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Schwerin: Politik reagiert in Sachen Stern Buchholz

Die Vorwürfe zweier Mitarbeiter der Malteser, des Landesflüchtlingsrates und einiger Anwohner aus Stern Buchholz bei Schwerin wiegen schwer. In der Erstaufnahmeeinrichtung am Stadtrand von Schwerin könnte einiges im Argen liegen.

  • Veröffentlicht April 8, 2020
Nach Bekanntwerden verschiedener schwerer Vorwürfe zur Situation in Stern Buchholz bei Schwerin meldet sich auch die Stadtpolitik zu Wort.

Die Vorwürfe zweier Mitarbeiter der Malteser, des Landesflüchtlingsrates und einiger Anwohner aus Stern Buchholz bei Schwerin wiegen schwer. In der Erstaufnahmeeinrichtung am Stadtrand von Schwerin könnte einiges im Argen liegen. In der SVZ heißt es gar, „in Stern Buchholz selbst habe auch niemand mehr die Kontrolle“. Bewusst widmen wir diesem Thema heute zwei Artikel. Einen, der die vorgestern durch die SVZ drastisch öffentlich gewordenen Vorwürfe nochmals schildert – und auch die erneute vollständige Zurückweisung seitens des Innenministeriums. Aber wir möchten natürlich auch die Stadtpolitik zu Wort kommen lassen. Daher fragten wir gestern bei den Fraktionen der Stadtvertretung Schwerin an und baten um Stellungnahmen. Diese reagierten sehr unterschiedlich. Von lauten Forderungen nach Aufklärung bis hin zum Vorwurf „nicht belegter, pauschaler Vorwürfe“ reicht dabei die Spanne.

 

Eher formale Reaktion von Gerd Böttger

Gerd Böttger, Fraktionsvorsitzender Die Partei.Die Linker, Schwerin

Unsere Redaktion fragte aufgrund der Berichterstattung gestern bei den Fraktionen der Stadtvertretung Schwerin an und bat um eine Stellungnahme. Wenig ging Gerd Böttger, Vorsitzender der Fraktion „Die Partei.Die Linke“ dabei aber auf die Vielschichtigkeit der Gesamtvorwürfe ein. Man habe das Thema gestern in einer Telefonkonferenz mit dem Ältestenrat, dem Stadtpräsidenten und dem Oberbürgermeister diskutiert. In Zusammenarbeit mit der Polizei Schwerin wolle man nun auf Zusammenkünfte von Gruppen in der Stadt reagieren. Man bedenke, die Kontaktsperre gilt inzwischen seit gut 14 Tagen. Jetzt also möchte man reagieren. Zudem, so Böttger, soll der Nahverkehr die Buslinie 9 weiter reduzieren und der Oberbürgermeister soll in einer neuen Telefonkonferenz am morgigen Donnerstag zum Thema informieren.

Silvio Horn fordert Aufklärung

Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürger (UB) Schwerin

Deutlicher wurde Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Bürger Schwerin. Er weist aber auch darauf hin, dass der Großteil der Probleme im Zuständigkeitsbereich des Landes und die Malteser liegen. Diese Institutionen „tragen dafür in erster Linie die Verantwortung und sind jetzt mehr denn je aufgefordert, Mängel unverzüglich abzustellen und […] transparent und vollständig zu informieren. Es ist nicht hinnehmbar, dass Sachverhalte unter der Decke gehalten werden. Ebenso nicht, wenn Bewohner der Landeshauptstadt – und dazu zählen auch die Asylbewerber in Stern Buchholz – meinen, sich nicht wie alle anderen an die Gesetze oder an die derzeitigen Regeln zum Kontaktverbot halten zu müssen.“ Der Oberbürgermeister müsse bei den Maltesern und beim Land Aufklärung einfordern. „Denn die Einrichtung liegt trotz der Zuständigkeit anderer Stellen auf dem Gebiet der Landeshauptstadt; insoweit sind Probleme dort auch Probleme der Stadt, für deren Lösung wir Sorge tragen müssen.“

Regina Dorfmann sieht auch Kommunikationsdefizite

Regina Dorfmann, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen Schwerin | Foto: Fotostudio Warsakis

Für Die Grünen reagierte die Fraktionsvorsitzende Regina Dorfmann. „Es ist unglaublich schwierig über etwas zu urteilen, was ich nicht sehen kann“. Dies gelte letztendlich für alle im Raum stehenden Vorwürfe. Speziell auf die Bewohner bezogen sieht sie dabei aber eine ganz konkrete Problematik hinsichtlich des Verständnisses der geltenden Maßnahmen. „Schon die Art der Unterbringung kommuniziert letztendlich doch etwas ganz anderes, als es die Kontaktsperre besagt. Da sind im Zweifel  Menschen in Mehrbettzimmern gemeinsam untergebracht, die gar nicht aus einer Familie stammen“, so Dorfmann. Auch steht weiter die Frage im raum, ob die Menschen sprachlich verstehen konnten, was man derzeit von ihnen erwartet. Regina Dorfmann fordert mehr Öffentlichkeit und Transparenz in dieser Thematik. „Wir erwarten vom Innenministerium eine andere Informationspolitik. Es muss sich jetzt klar zu seiner Verantwortung bekennen, die Situation transparent aufklären und dabei die Öffentlichkeit auch uneingeschränkt einbeziehen.“ 

Sozialdemokraten sehen Innenminister in der Pflicht und städtisches Gesundheitsamt im Recht

SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Masch

Die Fraktion der Sozialdemokraten ging in den späteren Nachmittagsstunden mit einer Pressemitteilung zur Thematik an die Öffentlichkeit. Dabei stellte Fraktionschef Christian Masch klar, dass er keine Zweifel an den Darstellungen des städtischen Gesundheitsamtes habe. Dieses sprach zuletzt von keinen schwereren Problemen im Rahmen vor Ort erfolgter Hygienekontrollen. Ganz im Gegensatz u.a. zum Landesflüchtlingsrat. Masch sieht zudem den Innenminister in der Pflicht, nun den anonymen Vorwürfen nachzugehen, den situationsgerechten Betrieb sicherzustellen und Transparenz zu gewährleisten. Das tat der Adressat gestern auch, in dem er seinen Staatssekretär in die Erstaufnahmeeinrichtungen Horst und Stern Buchholz fahren ließ. Dort stellte dieser dann fest, dass alles problemlos abläuft. Somit erklärte er alle Vorwürfe für haltlos und widerlegt.  Ob das allerdings von Christian Masch als transparente Aufklärung gemeint war, sei dahingestellt. 

Zudem äußerte sich Masch bei der Gelegenheit auch gleich etwas allgemeiner zu den Kontrollen der geltenden Regelungen. „Für eine verstärkte Überwachung der Einhaltung der Abstandsregelungen durch unseren Kommunalen Ordnungsdienst und die Polizeiinspektion Schwerin über den Regelstreifendienst hinaus besteht aus meiner Sicht auch nach den anonymen Einzelfallschilderungen gegenwärtig noch keine Veranlassung.“ 

Gerd Rudolf sieht Land in der Pflicht aber kritisiert Vorwürfe als „nicht belegt“ und „pauschal“

Auch der Chef der CDU/FDP-Fraktion in Schwerin, Gert Rudolf, verweist in seiner Stellungnahme auf das Land als für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständige Instanz. Verwaltung wie auch Fraktionen der Stadt seien sich aber einig, dass man im Falle unzulässiger Handlungen Position beziehen müsse. „Die Verwaltung wird daher im Einvernehmen mit der Kommunalpolitik das Land um die rasche Aufklärung der einzelnen Sachverhalte bitten. Ich gehe auch davon aus, dass dieses schnell passiert und dass ggf. unzulässige Vorgehensweisen umgehend abgestellt werden“, so Rudolf. Ob ihm dabei die gestrige Reaktion von Innen-Staatssekretär Thomas Lenz ausreicht, bleibt abzuwarten. Allerdings scheint sich Rudolf, der letztlich auch für seine Fraktion spricht, von den nun öffentlichen Vorwürfen zu distanzieren. Ein „Weggucken“ der Ordnungshüter – sprich Polizei und Ordnungsamt – sei ihm nicht bekannt. Konkret dies aber berichten die von der SVZ zitierten Mitarbeiter der Malteser wie auch Anwohner gegenüber unserer Redaktion. 

„Nicht belegte, pauschale Vorwürfe sind“, so Rudolf weiter, „für mich kein geeigneter Weg des Umgangs miteinander und lösen auch kein einziges Problem.“ Was konkret er damit meint, bleibt offen. Die Berichterstattung der SVZ wie auch die durch unsere Redaktion herangezogenen Beobachtungen sind ebenso wie die Vorwürfe des Landesflüchtlingsrates konkret, detailliert und bestätigen unabhängig voneinander ähnliche Beobachtungen. Allein Bilder des NDR im Rahmen des gestrigen Nordmagazins zeigten erneut dicht beieinander stehende Gruppen von Bewohnern an der Bushaltestelle vor der Einrichtung.

Petra Federau sieht bewusstes Nicht-Kommunizieren der Situation in Stern Buchholz

„Die Situation in Parchim wurde von einem Stadtvertreterkollegen bereits am 21.03.20 öffentlich hinterfragt. Auch da wurde damals alles bestritten und verharmlost und die AfD der Lüge und Hetze bezichtigt, obwohl alles der Wahrheit entsprach“, so Petra Federau, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD in Schwerin. Die zuständigen Stellen versuchten vor Ort, die nun öffentlichen Vorwürfe aber wohl auch weitere Probleme vor Ort „zu verschweigen“.

Bezogen auf die konkreten Vorwürfe liegen der AfD-Fraktion laut Federau Informationen von Malteser-Mitarbeitern wie auch Bewohnern vor, „dass dort kaum bzw. keine Schutzmaßnahmen getroffen wurden“. Entsprechende Anfragen danach aber auch nach Tests hätte man abgewiesen. Kontaktpersonen, die im Quarantänehaus untergebracht seien, sollen sich nach Angaben Petra Federaus auch weiterhin mit anderen Bewohnern auf dem Gelände treffen. Ebenfalls gäbe es Informationen zu sehr konkreten Situationen, in denen große Gruppen der Bewohner aus dem Bus steigen – von Abstand war nichts zu erkennen. Petra Federau fordert für die Fraktion eine Quarantäne für die gesamte Einrichtung und ein Ende der „Vertuschung“ der tatsächlichen Situation vor Ort. Ganz besonders gelte es dabei, das Verhalten der Malteser-Werke zu hinterfragen.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

1 Comment

  • Endlich ist es geschafft: Die Ausländerfeindlichkeit mit dem Thema Corona zu verknüpfen. Wochenlang konnten wir nichts hören über die Gefahren, die von Ausländern und Asylbewerbern auf uns ausgehen. Das ist nun endlich vorbei. Dazu passt die Forderung der AfD, das gesammte Lager unter Ausgangssprerre zu stellen. Vielleicht mit bewaffneten Wachen? Hat die SVZ keinerlei jounalistisches Gespühr dafür, wenn sie vor einen Karren gespannt wird?

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