen verbunden. Dabei war der 3. Oktober 1990 wohl das zentrale Ereignis des Prozesses einer friedlichen Revolution. Einer Zeit, in der sich Millionen Menschen aus der Diktatur der ehemaligen SED und ihres Staatssicherheits-Apparates befreit hatten. Die letzte Diktatur auf deutschem Boden fand damit ein friedliches Ende.

 

Fraktion „DIE LINKE“ möchte Gedenkort für friedliche Revolution

Im Gedenken an eben diesen Prozess des friedlichen Aufbegehrens fordert die Fraktion DIE LINKE in Schwerin einen neuen Gedenkort. „Im vergangenen Jahr jährten sich die Ereignisse aus dem Herbst 1989 zum dreißigsten Mal. Auch in Schwerin gingen seinerzeit tausende Bürgerinnen und Bürger auf die Straße. Sie forderten Grundrechte, wie Rede-, Reise- und Versammlungsfreiheit ein. Anfänglich standen Reformen in der DDR im Vordergrund. An runden Tischen diskutierten Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster politischer Ausrichtung über einen friedlichen Weg in eine bessere Zukunft des Landes. Die Dynamik der folgenden Monate mündete in den ersten freien und geheimen Wahlen zur Volkskammer und schließlich in der Deutschen Einheit“, so Stadtvertreter Henning Forster (DIE LINKE).

 

Landesmittel nutzen und neue Gedenkstelle schaffen

Auch in Mecklenburg-Vorpommern fand das Gedenken auf verschiedensten Wegen statt. Das Land gewährt dabei auch aktuell noch Zuwendungen, um entsprechende Gedenkorte an die Ereignisse der Monate ab Herbst 1989 zu realisieren. Diese sollen Ursachen und Ereignisse des Jahres 1989 stärker in das öffentliche Bewusstsein tragen und für spätere Generationen ansprechend veranschaulichen. „Vor diesem Hintergrund hat meine Fraktion beantragt, die Mittel zu nutzen, um dem Vorbild anderer Städte folgend auch in Schwerin ein solches Denkzeichen zu errichten. Nach unserer Auffassung sollte der Kulturausschuss der Stadt darüber befinden, wo ein solches Denkzeichen aufgestellt wird und wie es sich in bereits bestehende Erinnerungsorte sinnvoll einfügen kann“, so Foerster.

 

Verwaltung zurückhaltend – Grüne lehnen ab

Aus der Verwaltung kam eine aus der Perspektive der Fraktion fragwürdige, gar befremdliche Reaktion.“ Anstatt das Anliegen zu befördern, wird darüber philosophiert, ob die 1989 Euro Förderung auch tatsächlich reichen. Um das in Erfahrung zu bringen, reicht es einmal bei einem Steinmetzbetrieb der Stadt vorzusprechen […]. Oder alternativ als Oberbürgermeister bei einem der Stadtoberhäupter im Land anzurufen, die bereits von der Förderung Gebrauch gemacht haben“, so Foerster

Noch erstaunlicher ist für die Fraktion „DIE LINKE“ allerdings die Reaktion der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Diese nämlich möchte anstelle einer städtischen Gedenkstelle lediglich mehr Öffentlichkeitsarbeit und Bekanntheit für bestehende Orte der Erinnerung in Schwerin. Hierbei verweist man bei den Grünen auf den Runden Tisch am Großen Moor/Ecke Puschkinstraße. Und auf eine Gedenktafel vor dem Arsenal, die allerdings durch parkende Autos verdeckt ist. „Statt einen neuen Gedenkort einzurichten, sollten die vorhandenen Gedenkorte bekannter, sichtbarer und zugänglicher gemacht werden“, heißt es im Antrag der Grünen, die damit den Antrag der Links-Fraktion ersetzen wollen. Letztere sieht keinen Widerspruch, ist aber über die Ablehnung einer zusätzlichen Gedenkstelle verwundert. „Nichts spricht dagegen diese besser sichtbar zu machen. Und dennoch die zum 30. Jahrestag extra ins Leben gerufene Förderung in Anspruch zu nehmen.“

 

Kommentar

Wer hätte das vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten gedacht? Aus der Partei DIE LINKE, die über die Zwischenstufe PDS letztlich aus der damaligen SED hervorgegangen ist, kommt zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution die Forderung nach einer Gedenkstätte in Schwerin, die an diese Umbruchszeit erinnert. Und aus der Fraktion Bündnis90/Die Grünen kommt Ablehnung. Irgendwie wirkt es noch etwas wie verkehrte Welt auf mich.

Die Situation ist irgendwie verwunderlich für mich

Aber man muss der Partei DIE LINKE zugestehen, dass sie zwischenzeitlich auch öffentlich den Weg einer Entschuldigung gesucht hat. Unter Erinnerung um die „historische Bürde“ der Partei sagte deren Bundesvorsitzende am 6. März 2020 im Deutschen Bundestag: „Ich bitte heute im Namen der LINKEN alle,  die unter der Mauer gelitten haben, erneut um Entschuldigung“. Okay, vielleicht wäre eine breiter angelegte Entschuldigung auch an der Zeit. Denn letztlich litten viele Menschen unter dem gesamten System, nicht nur unter der Mauer. Aber auch hier ging Katja Kipping erste Schritte: „Ich bitte alle, die bespitzelt wurden, um Entschuldigung.“ Daher bleibt die Hoffnung, dass auch der umfängliche Schritt noch kommt. Und richtig, es mag Mitglieder bei der Linken geben, die das alles ganz anders sehen. Die sogar gar keine Probleme mit dem diktatorischen DDR-System hatten und bis heute haben. Solche Menschen aber findet man erstaunlicherweise quer durch alle Parteien. Mal in größerer Anzahl, mal in kleinerer.

Viel erstaunlicher für mich aber ist die Ablehnung eines Gedenkortes von Seiten einer Fraktion, die „Bündnis90“ in ihrem Namen trägt. Eines im Februar 1990 durch Zusammenschluss von Bürgerbewegungen und Oppositionsgruppen in der damaligen DDR entstandenen Bündnisses. Ja, es stimmt sicherlich, dass es den „Runden Tisch“ und eine Tafel am Arsenal gibt. Und sicherlich kann man auch mehr für deren Wahrnehmung tun. Aber schließt das einen zusätzlichen Gedenkort aus? Oder vielleicht ja auch eine Ergänzung eines der beiden bestehenden? Bitte, liebe Grünen-Fraktion, denkt doch noch einmal darüber nach. Das Zeichen, das der Ersetzungsantrag sendet, ist kein gutes.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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