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Schwerin: Glawes Masken-Vorstoß zunehmend in Kritik

Die Diskussionen um Öffnungen nach dem Lockdown gehen weiter. Auch in Schwerin. | Foto: Symbolbild Gestern berichteten wir vom Wochenend-Vorstoß des Wirtschaftsministers aus Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe (CDU), in Sachen Maskenpflicht.

  • Veröffentlicht Juli 7, 2020
    Die Diskussionen um Öffnungen nach dem Lockdown gehen weiter. Auch in Schwerin. | Foto: Symbolbild

Gestern berichteten wir vom Wochenend-Vorstoß des Wirtschaftsministers aus Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe (CDU), in Sachen Maskenpflicht. Dabei kündigte der CDU-Politiker ein mögliches Ende der Pflicht von Mund-Nase-Schutz für den Einzelhandel in MV an. Schon für Anfang August prognostizierte Glawe einen entsprechenden Kabinettsbeschluss, sollte das Infektionsgeschehen im Land weiter so gering bleiben. Und noch sieht es dabei nach keiner Änderung aus. Denn erneut kamen gestern keine weiteren Corona-Neuinfektionen in MV hinzu. Damit gibt es aktuell 29 aktive bestätigte Fälle im Land.

Ministerpräsidentin Schwesig reagiert spürbar zurückhaltend

Zwar hatte auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nach der Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag in Schwerin Erleichterungen im Einzelhandel nicht ausgeschlossen. Sie aber kündigte eine Expertenrunde unter Leitung des Wirtschaftsministers an, die mögliche Szenarien diskutieren solle. Noch ehe diese Arbeitsgruppe aber zusammentrat, verkündete Glawe praktisch schon das Ergebnis. Ein Ende der Pflicht von Mund-Nase-Schutz im Einzelhandel des nordöstlichen Bundeslandes im August. Ob und inwieweit dieses Vorpreschen mit Ministerpräsidentin Schwesig abgesprochen war, darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist, dass die Regierungschefin gestern eher zurückhaltend reagierte. Die Maskenpflicht sei vorerst bis Anfang August verlängert. Schwesig unterstrich dabei nochmals, dass dies so beschlossen sei, da diese Pflicht einen wichtigen Schutz biete. Zudem wies sie erneut darauf hin, Glawes Auftrag sei, gemeinsam mit Sozialpartnern, Branchenvertretern, Medizinern und Kommunen Vorschläge zu erarbeiten, über die dann danach entschieden werden könnte. Das klingt nicht unbedingt nach einer Absprache zwischen beiden.

Koalitionspartner SPD und CDU-Landrat gehen auf Distanz zu Glawes Vorstoß

Auch gegen eine abgesprochene Regierungs- und Koalitionslinie spricht sicherlich, dass der Koalitionspartner ebenso wenig begeistert von Glawes Vorstoß zu sein scheint. Zumindest ging man in der Sozialdemokratie deutlich auf Distanz. Unter Verweis auf die aktuelle Hochsaison im Tourismus mit mehreren hunderttausend Besuchern im Land hält man eine Abschaffung der Maskenpflicht aktuell für nicht diskutabel. Ähnlich sieht es auch Glawes Parteifreund Heiko Kärger (CDU). Der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte und Vorsitzende des Landkreistages MV sieht ebenfalls die touristische Hochsaison als falschen Augenblick für entsprechende Maßnahmen.

Schon einmal hatte der Minister ohne Absprache Öffnungszenarien angekündigt

 

Es wäre aber auch nicht das erste Mal in der Corona-Zeit, dass der CDU-Wirtschaftsminister ohne Rücksprache und Rückendeckung mit Lockerungsankündigungen nebst Datum in die Öffentlichkeit prescht. Bereits Ende April hatte er unmittelbar nach einer Telefonkonferenz des Kabinetts in Schwerin Öffnungsszenarien für die Gastronomie und Hotellerie angekündigt, die so mit niemandem abgesprochen waren. Ministerpräsidentin Schwesig reagierte damals durchaus erbost. Selbst Partei- und Kabinettskollege Caffier distanzierte sich eher. Nun also erneut ein scheinbarer Alleingang des Wirtschaftsministers in Sachen Maskenpflicht. Und wieder weht ihm dabei ein zunehmender Wind ins Gesicht.

Handel begrüßt Vorstoß – Reisinger will Beibehaltung der Maskenpflicht

Denn inzwischen scheint er lediglich noch aus der Branche selbst Rückendeckung für seine Idee zu bekommen. Und aus den Reihen der AfD.  So begrüßte der Handelsverband Nord Glawes Ankündigung speziell mit dem Hinweis auf eine weiterhin extrem angespannte Lage im Handel. Diese führt man auch auf die Maskenpflicht zurück. Daher wünscht man sich hier eine freiwillige Lösung in dieser Frage. Vom medizinischen Berater der Landesregierung in dieser Krise, Emil Reisinger, hingegen kann der Minister keine Unterstützung erwarten. Dieser sprach sich vielmehr für eine Beibehaltung der bestehenden Regeln aus.  Er sieht weiterhin in der Abstandsregel und der Maskenpflicht die besten Möglichkeiten, die Corona-Pandemie nachhaltig einzudämmen. Reisinger verwies dabei auch auf Entwicklungen in Oberösterreich. Dort mussten nach Abschaffung der Maskenpflicht inzwischen wieder strengere Regelungen eingeführt werden. Eine starke Zunahme an Neuinfektionen ist dort der Hintergrund.

Auch anfängliche Rückendeckung bröckelt – Starker Gegenwind auch aus Teilen der Union

Und während noch am Wochenende unter anderem vom Wirtschaftsminister Niedersachsens, Bernd Althusmann (CDU), Rückendeckung für den Kollegen in Schwerin kam, klingt es nun auch in Hannover anders. Hatte er am Wochenende noch eine Wandlung der Pflicht in eine Empfehlung unterstützt, hält auch er nun eine Abschaffung der Maskenpflicht  für deutlich zu früh. Hintergrund ist zweifelsfrei auch deutlicher Widerspruch auch führender Politiker aus den Reihen der Union. Darunter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Regierungssprecher in Schwerin bestätigt am Abend Maskenpflichtverlängerung

Am gestrigen Montagabend informierte Andreas Timm, Regierungssprecher in MV, es bestehe Einigkeit darüber, dass die Maskenpflicht heute wie geplant bis August verlängert wird. Damit scheint Glawes Alleingang schon am ersten Tag nach dem Wochenende beendet zu sein. Denn wie verschiedene Medien berichten, gäbe es laut Andreas Timm auch Einigkeit, dass eine generelle Abschaffung der Maskenpflicht im Einzelhandel auch noch nicht zum 4. August in Aussicht gestellt werden kann. Aber schon häufig kam es auch bei Ankündigungen der Ministerpräsidentin schon kurze Zeit später zu plötzlichen Kehrtwenden. Bleibt nur die Erkenntnis, dass es abzuwarten gilt. Und dass Glawes Alleingang zu bundes weitem Gegenwind auch aus der eigenen Partei führte.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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