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Schwerin: Im Interview – Betriebsratsvorsitzender Majorel Schwerin Olaf Schlicht

  Die Majorel Call- und Ser­vice­cen­ter in Meck­len­burg-Vor­pom­mern ste­hen vor der Schließung. Betrof­fen sind Schw­erin, Stral­sund und Neubran­den­burg. Wenige Wochen vor Wei­h­nacht­en über­raschte der Konz­ern Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er sowie auch

  • Veröffentlicht Januar 19, 2021
Olaf Schlicht, Betrieb­sratsvor­sitzen­der Majorel Ser­vice­cen­ter Schw­erin. | Foto: schw­erin ‑lokal / Peter Scher­rer
 
Die Majorel Call- und Ser­vice­cen­ter in Meck­len­burg-Vor­pom­mern ste­hen vor der Schließung. Betrof­fen sind Schw­erin, Stral­sund und Neubran­den­burg. Wenige Wochen vor Wei­h­nacht­en über­raschte der Konz­ern Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er sowie auch die Poli­tik der jew­eili­gen Kom­munen und des Lan­des mit dieser Nachricht. Allein in der Lan­deshaupt­stadt Schw­erin sind etwa 200 Men­schen unmit­tel­bar betrof­fen. Peter Scher­rer, freier Redak­teur unser­er Redak­tion, sprach mit Olaf Schlicht, Betrieb­sratsvor­sitzen­der des Majorel Stan­dortes Schw­erin.
 
Schw­erin-Lokal: Herr Schlicht, am 3.11. let­zten Jahres wurde den Betrieb­sräten der Majorel Stan­dorte Schw­erin, Stral­sund und Neubran­den­burg über­raschend die Schließung für ihre jew­eili­gen Call– und Ser­vice­cen­ter zum 31.12.21 mit­geteilt. Wie haben Sie reagiert?
 
Olaf Schlicht: Ja, wir wur­den von diesem Beschluss der Geschäft­sleitung über­rascht, haben sofort umfan­gre­ich Kon­tak­te in alle Rich­tun­gen aufgenom­men. Gespräche mit der Lan­despoli­tik und mit dem Wirtschaftsmin­is­teri­um gab es schon im Novem­ber und Dezem­ber. Vom Wirtschaftsmin­is­teri­um wurde uns sig­nal­isiert, dass es Möglichkeit­en der Unter­stützung gäbe. Wir hat­ten zwei Ter­mine im Wirtschaftsmin­is­teri­um unter per­sön­lich­er Beteili­gung des Min­is­ters. In diesen Gesprächen wurde uns Unter­stützung auf unter­schiedlich­er Weise ange­boten. Voraus­set­zung dafür sei aber der Erhalt der Arbeit­splätze. Da neben den Stan­dorten im Meck­len­burg-Vor­pom­mern auch der Stan­dort Chem­nitz in Sach­sen betrof­fen ist, trat­en wir auch an die säch­sis­che Lan­desregierung her­an. Auch auf der Ebene der Bun­de­spoli­tik ver­suchen wir Unter­stützung für den Erhalt der Arbeit­splätze zu erhal­ten. Wir sind auch in Gesprächen mit dem DGB und ver.di und suchen gemein­sam nach Möglichkeit­en, die Geschäft­sleitung von der Weit­er­führung der Betriebe zu überzeu­gen.
 

„Geschäftsführung will von Schließungsbeschluss nicht abrücken”

 

Schw­erin-Lokal: Wie hat die Geschäft­sleitung bish­er reagiert?
 
Olaf Schlicht: Die Geschäft­sleitung hat immer betont, dass sie von dem Schließungs­beschluss nicht abrück­en will. Im Dezem­ber hat­ten wir den ersten Auf­takt der Gespräche über den Inter­esse­naus­gle­ich und Sozialplan. Für Ende Jan­u­ar und Anfang Feb­ru­ar sind weit­ere Gespräche hier geplant. 
 
Schw­erin-Lokal: Die Betrieb­sräte fordern in ein­er gemein­samen Peti­tion den Erhalt der Cen­ter. Wie weit sind sie mit der Peti­tion?
 
Olaf Schlicht: Bed­ingt durch die aktuelle Coro­na Sit­u­a­tion wer­den wir den Ter­min für das Ende der Unter­schriften­samm­lung sich­er ver­längern und weit­er für Unter­stützung wer­ben. Wir hof­fen, dass es die Coro­na Sit­u­a­tion möglich macht, die Peti­tion dann auch bei den anste­hen­den Ter­mi­nen der Geschäft­sleitung per­sön­lich übergeben zu kön­nen.
 

„Wenn man es will, kann Standort Schwerin wirtschaftlich betrieben werden.”

 

Schw­erin-Lokal: Die Konz­ern­leitung gibt wirtschaftliche Gründe für die Schließung an. Gibt es Konzepte der Betrieb­sräte, die das wirtschaftliche Über­leben der Stan­dorte sich­ern kön­nte?
 
Olaf Schlicht: Aus Sicht des Betrieb­srates kann der Stan­dort Schw­erin wirtschaftlich betrieben wer­den. Dafür haben wir auch Konzepte erar­beit­et. Auch wenn ein großer Auf­tragge­ber zum 31.12.2021 wegfällt, gibt es aus­re­ichend Geschäfte, um den Stan­dorte Schw­erin wirtschaftlich weit­er zu betreiben. Das Ser­vice-Cen­ter in Schw­erin ist gut mit Aufträ­gen aus­ge­lastet. Wir haben nicht weniger Arbeit durch die Coro­na-Krise, wir haben eher mehr Arbeit. Ca. 70% unser­er Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er sind aktuell im Home Office. Wir haben investiert und „coro­n­agerechte“ Arbeits­be­din­gun­gen geschaf­fen. Acryl­trennscheiben wur­den aufge­baut, Arbeit­splätze wur­den neu verteilt, Aufenthalts‑, Pausen­räume umge­baut. Also, wenn man es will, dann kann man den Stan­dort Schw­erin defin­i­tiv wirtschaftlich betreiben.
 
Schw­erin-Lokal: Majorel bietet häu­fig auch soge­nan­nten Quere­in­steigern, gesund­heitlich eingeschränk­ten Beschäftigten und Behin­derten einen Arbeit­splatz.
 
Olaf Schlicht: Ja, diese Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er wer­den es schw­er haben, auf dem Arbeits­markt aktuell eine neue Beschäf­ti­gung zu find­en. Bei Majorel arbeit­en viele Beschäftigte, die oft­mals aus gesund­heits­be­din­gen oder famil­iären Grün­den nicht mehr in ihren erlern­ten Berufen tätig sein kön­nen. Alles was man für die Tätigkeit im Ser­vice Cen­ter an Wis­sen benötigt, erlernt man vor Ort. Ger­ade für die von Ihnen ange­sproch­enen Beschäftigten war und ist die Arbeit bei Majorel beson­ders exis­ten­zsich­ernd.
 
Vie­len Dank für das Inter­view.
  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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