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Schwerin: Im Auftrag der Stadt wurde Klimawald-Gebiet abgemäht

Es war der 27. Januar 2020 als eine denkbar knappe Mehrheit der Stadtvertretung Schwerin den Klimanotstand ausrief. Seither ist u.a. klar, dass verschiedenste Vorlagen und Anträge zukünftig nicht allein auf

  • Veröffentlicht Juni 21, 2021
Im März 21 pflanzten Aktivisten die 200 kleinen Buchen als Klimawald in Schwerin. | Foto: privat

Es war der 27. Januar 2020 als eine denkbar knappe Mehrheit der Stadtvertretung Schwerin den Klimanotstand ausrief. Seither ist u.a. klar, dass verschiedenste Vorlagen und Anträge zukünftig nicht allein auf Finanzierbarkeit, sondern auch auf Klima-Auswirkungen zu überprüfen sind. Ferner erarbeitet die Landeshauptstadt ein eigenes Klimaschutzkonzept. Und über allen schwebt ein ebenfalls beschlossener Zieltermin für eine angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2035. 

 

Schon wiederholt Pflanzaktionen für Klimawälder in Schwerin

Wiederholt hatte es, als ein wichtiges Zeichen für mehr Klimaschutz, in den vergangenen Monaten und Jahren zudem bereits verschiedene Baumpflanzaktionen gegeben. Der entstehende Klimawald – bzw. die jeweiligen Klimawälder – sollen langfristig einen eigenen zusätzlichen Anteil zur Verbesserung des Klimas auch in und um Schwerin leisten. Eine dieser Aktionen fand dabei im März dieses Jahres in Neumühle Statt. Das Schweriner Friedensbündnis und die Ortsgruppe der Sammelbewegung „Aufstehen“ hatten nahe der Straße Wolfsschlucht am Neumühler See dabei 200 junge Buchen gepflanzt. Die Zuweisung der Fläche war auf vorherige Anfrage bereits am 11. November 2020 von Seiten des kommunalen Eigenbetriebs Stadtwirtschaftliche Dienstleistungen Schwerin (SDS) erfolgt. Gut vier Monate später konnten die Initiatoren im Unterholz eines Buchenbestandes die 200 Pflanzen mit Genehmigung des zuständigen Revierförsters vorsichtig ausgraben. Damit war alles bereitet: Die Fläche war detailliert geklärt, und die Pflanzen standen bereit. 

 

Zuletzt Pflanzung im März am Neumühler See

Trotz strömenden Regens kamen am geplanten Pflanztag, dem 13. März 2021, zehn Aktivisten zusammen, um die 200 Baum-Pflänzchen in die Erde zu bringen. Die Grundlage für diesen Klimawald war gelegt. Schon kurze Zeit später allerdings drohte die Natur selbst dem „Wäldchen“ ein Ende zu bereiten. Aufgrund großer Trockenheit drohten die Pflanzen zu sterben. Es folgte also am7. Juni unter Einsatz geeigneter, privater Pumptechnik eine kraftraubende Gießaktion. Die Bäume schienen gerettet. Nun hätten sie also Loswachsen können. 

 

Bepflanzte Fläche im Auftrag von Stadt und SDS abgemäht

Das zumindest war die Hoffnung derer, die das Klimawäldchen initiiert und gepflanzt hatten. Dann aber kam urplötzlich alles anders. Am 9. Juni – also nur wenige Stunden nach der Gießaktion, mähte die Agrargenossenschaft Lübstorf die gesamte Fläche ab. Das allein war schon dramatisch genug. Spannend aber war die Frage, wer den Auftrag gegeben hatte. Erinnern wir uns kurz zurück: Die konkrete Fläche war den Aktivisten durch die städtische SDS benannt und offiziell zur Verfügung gestellt worden. Wie nun aus einem offenen Brief des Klimabündnisses Schwerin, unterzeichnet von Ulrich Leonhardt, hervorgeht, lösten keine geringeren als die Landeshauptstadt selbst und ihre SDS den Mähauftrag, der die Zerstörung des Klimawaldes zur Folge hatte, aus. Was blieb, war eine tote Fläche.

 

Verwaltungsmitarbeiterin lässt trotz konkreter Nachfrage weitermähen

Wie ebenfalls dem offenen Brief an Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier, Stadtpräsident Sebastian Ehlers, die Fraktionen der Stadtvertretung Schwerin sowie SDS-Werkleiterin Wilczek zu entnehmen ist, soll ein Anwohner die Fahrer des Mähers sogar noch auf die gepflanzten Bäumchen aufmerksam gemacht haben. Zu einem Zeitpunkt, als offenbar ein Großteil noch zu retten gewesen wäre. „Nach Rücksprache mit dem Fachdienst Umwelt der Stadt Schwerin, Frau Jansen, setzte dieser mit Zustimmung des Fachdienstes die Aktion weiter fort“. Es gab also nicht nur den Auftrag der Stadt, sondern auch, trotz Nachfrage nebst Information, dass hier der Klimawald geplanzt war, eine nochmalige Abmäh-Bestätigung seitens der Stadt. 

 

Ob die Pflanzen hier wirklich nur soweit abgemäht sind, dass sie nochmals austreiben, bleibt offen… | Foto: privat

Stadt bekennt Kommunikationsproblem – aber wäre Aktion nicht dennoch zu stoppen gewesen?

Wir fragten bei der Stadt nach, und erhielten folgende Stellungnahme: „Aufgrund eines erheblichen Kommunikationsproblems waren leider nicht alle Beteiligten über diese Anpflanzung informiert. Diesen mangelhaften Informationsaustausch innerhalb der Verwaltung bedauern die betroffenen Fachdienststellen außerordentlich. Die Jungbaumpflanzen wurden in geringer Höhe abgemäht. Es besteht die Hoffnung, dass die Bäume wieder austreiben“. Ein durchaus klares Bekenntnis des hauseigenen Fehlers. Wenngleich der nochmalige Hinweis erlaubt sein muss, dass die die Mähaktion bestätigende Mitarbeiterin im Telefonat von dem Umstand des dort gepflanzten Klimawaldes erfahren hatte. Es muss die Frage erlaubt sein, wie sie dennoch eigenmächtig eine Fortsetzung der Aktion anordnen konnte. Selbst wenn – sei es aus Homeoffice- oder anderen Gründen – keine vorgesetzte Stelle, die sie hätte anfragen können, erreichbar gewesen sein sollte, wäre wohl vor dem Informationshintergrund eine Einstellung der Arbeiten bis zu einer Klärung die einzig sinnvolle Entscheidung gewesen. Egal, ob es schon davor verwaltungsinterne Versäumnisse gab. 

 

Stadt sagt Neupflanzungen und Vertragsanpassung zu

Das Klimabündnis Schwerin fordert nun im angesprochenen offenen Brief eine Wiederherstellung des angepflanzten Bestandes. Dann sei man auch bereit, wieder die Pflege zu übernehmen. Hier scheint die Verwaltung – obwohl man ja hofft, das man „nur“ soviel abgemäht hat, dass die Pflanzen doch noch überleben – zu einer entsprechenden Aktion bereit zu sein. „In Abstimmung mit dem Klimabündnis soll […] eine qualifizierte Ersatzpflanzung mit ausreichend Verbissschutz und Infotafeln im Herbst dieses Jahres vereinbart und der Pachtvertrag für diese betroffene Fläche entsprechend geändert werden“. 

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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