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Schwerin: Geplantes Umlaufverfahren geplatzt

Nach­dem der Land­tag M‑V am ver­gan­genen Don­ner­stag das Geset­zes zur Aufrechter­hal­tung der Hand­lungs­fähigkeit der Kom­munen in der Coro­na-Pan­demie beschlossen hat, wollte man es in Schw­erin auch schnell zur Anwen­dung brin­gen.

  • Veröffentlicht Februar 4, 2021
Zumin­d­est im Demm­ler­saal des Rathaus­es wird die Stadtvertre­tung Schw­erin am 10. Feb­ru­ar nicht tagen. Dort bleiben die Stüh­le leer. | Foto: AG Gym­na­si­um Melle

Nach­dem der Land­tag M‑V am ver­gan­genen Don­ner­stag das Geset­zes zur Aufrechter­hal­tung der Hand­lungs­fähigkeit der Kom­munen in der Coro­na-Pan­demie beschlossen hat, wollte man es in Schw­erin auch schnell zur Anwen­dung brin­gen. Haupt­punkt dabei: Die Auss­chüsse und Orts­beiräte soll­ten die Möglichkeit bekom­men, in Videokon­feren­zen oder hybri­den Sitzun­gen zu tagen. Dies war bis ver­gan­genen Don­ner­stag – ein Jahr nach dem ersten Coro­n­afall in Deutsch­land – in Meck­len­burg-Vor­pom­mern rechtlich nicht möglich. Nun ist der Weg frei.

 

Umlaufverfahren geplant, um Kontakte nicht unnötig herbeizuführen

Aber bevor entsprechende Gremien­sitzun­gen – die in Schw­erin den­noch nur drin­gende The­men behan­deln sollen – nun in der neuen Form zumin­d­est vorüberge­hend rechtsverbindlich stat­tfind­en kön­nen, muss noch die Stadtvertre­tung diesem Weg zus­tim­men. Hier war vorge­se­hen, dies in Form eines Umlauf­beschlusses am 5. Feb­ru­ar umzuset­zen. Es wäre also in dieser Zeit, in der weit­er­hin strenge Kon­tak­tvorschriften und zahlre­iche weit­ere Maß­nah­men gel­ten, das Ziel gewe­sen, nicht zwin­gend alle Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter in Schw­erin in eine Präsen­zver­anstal­tung zu laden. Da aber hat­te man die Pläne u.a. ohne Karsten Jagau gemacht. Er ist derzeit Stadtvertreter für die ASK und hat­te bere­its im ver­gan­genen Jahr gemein­sam mit Ste­fan Mar­ti­ni (auch ASK) gegen ein Umlaufver­fahren der Stadtvertre­tung Schw­erin geklagt. Und auch dieses Mal stimmt er einem Umlauf­beschluss nicht zu. Da jet­zt aber nur bei Ein­stim­migkeit dieses Ver­fahren Anwen­dung find­en kann, kommt die Stadtvertre­tung nun am 10. Feb­ru­ar zu ein­er Präsen­zver­anstal­tung zusam­men. Mit­ten im harten Lock­down.

„Es ist bedauer­lich, dass diese Entschei­dung nicht im Umlaufver­fahren getrof­fen wer­den kann. Zumal sich in der Sach­frage eine deut­liche Mehrheit für den mehrfrak­tionellen Antrag zur Durch­führung von Videokon­feren­zen abze­ich­net. Da das Lan­des­ge­setz aber zu der Ver­fahrens­frage eine Ein­stim­migkeit voraus­set­zt, müssen wir das ablehnende Votum einzel­ner weniger Kol­le­gen akzep­tieren. Die Stadtvertre­tung wird deshalb zu diesem einen Tage­sor­d­nungspunkt als Präsen­zver­anstal­tung tagen“, erk­lärte Stadt­präsi­dent Sebas­t­ian Ehlers. 

 

Stadtvertreter Jagau hatte bereits 2020 gegen damaliges Verfahren geklagt

Stadtvertreter Karsten Jagau, Schw­erin

Aber welche Argu­mente brin­gen z. B. Karsten Jagau und die ASK eigentlich an? In ein­er Mel­dung auf ihrer  Home­page begrün­det die ASK ihre Ablehnung u.a. damit, dass Umlaufver­fahren grund­sät­zlich jede Öffentlichkeit auss­chließen wür­den. Zudem habe das Innen­min­is­teri­um entsprechende Abstim­mungen inzwis­chen wieder unter­sagt, nach­dem sie im Früh­jahr 2020 kurzzeit­ig erlaubt waren. Und dann sei da eben das noch offene Ver­fahren. „Nichts wäre […] schlim­mer, als wenn das Ver­wal­tungs­gericht den Klägern Karsten Jagau und Stephan Mar­ti­ni Recht gibt, und die Umlaufver­fahren für nichtig erk­lärt – und dadurch auch die dort getrof­fe­nen Entschei­dun­gen als ungültig erk­lärt wer­den müssten”, so die ASK auf ihrer Home­page. Kein Wort hinge­gen ver­liert man dort in Rich­tung der­jeni­gen Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter, die eventuell selb­st als Risiko­gruppe gel­ten, oder unmit­tel­bar mit entsprechend vom Coro­n­avirus beson­ders bedro­ht­en Men­schen leben. Sie müssen sich nun einem bis­lang ver­hin­der­baren Risiko der Präsen­zsitzung aus­set­zen.

 

Innenministerium bestätigt: Umlaufbeschlüsse sind möglich

Der­art selb­st­be­wusst, wie die ASK ihre Argu­mente kund­tut, kön­nte der Ein­druck entste­hen, diese seien sehr genau recher­chiert.  Eben das ist offen­bar nicht der Fall. Oder, es wird bewusst nicht die ganze Wahrheit gesagt. Denn es ist zwar richtig, dass es im Früh­jahr 2020 die Möglichkeit zu Umlauf­beschlüssen gab und diese dann nicht ver­längert wurde. Nun allerd­ings das Aber: Mit dem Ende ver­gan­gener Woche beschlosse­nen „Gesetz zur Aufrechter­hal­tung der Hand­lungs­fähigkeit der Kom­munen in der Coro­na-Pan­demie” ist eben dieses Umlaufver­fahren nun vorüberge­hend wieder möglich. 

Das Innen­min­is­teri­um M‑V geht darüber hin­aus in ein­er Pressemit­teilung vom 27. Jan­u­ar 2021 sog­ar sehr konkret auf eben den Beschluss ein, den die Stadtvertre­tung Schw­erin nun tre­f­fen soll: „Das ‚Gesetz zur Aufrechter­hal­tung der Hand­lungs­fähigkeit der Kom­munen während der SARS-CoV-2-Pan­demie‘ wird spätestens in der ersten Feb­ru­ar­woche in Kraft treten. Nach Inkraft­treten bedarf es eines Beschlusses, im Weit­eren dig­i­tal tagen zu wollen. Um diesen Beschluss her­beizuführen, muss keine Präsen­zsitzung ein­berufen wer­den, son­dern dies kann im Umlaufver­fahren beschlossen wer­den.” Aber es müssten alle Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter diesem Ver­fahren in dieser Aus­nahme­si­t­u­a­tion zus­tim­men. Dies tat und tut Karsten Jagau, aber wohl auch weit­ere Kol­le­gen, nicht. Damit kommt die Stadtvertre­tung Schw­erin nun zu ihrer näch­sten Sitzung am 10. Feb­ru­ar 2021 zusam­men, um allein über dieses eine The­ma abzus­tim­men. Mit­ten im harten Lock­down.

 

Ganz von der Hand zu weisen sind Jagaus Überlegungen allerdings nicht

In einem Punkt allerd­ings kann man den Gedanken­gang Jagaus dur­chaus nachvol­lziehen. Und hier beg­ibt sich die Stadtvertre­tung in einen selb­st kon­stru­ierten Wider­spruch. Denn der Beschlussvorschlag, der nun im Umlaufver­fahren zur Abstim­mung ste­hen sollte, enthält eine Regelung, die nach­den­klich macht. Dort heißt es näm­lich, dass Sitzun­gen des Haup­tauss­chuss­es und der Stadtvertre­tung grund­sät­zlich bis zu einem Inzi­den­zw­ert von 150 als Präsen­zver­anstal­tun­gen abge­hal­ten wer­den. Und dann soll der Haup­tauss­chuss entschei­den, wie es weit­erge­ht. Damit sind Präsen­zver­anstal­tun­gen sog­ar ober­halb dieses Wertes – ab dem in MV übri­gens die Regelun­gen für Hochrisiko­ge­bi­ete greifen – grund­sät­zlich möglich. Stand gestern beträgt dieser Wert in Schw­erin allerd­ings knapp 95. Man möchte also ein­er­seits beschließen, bis zu ein­er Inzi­denz von min­destens 150 in Präsen­zsitzun­gen zu tagen, bei einem Wert von 95 aber will man bere­its ein Umlaufver­fahren durch­führen.

Noch klar­er wird der Wider­spruch, wenn man sich den Grund anschaut, weshalb das Umlaufver­fahren stat­tfind­en soll. Mit diesem, so Patrick Nemitz, Leit­er des Büros der Stadtvertre­tung Schw­erin auf Nach­frage, möchte man „natür­lich […] die Gesund­heit aller poten­tiellen Teil­nehmer und Mit­glieder schützen”. Bei ein­er Inzi­denz von 95 gilt es also, die Mit­glieder der Stadtvertre­tung und weit­ere Teil­nehmer ein­er eventuellen Präsen­zsitzung durch ein Umlaufver­fahren zu schützen. Beschließen aber möchte man dabei allerd­ings Präsen­zsitzun­gen bis zu einem Wert von min­destens 150.

 

Geht es wirklich um den Schutz der Gesundheit?

Gert Rudolf, Vor­sitzen­der CDU/FDP-Frak­tion, Schw­erin | Foto: Foto­stu­dio Syl­vana Warsakis

Geht es also wirk­lich um Gesund­heitss­chutz der ehre­namtlich täti­gen Stadtvertreterin­nen und Stadtvertreter? Schon der 150er Wert im Beschlussvorschlag lässt daran Zweifel zu. Blickt man auf erste kri­tis­che Stim­men an Jagaus Entschei­dung aus den Rei­hen der Stadtvertre­tung, wer­den diese Zweifel nicht unbe­d­ingt geringer. So heißt es in ein­er öffentlichen Reak­tion des Vor­sitzen­den der CDU/FDP-Frak­tion, Gert Rudolf: „Diese Ein­beru­fung erzeugt […] unnöti­gen Aufwand und ver­schleppt das Ver­fahren. Die Mit­glieder unser­er Frak­tion hät­ten auf diesen zusät­zlichen Ter­min in der Ferien­zeit verzicht­en kön­nen“. 

Zumin­d­est ihm und der durch ihn vertrete­nen Frak­tion geht es in Sachen Umlaufver­fahren offen­bar gar nicht um Fra­gen des gegen­seit­i­gen Gesund­heitss­chutzes. Der Kom­men­tar des CDU/FDP-Frak­tionsvor­sitzen­den zielt vielmehr darauf ab, nicht eigentlich freie Zeit während der Ferien für eine Präsen­zsitzung der Stadtvertre­tung opfern zu müssen. Ob das let­ztlich als Argu­ment her­hal­ten sollte, darf man bezweifeln. Denn wie viele Men­schen mussten und müssen coro­n­abe­d­ingt derzeit auf so manch­es verzicht­en?! Da soll­ten zwei Stun­den Ehre­namt – inklu­sive An- und Abfahrt – nicht so drama­tisch sein.

 

  • Henning Kobs

    Jour­nal­ist. Wohnt in Braun­schweig. Schreibt seit der Grün­dung im Jahr 2013 als freier Mitar­beit­er gele­gentlich für unsere dig­i­tale Tageszeitung. Er arbeit­et vor allem im Back-Office der Redak­tion.

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