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Schwerin: Mahnwache für die Opfer von Hanau

Wer am gestri­gen Don­ner­stag­mor­gen Radio oder Fernse­hen ein­schal­tete, war bere­its mit der Nachricht kon­fron­tiert, dass ein Einzeltäter in Hanau zehn Men­schen und sich selb­st erschossen hat­te. Im Laufe des Tages

  • Veröffentlicht Februar 21, 2020
Das Bünd­nis „Schw­erin für Alle” hat­te am gestri­gen Don­ner­stag zu ein­er Mah­nwache für die Opfer von Hanau aufgerufen. | Foto: schwerin-lokal.de

Wer am gestri­gen Don­ner­stag­mor­gen Radio oder Fernse­hen ein­schal­tete, war bere­its mit der Nachricht kon­fron­tiert, dass ein Einzeltäter in Hanau zehn Men­schen und sich selb­st erschossen hat­te. Im Laufe des Tages wurde dann deut­lich, dass es sich wohl um eine ras­sis­tisch motivierte Gewalt­tat han­delte. Neun der Ermorde­ten hat­ten offen­bar Migra­tionsh­in­ter­grund. Das zehnte Opfer ist die Mut­ter des Täters. Am Nach­mit­tag erk­lärte Gen­er­al­bun­de­san­walt Peter Frank zufolge, der Todess­chütze habe eine „zutief­st ras­sis­tis­che Gesin­nung“ gehabt. Diese Erken­nt­nisse basierten auf der Auswer­tung von Videobotschaften und ein­er Art Man­i­fest auf der Inter­net­seite des Täters. Der Täter sei zudem psy­chisch schw­er gestört gewe­sen und lebte in ein­er eige­nen Welt.

Nach Polizeiangaben kamen etwa 70 Teil­nehmer zu der Mah­nwache in Schw­erin. | Foto: schwerin-lokal.de

Deutschlandweit Aufrufe zu Mahnwachen und Gedenkminuten – auch in Schwerin

Deutsch­landweit riefen ver­schiedene Organ­i­sa­tio­nen daraufhin zu Kundge­bun­gen und vor allem Mah­nwachen auf. Still, teil­weise ver­bun­den mit Reden, woll­ten die Men­schen im gesamten Land der Opfer dieser offen­bar mit einem frem­den­feindlichen Hin­ter­grund ver­bun­de­nen Blut­tat gedenken. Auch in Schw­erin hat­te im Tagesver­lauf ein unter anderem durch Andreas Katz ver­bre­it­eter Aufruf des Bünd­niss­es „Schw­erin für Alle” zu ein­er Mah­nwache auf dem Mark­t­platz ein­ge­laden.

Etwa 70 Men­schen, darunter auch einige Stadtvertreter, kamen, um gemein­sam mit Kerzen der Opfer zu gedenken. Den meis­ten war das Entset­zen über die Tat und der Wun­sch nach einem Moment des gemein­samen Gedenkens anzuse­hen. In ein­er freien Rede rief Stadtvertreter Dr. Daniel Treps­dorf (DIE LINKE) zu mehr Zivil­courage auf. Speziell dann, wenn Men­schen durch andere abgew­ertet wer­den, soll­ten wir im All­t­ag viel häu­figer „Nein” sagen. Beim Grillfest, im Büro, bei der Fam­i­lien­feier. An jedem Ort und in jed­er Sit­u­a­tion sei die Zivil­courage mehr denn je gefragt. Treps­dorf wies dabei auch auf die schwierige Rolle der sozialen Net­zw­erke hin, in denen täglich immer mehr Hass und Het­ze gepostet wür­den.

Viele waren mit Kerzen gekom­men, um auf dem Mark­t­platz Schw­erin gemein­sam der Opfer von Hanau zu gedenken. | Foto: schwerin-lokal.de

Angriffe auf Polizei und Stadtvertreter in den Redebeiträgen

Neben diesen ana­lytis­chen, zum demokratisch ori­en­tierten Kampf gegen Aus­gren­zung und Abw­er­tung, gegen Ras­sis­mus und Frem­den­feindlichkeit aufrufend­en Worten, kam es auch zu Wort­mel­dun­gen, die manch­er ver­mut­lich eher nicht auf dieser Mah­nwache erwartet hätte. So griff eine Red­ner­in am freien Mikro­fon unwider­sprochen die Polizei ver­bal an. Sie sprach von ein­er „Polizei, die nicht auf rechte Demon­stran­ten los­ge­ht. Ein­er Polizei, die auf Linken sitzt, auf kleinen Jungs.” Von ein­er „Polizei, die antifaschis­tis­che Demon­stran­ten niederknüp­pelt und die Recht­en schützt.”

Aber nicht nur die Polizei hat­te die Red­ner­in auf der Ver­anstal­tung, die eigentlich eine Mah­nwache für die Opfer der nächtlichen Blut­tat sein sollte, im Visi­er. Denn sie griff auch Vertreter der Stadtvertre­tung scharf an. Dabei warf sie der CDU-Frak­tion vor, sie würde „Het­ze in die Stadt brin­gen und mehr nach AfD klin­gen, als die AfD selb­st”. Und auch der anschließende Red­ner, nach Teil­nehmerangaben ein­er der Organ­isatoren des Bünd­niss­es „Schw­erin für Alle”, wandte sich an die zum Ver­anstal­tungss­chutz in Schw­erin vor Ort befind­lichen Ein­satzkräfte. „Der Staatss­chutz ist heute vor Ort, und schreibt sich genau auf, wer hier ist”. Es gin­ge um Überwachung und Kon­trolle dieser Ver­anstal­tung, während die Recht­en prob­lem­los agieren kön­nten.

Dass nicht jed­er der Anwe­senden ger­ade diese bei­den Rede­beiträge für passend hielt, zeigte das eine oder andere Randge­spräch. Es wur­den dabei dur­chaus Stim­men laut, die diese Art der Radikalität ablehn­ten. Grund­sät­zlich im Wirken gegen Recht­sradikalis­mus und men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gien – im Speziellen aber auch auf ein­er Mah­nwache für ger­ade ermordete Men­schen. Und doch, auch dies muss fest­ge­hal­ten wer­den, wider­sprach nie­mand den radikalen Äußerun­gen öffentlich, und gab es auch Applaus.

 

 

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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1 Comment

  • Da ich namentlich genan­nt bin, will ich aus mein­er Sicht Stel­lung nehmen. Ich war bei der Mah­nwache selb­st nicht anwe­send, aber ich zeichne für die Pressemit­teilung des Aktions­bünd­niss­es „Schw­erin für ALLE“ ver­ant­wortlich. Dazu ste­he ich gern. In der Pressemit­teilung heißt es:
    „Wir fordern Sol­i­dar­ität mit den Opfern rechter Gewalt und mit den Men­schen, die zunehmend fürcht­en müssen, es zu wer­den. Has­ser­füll­ten, diskri­m­inieren­den und ver­leumderischen Botschaften muss wider­sprochen wer­den, wo immer sie auftreten. Demokratis­che Parteien müssen sich klar und unmissver­ständlich von faschis­tis­chen Ide­olo­gien und Parteien, die Faschis­ten in ihren Rei­hen dulden, abgren­zen sowie jede Zusam­me­nar­beit und jeden Anschein von Akzep­tanz etwa gegenüber der AfD ablehnen.“
    Damit war schon deut­lich gemacht, dass es nicht allein um Trauer über Opfer und Sol­i­dar­ität gehen sollte, son­dern auch um notwendi­ge Kon­se­quen­zen, auch in Schw­erin. Ich kann es nicht beurteilen, es mag ja sein, dass eine emo­tion­al aufgewühlte Red­ner­in da auch ein Stück weit­er geht, als es gefäl­lig ist. Dass in der Schw­er­iner Stadtvertre­tung an der notwendi­gen Dis­tanz zur AfD gele­gentlich zu arbeit­en wäre, dass min­destens ein Mit­glied der CDU/FDP-Frak­tion auch zu ras­sis­tis­chen Äußerun­gen in der Lage ist und dass die UB-Frak­tion ganz offen AfD-Anträ­gen zus­timmt, kann jedoch nicht ern­sthaft bestrit­ten wer­den. Auch Polizeiüber­griffe in der geschilderten Art hat es gegeben, und Ver­strick­un­gen einzel­ner Beamter mit der recht­sradikalen Szene sind bekan­nt. In die Trauer über den Mord an Mit­bürg­ern allein auf­grund ihrer ver­muteten Herkun­ft mis­cht sich die Wut, dass dies auch deshalb geschehen kon­nte, weil Ras­sis­mus bis in bürg­er­liche Kreise hinein viel zu oft unwider­sprochen hin­genom­men wird und die Staats­ge­walt gele­gentlich in „bunt­gescheck­ten“ Antifaschis­ten die größere Gefahr sieht als in faschis­tis­chen Anzugträgern. Es kann eben nicht sein, dass wir einen Moment trauern und dann zur Tage­sor­d­nung zurück­kehren.
    Nach den Bericht­en, die ich habe, haben Beamte in Ziv­il Demonstrationsteilnehmer*innen fotografiert und Noti­zen gemacht. Wozu auch immer das gedi­ent hat, ich weiß von keinen staats­feindlichen Straftat­en auf der Ver­anstal­tung und keinem son­sti­gen Grund, der das recht­fer­ti­gen würde. Dass sich Teil­nehmer da weniger geschützt und eher krim­i­nal­isiert fühlen und das auch aussprechen, kann ich nachvol­lziehen.
    Ich per­sön­lich appel­liere an alle Demokrat­en, Klarheit zu schaf­fen. In der Bun­desre­pub­lik ist Antifaschis­mus keine Mei­n­ung, son­dern eine Daseins­be­din­gung. Poli­tis­che Dif­feren­zen im Spek­trum zwis­chen Links und Kon­ser­v­a­tiv hören nicht auf und müssen aus­ge­hal­ten und debat­tiert wer­den. Aber Faschis­mus und Ras­sis­mus sind nicht hin­nehm­bar. Eine Partei wie die AfD, die Faschis­ten in ihren Rei­hen duldet, die sich in aller Face­book-Öffentlichkeit noch am Mor­gen nach den Mor­den in Hanau beina­he auf die Seite des Mörders stellt, die nach rechts so weit offen ist, dass sie für Faschis­ten attrak­tiv und wählbar ist, schließt sich aus dem Kreis der Demokrat­en aus und muss entsprechend behan­delt wer­den.

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