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Schwerin: Hoteliers bekommen keine Antwort

Sie beschäftigen rund 300 Angestellte in Schwerin, stellen mit 1.400 Betten den größten Teil der Kapazität der Landeshauptstadt, bieten insgesamt 1.150 Tagungsgästen und 1.330 Menschen in ihren Gastronomien Platz. 2019

  • Veröffentlicht April 14, 2020
Leere Hotelzimmer aufgrund der Corona-Krise. Hoteliers in Schwerin stehen am Rand ihrer Existenz. | Foto: Symbolbild

Sie beschäftigen rund 300 Angestellte in Schwerin, stellen mit 1.400 Betten den größten Teil der Kapazität der Landeshauptstadt, bieten insgesamt 1.150 Tagungsgästen und 1.330 Menschen in ihren Gastronomien Platz. 2019 kamen sie gemeinsam auf ein Umsatzvolumen von etwa 19 Millionen Euro. Die Rede ist von 26 Hotels, Gasthöfen und Pensionen, die sich mit einem Schreiben am 30. März an Oberbürgermeister Dr. Badenschier und die Fraktionen wandten. Bislang ohne Reaktion.

Keine Reaktion auf Hilferuf der Hoteliers

Darauf weist Raimund Brandner, Betreiber des Bio-Hotel Amadeus in Schwerin, in einem öffentlichen Facebook-Post, adressiert an Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier, nun hin. Elf Tage nach Versand des Schreibens, über das auch die SVZ schon einmal berichtete, gäbe es bislang keinerlei Reaktionen. Und ein Blick in das Schreiben, zeigt, dass die 26 Unterzeichner alles andere als nur Forderungen aufmachen. Vielmehr danken sie für die bisherige Unterstützung und Arbeit der Landesregierung, „die in den letzten Tagen, Wochen und ganz aktuell so viel geleistet und bewegt hat“. Dies allein aber reiche inzwischen nicht mehr aus. Denn mit jedem Tag wachsen die Sorgen und Belastungen der überwiegend inhabergeführten kleinen Betriebe. Was konkret die derzeitige Situation ausmacht und so existenzgefährdend macht, fassen die Unterzeichner in dem Schreiben zusammen.

Die ungeschönte Situation gibt zu Denken

  1. Da oftmals noch eine Art „Notbesetzung“ vor Ort ist und Azubis weiter zu bezahlen sind, bleiben laufende Personalkosten bestehen.
  2. Jedes Zimmer das jetzt leer steht, lässt sich nicht bis Jahresende noch doppelt vermieten. Dieser Verlust bleibt stehen.
  3. Absagen von Veranstaltungen sorgen für Stornierung bis ins 4. Quartal des Jahres. Besonders hart ist dabei die Absage des zentralen Teils der Schlossfestspiele. 
  4. Die „unbegrenzte Kreditdeckung durch die KfW“ hilft den Unternehmen kaum bis gar nicht. Einerseits kämen alle gerade aus den wirtschaftlich sehr schwierigen Monaten der Nebensaison und sind durch deren hohe Kosten bereits „vorbelastet“. Andererseits reagieren „die örtlichen Banken ablehnend […], weil sie uns eine ’schlechte Prognose‘ zusagen.
  5. Es fehlt den unterzeichnenden Unternehmen jede Planungssicherheit. Auch die Wiederaufnahme des Betriebes wird zusätzliches Geld kosten. 
  6. Nur durch erhöhte Budgets für Werbung sowie entsprechende Rabatte wird es gelingen, noch Übernachtungsgäste für 2020 nach Schwerin zu holen. Aber auch dies bedeutet letztendlich zusätzliche Kosten.

 

Auch die Restaurants der Hotels in Schwerin sowie alle weiteren Gastronomien sind geschlossen aufgrund der Corona-Krise. | Foto: Symbolbild

Nach der schwierigen Nebensaison fehlt ohnehin Kapital

Keine Frage, diese Punkte klingen ebenso alarmierend wie sie an den berühmten Teufelskreis erinnern. Nur durch zusätzliches Geld und Verzicht auf Einnahmen können die Betriebe offenbar überhaupt Gäste (neu) akquirieren und ihre Unternehmen aufrecht erhalten. Genau dieses Geld aber fehlt den meisten. Nicht zuletzt auch deshalb, da gerade die „Saure-Gurken-Zeit“ der Nebensaison zu Ende ging. Frisches Kapital aber ist praktisch nicht zu bekommen. Auch die regionalen Institute, die sich sonst so gern als die große zuverlässige Stütze der einheimischen Wirtschaft sehen, verweigern nun die Vergabe der von der bundeseigenen KfW bereitgestellten Kredite. Kein Einzelphänomen in Schwerin. Bundesweit ist dies zu beobachten. Aber das hilft hier vor Ort natürlich niemandem.

Die Hoteliers bitten um Unterstützung

Vor eben diesem Hintergrund – der Bedeutung der Betriebe für die Stadt und die Region und der dramatischen Lage, in der sie sich befinden, zeigen die Unterzeichner auf, was sie derzeit von der Stadt und den Fraktionen erbitten. 

  1. Einen Nothilfefonds, der Liquiditätsengpässe ausgleichen hilft. Vorgeschlagen ist dabei eine Aufteilung nach Betten und Sitzplätzen.
  2. Die Aussetzung der Bettensteuer für 2020 sowie eine Abschaffung für 2021.
  3. Eine schnelle Bearbeitung und Erstattung aller Kurzarbeitergelder „bis Mitte April bzw. Mitte der Folgemonate, um unsere Liquidität zu gewährleisten und uns nicht durch volle Lohnbelastung in die Insolvenz zu zwingen.“
  4. „Eine hundertprozentige Deckung der Kredite durch die KfW mit variablen Laufzeiten, da unsere Hausbanken auch nicht das Risiko für verbleibende 10% übernehmen und die Zugangsvoraussetzungen unverändert sind.“

Es ist nicht mehr fünf vor sondern längst nach zwölf für die Hotel- und Gastronomiebranche in Schwerin. Aber die Unternehmer ernten erst einmal Schweigen. 

 

Kommentar

Keine Frage, die Maßnahmen mit dem Ziel einer Verlangsamung der Corona-Pandemie sind richtig und wichtig. Und zweifelsfrei treffen sie unglaublich viele Unternehmen in nahezu allen Branchen der Region. Aber das Schreiben der 26 Unterzeichner zeigt, wie dramatisch die Lage im Hotel- und Gaststättengewerbe direkt nach der umsatzarmen Nebensaison ist. Da ist es doch besonders wichtig, den Unternehmern das Gefühl zu geben, dass man sich mit ihren Sorgen und Ängsten auseinandersetzt und alles tut, um zumindest Linderung zu schaffen. 

Gemeinsam schweigen kann nicht  die Lösung sein

Nun scheint es, und der eine oder andere bestätigt es auch hinter vorgehaltener Hand, dass Stadtfraktionen und Verwaltung in Schwerin eine Art „Friedenszeit“ vereinbart haben. Man möchte sich gerade in dieser Krisenzeit nicht politisch „gegenseitig treiben“, sondern klaren Zusammenhalt zeigen. Die Menschen sollen in diesen Wochen der Unsicherheit und Ungewissheit nicht durch irgendwelche Ränkespiele irritiert werden. Das ist auch ein absolut richtiger Ansatz. Denn was wir alle jetzt am wenigsten brauchen, ist Gezänk zwischen den Parteien an sich bzw. eventuell auch noch mit der Verwaltung. Allerdings scheint der Rückschluss daraus derzeit ein kollektives Schweigen zu sein. Genau das aber brauchen die Menschen und vor allem die Unternehmen in Schwerin derzeit mindestens genau so wenig wie Streit. Wie wäre es denn, wenn Fraktionen und Verwaltung gemeinsam Antworten anbieten? Wenn man transparent macht, welche Ideen man in Mails und Telefonkonferenzen diskutiert. Denn da gibt es ganz bestimmt viele gute Ideen. Und eventuell sollte man auch kommunizieren, woran sie letztlich scheitern? Denn, auch das ist zu hören, es gab und gibt Ideen, aber eben durchaus auch Instanzen, die eine Realisierung in Zeiten weiter angespannter Haushaltslage bremsen. 

Die Unternehmen brauchen jetzt Antworten

Was aber nicht sein darf ist, dass sich Unternehmen, auf die wir ansonsten alle bauen, mit einem derart dramatischen Hilferuf an Verwaltung und Politik wenden – und man schweigt gemeinsam. Das ist falsch verstandenes Zusammenhalten. Die Unternehmen verlangen Reaktionen, Antworten und Ideen – öffentlich. Gegebenenfalls auch die Benennung der Gründe, die aktuell hinderlich sind. Und das zu Recht. Und das jetzt!

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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